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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Bei der Vertheilung des eroberten Landes ist von den mohamedanischen
Fürsten in sehr verschiedener Weise verfahren worden. Die Grundstücke sind
entweder zu Staatsdomänen erklärt oder zu frommen Stiftungen verwendet
oder endlich als freies Eigenthum unter die Sieger und die Besiegten vertheilt
worden. Auf diese von den ersten Begründern der mohamedanischen Staaten
befolgte Praxis führt sich die Dreitheilung alles Grundeigenthums zurück, die
in der türkischen Gesetzgebung eine so große Rolle spielt. Wir werden in dem
folgenden die besonderen Eigenthümlichkeiten dieser Kategorien erörtern und be¬
merken zum bessern Verständnisse, daß im Türkischen

1) das freie Eigenthum Unita,

2) die Staatsdomäne Nirio,

3) die zu frommen Stiftungen geweihten Güter ^VaKuk
genannt werden.

Nulla ist dasjenige Recht, da" fast in allen Punkten unserm Eigenthum?
gleichsteht. Bon demselben ist etwas Besonderes nicht zu bemerken; dagegen
muß näher auf die Staatsdomäne und auf den Wakuf eingegangen werden, da
hier viele Eigenthümlichkeiten sich zeigen.

1) Die Staatsdomäne.

Der bei weitem größte Theil des Grund und Bodens im türkischen Reiche
ist Staatsdomäne. Wie oben ernährt, war die Verwandlung eines Theils des
eroberten Gebietes in Staatseigenthum der ältesten Praxis der islamischen
Eroberer entsprechend. Die osmanischen Stämme haben von dieser Praxis
einen weit umfassenderen Gebrauch gemacht, einestheils wohl, weil die ihnen
zufallenden, sehr ausgedehnten Territorien von zahlreichen nicht mohamedani¬
schen Völkerschaften bewohnt waren, und dann, weil die Türken im Besitz eines
ausgebildeten Lehnssystems sich befanden, das sich auf diese Weise am leichtesten
in den neuen Ländern einführen ließ.

Diese Domänen wurden nun zu verschiedenen Zwecken verwendet. Ein
Theil blieb Domäne in dem uns geläufigen Sinne, ein anderer wurde
zu Apanagegütern der Prinzen und der Sultanin Valide bestimmt, ein dritter
Theil wurde anstatt der Besoldung einzelnen hohen Aemtern überwiesen, der
größte Theil endlich wurde als Lehen vergeben.

Bei der Belehnung übertrug der Sultan seine Rechte an den Domanial-
gütern einzelnen seiner Soldaten, den Sipahis und deren Offizieren, in der
Weise, daß sie einen Antheil an den eingehenden Gefallen hatten. Der Sipahi
wurde durch die Belehnung Herr der Erde, der Grund und Boden selbst wurde
aber entweder dem bisherigen Besitzer oder einem Dritten überlassen. Diese
Personen erwarben den Besitz auf Grund einer Verleihung (tapu) gegen Zab/


Bei der Vertheilung des eroberten Landes ist von den mohamedanischen
Fürsten in sehr verschiedener Weise verfahren worden. Die Grundstücke sind
entweder zu Staatsdomänen erklärt oder zu frommen Stiftungen verwendet
oder endlich als freies Eigenthum unter die Sieger und die Besiegten vertheilt
worden. Auf diese von den ersten Begründern der mohamedanischen Staaten
befolgte Praxis führt sich die Dreitheilung alles Grundeigenthums zurück, die
in der türkischen Gesetzgebung eine so große Rolle spielt. Wir werden in dem
folgenden die besonderen Eigenthümlichkeiten dieser Kategorien erörtern und be¬
merken zum bessern Verständnisse, daß im Türkischen

1) das freie Eigenthum Unita,

2) die Staatsdomäne Nirio,

3) die zu frommen Stiftungen geweihten Güter ^VaKuk
genannt werden.

Nulla ist dasjenige Recht, da» fast in allen Punkten unserm Eigenthum?
gleichsteht. Bon demselben ist etwas Besonderes nicht zu bemerken; dagegen
muß näher auf die Staatsdomäne und auf den Wakuf eingegangen werden, da
hier viele Eigenthümlichkeiten sich zeigen.

1) Die Staatsdomäne.

