Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Krone nicht mehr das Vertrauen des Hauses genießen", das Amendement
angenommen wird, die Worte "nicht mehr" zu streichen und statt dessen zu
setzen "in hohem Grade". --

Was die Art der Abstimmung betrifft, so sehen wir keinen Grund zu
Gunsten der englischen Praxis von unserm Herkommen abzugehen.

Wir sind überzeugt, daß die Annahme der vorstehend ausgeführten Ab¬
änderungen die parlamentarischen Verhandlungen erheblich fördern und vor
allem dem unseligen Fractionswesen entgegenwirken würde, welches weder die
eingehende Gründlichkeit der Arbeiten in den Commissionen, noch die Bedeut¬
samkeit der Verhandlung im Hause heben kann, dagegen diese letztere zu einem
vorher abgekarteten Spiel herabwürdigt, den Gang aller wichtigen Debatten
verschiebt und verwirrt und nur den Intriguen und Coterien Vorschub leistet.


" "


Die östreichische Heeresreform.

Nach den Niederlagen, welche die Nordarmee in dem vorjährigen Feldzuge
erlitten, ertönte aus allen Provinzen des Kaiserstaates der Ruf nach einer
volkstümlichen Umgestaltung des Heerwesens. Man übersah im Zorn und
aus Angst auch das Gute, was von unseren Truppen geleistet worden war,
begehrte Reform um jeden Preis, ohne zu untersuchen, ob nicht ein großer
Theil der bestehenden Einrichtungen ganz gut beibehalten werden könnte. Mit
besonderer Vorliebe deutete man aus den Mangel der Intelligenz als eine der
Hauptursachen der erlittenen Niederlagen hin. Man ging auch in dieser Selbst¬
beschuldigung zu weit. Daß es bei den ungarischen und slawischen Regimen¬
tern auch unter dem Offiziercorps sehr viele rohe und unwissende Subjecte gab,
wird niemand bestreiten, dagegen dürsten die aus den deutschen Provinzen
recrutirten Regimenter, was den Bildungsgrad der Einzelnen betrifft, den
Truppen der meisten deutschen Staaten nur wenig nachstehen. Die Leistungen
der östreichischen Artillerie, deren Offiziere sowie in Preußen zumeist dem Bür¬
gerstande entstammen, beweisen das Gesagte. Nicht der Mangel an Intelligenz
überhaupt, sondern der Mangel an militärischer Intelligenz hat die Niederlage
der östreichischen Armee veranlaßt. Wohl hatte man schon nach 1869 Klage
darüber geführt, und es wurden auch einige schwache Anstrengungen gemacht,


der Krone nicht mehr das Vertrauen des Hauses genießen", das Amendement
angenommen wird, die Worte „nicht mehr" zu streichen und statt dessen zu
setzen „in hohem Grade". —

Was die Art der Abstimmung betrifft, so sehen wir keinen Grund zu
Gunsten der englischen Praxis von unserm Herkommen abzugehen.

Wir sind überzeugt, daß die Annahme der vorstehend ausgeführten Ab¬
änderungen die parlamentarischen Verhandlungen erheblich fördern und vor
allem dem unseligen Fractionswesen entgegenwirken würde, welches weder die
eingehende Gründlichkeit der Arbeiten in den Commissionen, noch die Bedeut¬
samkeit der Verhandlung im Hause heben kann, dagegen diese letztere zu einem
vorher abgekarteten Spiel herabwürdigt, den Gang aller wichtigen Debatten
verschiebt und verwirrt und nur den Intriguen und Coterien Vorschub leistet.


» »


Die östreichische Heeresreform.

