Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Herrn Zehnt zahlen, Frohndienste leisten und untersteht seiner Gerichtsbarkeit.
Diese Ähnlichkeiten treten noch mehr hervor, wenn man die Detailvorschriften
sich ansieht, die die älteren Gesetze in ziemlicher Ausführlichkeit enthalten. Uns
interessirt ein weiteres Eingehen auf diese Punkte aber nicht, für den vorlie¬
genden Zweck genügt die Skizzirung des Verhältnisses.


2. Die Wcikufs.

Wakuf bezeichnet ursprünglich die feierliche Weihung einer Sache zu einem
vom Stifter bestimmten frommen Zwecke. Später wurde darunter auch der
Complex der Vermögensobjecte verstanden, die zu dem frommen Zwecke bestimmt
waren. Die zu Wakuf geweihten Grundstücke werden dadurch dem Verkehr
gänzlich entzogen. Ausschließlicher Eigenthümer wird die Gottheit. Selbst der
Staat verliert an diesen Grundstücken alle seine sonstigen Befugnisse und na¬
mentlich das Recht der Besteuerung.

Die Stiftungen sind durch den Koran empfohlen und wurden bald üblich.
Dadurch vermehrten sich schnell die Wakufgüter, die schon durch die Antheile
an der Beute nicht unbeträchtlich waren. In späterer Zeit wurden die Stif¬
tungen förmlich zur Modesache und nicht nur Privatpersonen betheiligten sich
daran, sondern namentlich auch die Sultane, die oft große Theile der Doma-
nialgüter den Wakufsverwaltungen überwiesen. Diese Güter, die man später
mevkuttt nannte, blieben in den Händen der Detentoren, der Wakuf erhielt
aber daran ungefähr die Rechte, die sonst der Sipahi ausgeübt hätte, wenn
die Güter in Lehen vergeben wären.

Dem analog vergaben die Wakufsverwaltungen andere Besitzungen in Erb¬
pacht (iüM-6.) Dabei wurde gewöhnlich ein System einer doppelten Miethe
angewendet, das ichareteiir genannt wurde. Der Erwerber zahlte sofort ein
größeres Pauschquantum (muaäsekelo), gleichsam ein Aversionalquantum auf
die Miethe, und später nur noch eine sehr geringe jährliche Miethe (muöäsekölö)
Der Wakuf hatte bei einer solchen Erbpacht das Recht, eine Erbschaftssteuer
zu erheben, wenn ein Descendent das Gut nach dem Tode des Vaters über¬
nahm. In Ermangelung von Descendenten wurde das Grundstück mMu!
d. h. es siel an den Wakuf zurück. Verlaufe durste das Grundstück nicht ohne
Genehmigung des Wakuf werden, der sich dafür eine Abgabe zahlen ließ; es
durfte selbstredend nicht verpfändet werden, unterlag dafür aber auch weder
einer Besteuerung vom Staate, noch auch der Confiscation.

Die Confiscationen spielten im ottomanischen Reiche bekanntlich eine nicht
unbedeutende Rolle. Sie waren eine beliebte Finanzquelle des Staates und
daher war großer Reichthum große Gefahr. Noch heute findet man in¬
folge dessen bei den Orientalen das gewohnheitsmäßige Bestreben, sein Vermö¬
gen zu verbergen. Da Grundbesitz schwer zu verheimlichen war, so kam man


Herrn Zehnt zahlen, Frohndienste leisten und untersteht seiner Gerichtsbarkeit.
Diese Ähnlichkeiten treten noch mehr hervor, wenn man die Detailvorschriften
sich ansieht, die die älteren Gesetze in ziemlicher Ausführlichkeit enthalten. Uns
interessirt ein weiteres Eingehen auf diese Punkte aber nicht, für den vorlie¬
genden Zweck genügt die Skizzirung des Verhältnisses.


2. Die Wcikufs.

Wakuf bezeichnet ursprünglich die feierliche Weihung einer Sache zu einem
vom Stifter bestimmten frommen Zwecke. Später wurde darunter auch der
Complex der Vermögensobjecte verstanden, die zu dem frommen Zwecke bestimmt
waren. Die zu Wakuf geweihten Grundstücke werden dadurch dem Verkehr
gänzlich entzogen. Ausschließlicher Eigenthümer wird die Gottheit. Selbst der
Staat verliert an diesen Grundstücken alle seine sonstigen Befugnisse und na¬
mentlich das Recht der Besteuerung.