Der bei weitem größte Theil des Grund und Bodens im türkischen Reiche
ist Staatsdomäne. Wie oben ernährt, war die Verwandlung eines Theils des
eroberten Gebietes in Staatseigenthum der ältesten Praxis der islamischen
Eroberer entsprechend. Die osmanischen Stämme haben von dieser Praxis
einen weit umfassenderen Gebrauch gemacht, einestheils wohl, weil die ihnen
zufallenden, sehr ausgedehnten Territorien von zahlreichen nicht mohamedani¬
schen Völkerschaften bewohnt waren, und dann, weil die Türken im Besitz eines
ausgebildeten Lehnssystems sich befanden, das sich auf diese Weise am leichtesten
in den neuen Ländern einführen ließ.

Diese Domänen wurden nun zu verschiedenen Zwecken verwendet. Ein
Theil blieb Domäne in dem uns geläufigen Sinne, ein anderer wurde
zu Apanagegütern der Prinzen und der Sultanin Valide bestimmt, ein dritter
Theil wurde anstatt der Besoldung einzelnen hohen Aemtern überwiesen, der
größte Theil endlich wurde als Lehen vergeben.

Bei der Belehnung übertrug der Sultan seine Rechte an den Domanial-
gütern einzelnen seiner Soldaten, den Sipahis und deren Offizieren, in der
Weise, daß sie einen Antheil an den eingehenden Gefallen hatten. Der Sipahi
wurde durch die Belehnung Herr der Erde, der Grund und Boden selbst wurde
aber entweder dem bisherigen Besitzer oder einem Dritten überlassen. Diese
Personen erwarben den Besitz auf Grund einer Verleihung (tapu) gegen Zab/


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[0126] Bei der Vertheilung des eroberten Landes ist von den mohamedanischen Fürsten in sehr verschiedener Weise verfahren worden. Die Grundstücke sind entweder zu Staatsdomänen erklärt oder zu frommen Stiftungen verwendet oder endlich als freies Eigenthum unter die Sieger und die Besiegten vertheilt worden. Auf diese von den ersten Begründern der mohamedanischen Staaten befolgte Praxis führt sich die Dreitheilung alles Grundeigenthums zurück, die in der türkischen Gesetzgebung eine so große Rolle spielt. Wir werden in dem folgenden die besonderen Eigenthümlichkeiten dieser Kategorien erörtern und be¬ merken zum bessern Verständnisse, daß im Türkischen 1) das freie Eigenthum Unita, 2) die Staatsdomäne Nirio, 3) die zu frommen Stiftungen geweihten Güter ^VaKuk genannt werden. Nulla ist dasjenige Recht, da» fast in allen Punkten unserm Eigenthum? gleichsteht. Bon demselben ist etwas Besonderes nicht zu bemerken; dagegen muß näher auf die Staatsdomäne und auf den Wakuf eingegangen werden, da hier viele Eigenthümlichkeiten sich zeigen. 1) Die Staatsdomäne. Der bei weitem größte Theil des Grund und Bodens im türkischen Reiche ist Staatsdomäne. Wie oben ernährt, war die Verwandlung eines Theils des eroberten Gebietes in Staatseigenthum der ältesten Praxis der islamischen Eroberer entsprechend. Die osmanischen Stämme haben von dieser Praxis einen weit umfassenderen Gebrauch gemacht, einestheils wohl, weil die ihnen zufallenden, sehr ausgedehnten Territorien von zahlreichen nicht mohamedani¬ schen Völkerschaften bewohnt waren, und dann, weil die Türken im Besitz eines ausgebildeten Lehnssystems sich befanden, das sich auf diese Weise am leichtesten in den neuen Ländern einführen ließ. Diese Domänen wurden nun zu verschiedenen Zwecken verwendet. Ein Theil blieb Domäne in dem uns geläufigen Sinne, ein anderer wurde zu Apanagegütern der Prinzen und der Sultanin Valide bestimmt, ein dritter Theil wurde anstatt der Besoldung einzelnen hohen Aemtern überwiesen, der größte Theil endlich wurde als Lehen vergeben. Bei der Belehnung übertrug der Sultan seine Rechte an den Domanial- gütern einzelnen seiner Soldaten, den Sipahis und deren Offizieren, in der Weise, daß sie einen Antheil an den eingehenden Gefallen hatten. Der Sipahi wurde durch die Belehnung Herr der Erde, der Grund und Boden selbst wurde aber entweder dem bisherigen Besitzer oder einem Dritten überlassen. Diese Personen erwarben den Besitz auf Grund einer Verleihung (tapu) gegen Zab/

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/126>, abgerufen am 16.04.2024.