Nach den Niederlagen, welche die Nordarmee in dem vorjährigen Feldzuge
erlitten, ertönte aus allen Provinzen des Kaiserstaates der Ruf nach einer
volkstümlichen Umgestaltung des Heerwesens. Man übersah im Zorn und
aus Angst auch das Gute, was von unseren Truppen geleistet worden war,
begehrte Reform um jeden Preis, ohne zu untersuchen, ob nicht ein großer
Theil der bestehenden Einrichtungen ganz gut beibehalten werden könnte. Mit
besonderer Vorliebe deutete man aus den Mangel der Intelligenz als eine der
Hauptursachen der erlittenen Niederlagen hin. Man ging auch in dieser Selbst¬
beschuldigung zu weit. Daß es bei den ungarischen und slawischen Regimen¬
tern auch unter dem Offiziercorps sehr viele rohe und unwissende Subjecte gab,
wird niemand bestreiten, dagegen dürsten die aus den deutschen Provinzen
recrutirten Regimenter, was den Bildungsgrad der Einzelnen betrifft, den
Truppen der meisten deutschen Staaten nur wenig nachstehen. Die Leistungen
der östreichischen Artillerie, deren Offiziere sowie in Preußen zumeist dem Bür¬
gerstande entstammen, beweisen das Gesagte. Nicht der Mangel an Intelligenz
überhaupt, sondern der Mangel an militärischer Intelligenz hat die Niederlage
der östreichischen Armee veranlaßt. Wohl hatte man schon nach 1869 Klage
darüber geführt, und es wurden auch einige schwache Anstrengungen gemacht,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191028"/>
          <p xml:id="ID_1154" prev="#ID_1153"> der Krone nicht mehr das Vertrauen des Hauses genießen", das Amendement<lb/>
angenommen wird, die Worte &#x201E;nicht mehr" zu streichen und statt dessen zu<lb/>
setzen &#x201E;in hohem Grade". &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1155"> Was die Art der Abstimmung betrifft, so sehen wir keinen Grund zu<lb/>
Gunsten der englischen Praxis von unserm Herkommen abzugehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1156"> Wir sind überzeugt, daß die Annahme der vorstehend ausgeführten Ab¬<lb/>
änderungen die parlamentarischen Verhandlungen erheblich fördern und vor<lb/>
allem dem unseligen Fractionswesen entgegenwirken würde, welches weder die<lb/>
eingehende Gründlichkeit der Arbeiten in den Commissionen, noch die Bedeut¬<lb/>
samkeit der Verhandlung im Hause heben kann, dagegen diese letztere zu einem<lb/>
vorher abgekarteten Spiel herabwürdigt, den Gang aller wichtigen Debatten<lb/>
verschiebt und verwirrt und nur den Intriguen und Coterien Vorschub leistet.</p><lb/>
          <note type="byline"> » »</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die östreichische Heeresreform.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1157" next="#ID_1158"> Nach den Niederlagen, welche die Nordarmee in dem vorjährigen Feldzuge<lb/>
erlitten, ertönte aus allen Provinzen des Kaiserstaates der Ruf nach einer<lb/>
volkstümlichen Umgestaltung des Heerwesens. Man übersah im Zorn und<lb/>
aus Angst auch das Gute, was von unseren Truppen geleistet worden war,<lb/>
begehrte Reform um jeden Preis, ohne zu untersuchen, ob nicht ein großer<lb/>
Theil der bestehenden Einrichtungen ganz gut beibehalten werden könnte. Mit<lb/>
besonderer Vorliebe deutete man aus den Mangel der Intelligenz als eine der<lb/>
Hauptursachen der erlittenen Niederlagen hin. Man ging auch in dieser Selbst¬<lb/>
beschuldigung zu weit. Daß es bei den ungarischen und slawischen Regimen¬<lb/>
tern auch unter dem Offiziercorps sehr viele rohe und unwissende Subjecte gab,<lb/>
wird niemand bestreiten, dagegen dürsten die aus den deutschen Provinzen<lb/>
recrutirten Regimenter, was den Bildungsgrad der Einzelnen betrifft, den<lb/>
Truppen der meisten deutschen Staaten nur wenig nachstehen. Die Leistungen<lb/>
der östreichischen Artillerie, deren Offiziere sowie in Preußen zumeist dem Bür¬<lb/>
gerstande entstammen, beweisen das Gesagte. Nicht der Mangel an Intelligenz<lb/>
überhaupt, sondern der Mangel an militärischer Intelligenz hat die Niederlage<lb/>
der östreichischen Armee veranlaßt. Wohl hatte man schon nach 1869 Klage<lb/>
darüber geführt, und es wurden auch einige schwache Anstrengungen gemacht,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0334] der Krone nicht mehr das Vertrauen des Hauses genießen", das Amendement angenommen wird, die Worte „nicht mehr" zu streichen und statt dessen zu setzen „in hohem Grade". — Was die Art der Abstimmung betrifft, so sehen wir keinen Grund zu Gunsten der englischen Praxis von unserm Herkommen abzugehen. Wir sind überzeugt, daß die Annahme der vorstehend ausgeführten Ab¬ änderungen die parlamentarischen Verhandlungen erheblich fördern und vor allem dem unseligen Fractionswesen entgegenwirken würde, welches weder die eingehende Gründlichkeit der Arbeiten in den Commissionen, noch die Bedeut¬ samkeit der Verhandlung im Hause heben kann, dagegen diese letztere zu einem vorher abgekarteten Spiel herabwürdigt, den Gang aller wichtigen Debatten verschiebt und verwirrt und nur den Intriguen und Coterien Vorschub leistet. » » Die östreichische Heeresreform. Nach den Niederlagen, welche die Nordarmee in dem vorjährigen Feldzuge erlitten, ertönte aus allen Provinzen des Kaiserstaates der Ruf nach einer volkstümlichen Umgestaltung des Heerwesens. Man übersah im Zorn und aus Angst auch das Gute, was von unseren Truppen geleistet worden war, begehrte Reform um jeden Preis, ohne zu untersuchen, ob nicht ein großer Theil der bestehenden Einrichtungen ganz gut beibehalten werden könnte. Mit besonderer Vorliebe deutete man aus den Mangel der Intelligenz als eine der Hauptursachen der erlittenen Niederlagen hin. Man ging auch in dieser Selbst¬ beschuldigung zu weit. Daß es bei den ungarischen und slawischen Regimen¬ tern auch unter dem Offiziercorps sehr viele rohe und unwissende Subjecte gab, wird niemand bestreiten, dagegen dürsten die aus den deutschen Provinzen recrutirten Regimenter, was den Bildungsgrad der Einzelnen betrifft, den Truppen der meisten deutschen Staaten nur wenig nachstehen. Die Leistungen der östreichischen Artillerie, deren Offiziere sowie in Preußen zumeist dem Bür¬ gerstande entstammen, beweisen das Gesagte. Nicht der Mangel an Intelligenz überhaupt, sondern der Mangel an militärischer Intelligenz hat die Niederlage der östreichischen Armee veranlaßt. Wohl hatte man schon nach 1869 Klage darüber geführt, und es wurden auch einige schwache Anstrengungen gemacht,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/334
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/334>, abgerufen am 05.05.2024.