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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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hat er dafür in einer viel trüberen, viel schwierigeren Epoche als der gegen¬
wärtigen die Rechtsansprüche des deutschen Volks eben so nachdrücklich wie
wirksam verfochten, er allein, und es wäre unserer nicht würdig, über uner¬
füllbaren Erwartungen rühmlich erfüllter zu vergessen.




Aus Schwaben.

Mit einiger Verschämtheit werden wir Schwaben gewahr, wie zur Zeit alle
Welt auf unsern Fleck Erde blickt. Selten sind wir in der Lage, so viel über
uns selbst in auswärtigen Zeitungen zu lesen; ganz neu ist, daß die bescheide¬
nen Leitartikel unserer Presse in fremde Sprachen übersehe und zur Grund¬
lage politischer Reflexionen gemacht werden. Solche Aufmerksamkeit, die von
allen Himmelsgegenden uns umgiebt, hat etwas Beunruhigendes; wir empfin¬
den, daß es seine zwei Seiten hat, so schonungslos der Oeffentlichkeit exponirt
zu sein. Die Fernröhre, die jetzt von allen Seiten auf uns gerichtet sind,
mögen allerlei entdecken was vielleicht nicht ganz zu unserm Ruhme ist. Zum
mindesten muß uns selbst die bedenkliche Frage aufsteigen, ob unser Gewissen
so fleckenlos rein ist, und ob wir beim Schlüsse des kleinen Dramas, das wir
demnächst aufführen sollen, des Beifalls der Kenner so sicher sind. Noch läßt
sich nicht mit Gewißheit prophezeien, wie das Stück ausfallen wird. Indessen
sind die Rollen ausgetheilt und die Proben ernstlich im Gang.

Fast könnte es scheinen, wenn man die eifrigen Zurüstungen in unserm
Lande erblickt, als ob die deutsche Frage in allem Ernste noch einmal gelöst
werden müßte. Als ob die Hauptentscheidung erst im Herzen von Schwaben
erfolgen könnte und die Ereignisse des vorigen Jahres noch nichts bedeuteten,
so lange sie der Legitimation durch die schwäbische Kammer entbehren. Als ob
Preußen nachträglich noch von uns die Erlaubniß zur Schlacht von Sadowa
einzuholen hätte. Hört man die Advocaten der würtembergischen Selbständig¬
st, so wird unser Halbmondsaal alle Anstrengung machen, sich als den Senat
constituiren, der die weltgeschichtlichen Dinge, die geschehen sind und noch
eschchen werden, vor sein Forum ziehen wird, und wehe den Ereignissen, die ohne


hat er dafür in einer viel trüberen, viel schwierigeren Epoche als der gegen¬
wärtigen die Rechtsansprüche des deutschen Volks eben so nachdrücklich wie
wirksam verfochten, er allein, und es wäre unserer nicht würdig, über uner¬
füllbaren Erwartungen rühmlich erfüllter zu vergessen.




Aus Schwaben.

Mit einiger Verschämtheit werden wir Schwaben gewahr, wie zur Zeit alle
Welt auf unsern Fleck Erde blickt. Selten sind wir in der Lage, so viel über
uns selbst in auswärtigen Zeitungen zu lesen; ganz neu ist, daß die bescheide¬
nen Leitartikel unserer Presse in fremde Sprachen übersehe und zur Grund¬
lage politischer Reflexionen gemacht werden. Solche Aufmerksamkeit, die von
allen Himmelsgegenden uns umgiebt, hat etwas Beunruhigendes; wir empfin¬
den, daß es seine zwei Seiten hat, so schonungslos der Oeffentlichkeit exponirt
zu sein. Die Fernröhre, die jetzt von allen Seiten auf uns gerichtet sind,
mögen allerlei entdecken was vielleicht nicht ganz zu unserm Ruhme ist. Zum
mindesten muß uns selbst die bedenkliche Frage aufsteigen, ob unser Gewissen
so fleckenlos rein ist, und ob wir beim Schlüsse des kleinen Dramas, das wir
demnächst aufführen sollen, des Beifalls der Kenner so sicher sind. Noch läßt
sich nicht mit Gewißheit prophezeien, wie das Stück ausfallen wird. Indessen
sind die Rollen ausgetheilt und die Proben ernstlich im Gang.

Fast könnte es scheinen, wenn man die eifrigen Zurüstungen in unserm
Lande erblickt, als ob die deutsche Frage in allem Ernste noch einmal gelöst
werden müßte. Als ob die Hauptentscheidung erst im Herzen von Schwaben
erfolgen könnte und die Ereignisse des vorigen Jahres noch nichts bedeuteten,
so lange sie der Legitimation durch die schwäbische Kammer entbehren. Als ob
Preußen nachträglich noch von uns die Erlaubniß zur Schlacht von Sadowa
einzuholen hätte. Hört man die Advocaten der würtembergischen Selbständig¬
st, so wird unser Halbmondsaal alle Anstrengung machen, sich als den Senat
constituiren, der die weltgeschichtlichen Dinge, die geschehen sind und noch
eschchen werden, vor sein Forum ziehen wird, und wehe den Ereignissen, die ohne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/115>, abgerufen am 19.04.2024.