Die Stiftungen sind durch den Koran empfohlen und wurden bald üblich.
Dadurch vermehrten sich schnell die Wakufgüter, die schon durch die Antheile
an der Beute nicht unbeträchtlich waren. In späterer Zeit wurden die Stif¬
tungen förmlich zur Modesache und nicht nur Privatpersonen betheiligten sich
daran, sondern namentlich auch die Sultane, die oft große Theile der Doma-
nialgüter den Wakufsverwaltungen überwiesen. Diese Güter, die man später
mevkuttt nannte, blieben in den Händen der Detentoren, der Wakuf erhielt
aber daran ungefähr die Rechte, die sonst der Sipahi ausgeübt hätte, wenn
die Güter in Lehen vergeben wären.

Dem analog vergaben die Wakufsverwaltungen andere Besitzungen in Erb¬
pacht (iüM-6.) Dabei wurde gewöhnlich ein System einer doppelten Miethe
angewendet, das ichareteiir genannt wurde. Der Erwerber zahlte sofort ein
größeres Pauschquantum (muaäsekelo), gleichsam ein Aversionalquantum auf
die Miethe, und später nur noch eine sehr geringe jährliche Miethe (muöäsekölö)
Der Wakuf hatte bei einer solchen Erbpacht das Recht, eine Erbschaftssteuer
zu erheben, wenn ein Descendent das Gut nach dem Tode des Vaters über¬
nahm. In Ermangelung von Descendenten wurde das Grundstück mMu!
d. h. es siel an den Wakuf zurück. Verlaufe durste das Grundstück nicht ohne
Genehmigung des Wakuf werden, der sich dafür eine Abgabe zahlen ließ; es
durfte selbstredend nicht verpfändet werden, unterlag dafür aber auch weder
einer Besteuerung vom Staate, noch auch der Confiscation.

Die Confiscationen spielten im ottomanischen Reiche bekanntlich eine nicht
unbedeutende Rolle. Sie waren eine beliebte Finanzquelle des Staates und
daher war großer Reichthum große Gefahr. Noch heute findet man in¬
folge dessen bei den Orientalen das gewohnheitsmäßige Bestreben, sein Vermö¬
gen zu verbergen. Da Grundbesitz schwer zu verheimlichen war, so kam man


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0128" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191889"/>
              <p xml:id="ID_330" prev="#ID_329"> Herrn Zehnt zahlen, Frohndienste leisten und untersteht seiner Gerichtsbarkeit.<lb/>
Diese Ähnlichkeiten treten noch mehr hervor, wenn man die Detailvorschriften<lb/>
sich ansieht, die die älteren Gesetze in ziemlicher Ausführlichkeit enthalten. Uns<lb/>
interessirt ein weiteres Eingehen auf diese Punkte aber nicht, für den vorlie¬<lb/>
genden Zweck genügt die Skizzirung des Verhältnisses.</p><lb/>
            </div>
            <div n="3">
              <head> 2. Die Wcikufs.</head><lb/>
              <p xml:id="ID_331"> Wakuf bezeichnet ursprünglich die feierliche Weihung einer Sache zu einem<lb/>
vom Stifter bestimmten frommen Zwecke. Später wurde darunter auch der<lb/>
Complex der Vermögensobjecte verstanden, die zu dem frommen Zwecke bestimmt<lb/>
waren. Die zu Wakuf geweihten Grundstücke werden dadurch dem Verkehr<lb/>
gänzlich entzogen. Ausschließlicher Eigenthümer wird die Gottheit. Selbst der<lb/>
Staat verliert an diesen Grundstücken alle seine sonstigen Befugnisse und na¬<lb/>
mentlich das Recht der Besteuerung.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_332"> Die Stiftungen sind durch den Koran empfohlen und wurden bald üblich.<lb/>
Dadurch vermehrten sich schnell die Wakufgüter, die schon durch die Antheile<lb/>
an der Beute nicht unbeträchtlich waren. In späterer Zeit wurden die Stif¬<lb/>
tungen förmlich zur Modesache und nicht nur Privatpersonen betheiligten sich<lb/>
daran, sondern namentlich auch die Sultane, die oft große Theile der Doma-<lb/>
nialgüter den Wakufsverwaltungen überwiesen. Diese Güter, die man später<lb/>
mevkuttt nannte, blieben in den Händen der Detentoren, der Wakuf erhielt<lb/>
aber daran ungefähr die Rechte, die sonst der Sipahi ausgeübt hätte, wenn<lb/>
die Güter in Lehen vergeben wären.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_333"> Dem analog vergaben die Wakufsverwaltungen andere Besitzungen in Erb¬<lb/>
pacht (iüM-6.) Dabei wurde gewöhnlich ein System einer doppelten Miethe<lb/>
angewendet, das ichareteiir genannt wurde. Der Erwerber zahlte sofort ein<lb/>
größeres Pauschquantum (muaäsekelo), gleichsam ein Aversionalquantum auf<lb/>
die Miethe, und später nur noch eine sehr geringe jährliche Miethe (muöäsekölö)<lb/>
Der Wakuf hatte bei einer solchen Erbpacht das Recht, eine Erbschaftssteuer<lb/>
zu erheben, wenn ein Descendent das Gut nach dem Tode des Vaters über¬<lb/>
nahm. In Ermangelung von Descendenten wurde das Grundstück mMu!<lb/>
d. h. es siel an den Wakuf zurück. Verlaufe durste das Grundstück nicht ohne<lb/>
Genehmigung des Wakuf werden, der sich dafür eine Abgabe zahlen ließ; es<lb/>
durfte selbstredend nicht verpfändet werden, unterlag dafür aber auch weder<lb/>
einer Besteuerung vom Staate, noch auch der Confiscation.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_334" next="#ID_335"> Die Confiscationen spielten im ottomanischen Reiche bekanntlich eine nicht<lb/>
unbedeutende Rolle. Sie waren eine beliebte Finanzquelle des Staates und<lb/>
daher war großer Reichthum große Gefahr. Noch heute findet man in¬<lb/>
folge dessen bei den Orientalen das gewohnheitsmäßige Bestreben, sein Vermö¬<lb/>
gen zu verbergen. Da Grundbesitz schwer zu verheimlichen war, so kam man</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0128] Herrn Zehnt zahlen, Frohndienste leisten und untersteht seiner Gerichtsbarkeit. Diese Ähnlichkeiten treten noch mehr hervor, wenn man die Detailvorschriften sich ansieht, die die älteren Gesetze in ziemlicher Ausführlichkeit enthalten. Uns interessirt ein weiteres Eingehen auf diese Punkte aber nicht, für den vorlie¬ genden Zweck genügt die Skizzirung des Verhältnisses. 2. Die Wcikufs. Wakuf bezeichnet ursprünglich die feierliche Weihung einer Sache zu einem vom Stifter bestimmten frommen Zwecke. Später wurde darunter auch der Complex der Vermögensobjecte verstanden, die zu dem frommen Zwecke bestimmt waren. Die zu Wakuf geweihten Grundstücke werden dadurch dem Verkehr gänzlich entzogen. Ausschließlicher Eigenthümer wird die Gottheit. Selbst der Staat verliert an diesen Grundstücken alle seine sonstigen Befugnisse und na¬ mentlich das Recht der Besteuerung. Die Stiftungen sind durch den Koran empfohlen und wurden bald üblich. Dadurch vermehrten sich schnell die Wakufgüter, die schon durch die Antheile an der Beute nicht unbeträchtlich waren. In späterer Zeit wurden die Stif¬ tungen förmlich zur Modesache und nicht nur Privatpersonen betheiligten sich daran, sondern namentlich auch die Sultane, die oft große Theile der Doma- nialgüter den Wakufsverwaltungen überwiesen. Diese Güter, die man später mevkuttt nannte, blieben in den Händen der Detentoren, der Wakuf erhielt aber daran ungefähr die Rechte, die sonst der Sipahi ausgeübt hätte, wenn die Güter in Lehen vergeben wären. Dem analog vergaben die Wakufsverwaltungen andere Besitzungen in Erb¬ pacht (iüM-6.) Dabei wurde gewöhnlich ein System einer doppelten Miethe angewendet, das ichareteiir genannt wurde. Der Erwerber zahlte sofort ein größeres Pauschquantum (muaäsekelo), gleichsam ein Aversionalquantum auf die Miethe, und später nur noch eine sehr geringe jährliche Miethe (muöäsekölö) Der Wakuf hatte bei einer solchen Erbpacht das Recht, eine Erbschaftssteuer zu erheben, wenn ein Descendent das Gut nach dem Tode des Vaters über¬ nahm. In Ermangelung von Descendenten wurde das Grundstück mMu! d. h. es siel an den Wakuf zurück. Verlaufe durste das Grundstück nicht ohne Genehmigung des Wakuf werden, der sich dafür eine Abgabe zahlen ließ; es durfte selbstredend nicht verpfändet werden, unterlag dafür aber auch weder einer Besteuerung vom Staate, noch auch der Confiscation. Die Confiscationen spielten im ottomanischen Reiche bekanntlich eine nicht unbedeutende Rolle. Sie waren eine beliebte Finanzquelle des Staates und daher war großer Reichthum große Gefahr. Noch heute findet man in¬ folge dessen bei den Orientalen das gewohnheitsmäßige Bestreben, sein Vermö¬ gen zu verbergen. Da Grundbesitz schwer zu verheimlichen war, so kam man

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/128
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/128>, abgerufen am 28.03.2024.