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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Personen sind eine Menge Verkaussrechte eingeführt, die nach der Classe wäh¬
rend 10 Jahr, 6 Jahr und 1 Jahr Gültigkeit siben. Diese Bestimmungen
sind überaus complicirt und haben zu vielen Streitigkeiten Veranlassung
gegeben.

Dies die hauptsächlichsten Vorschriften des Gesetzes. Nur ein in ihm
erwähntes charakteristisches Institut ist noch hervorzuheben, da es wahrscheinlich
sür die Zukunft von Bedeutung sein wird. Es ist dies eine Art Verpfän¬
dung, die an die üäueia des ältern römischen Rechts erinnert. Zwar wurde
der Grundsatz aufrecht erhalten, daß die Domanialgüter weder verpfändet wer¬
den können, noch für die Schulden des Besitzers haften; da dies aber mit dem
täglichen Leben und den Bedürfnissen in zu grellem Widerspruch stand, so hatte
man schon früher einen Ausweg gesunden, der nun gesetzlich gebilligt wurde.
Der Besitzer des Domanialgrundstückes kann sein Gut mit Genehmigung der
Obrigkeit d. h. gegen Zahlung der Verkaufssteuer, an den Gläubiger mit der
Bedingung verkaufen, daß es gegen Zahlung der Schuld zurückoerkaust werden
muß. Ein solcher Verkauf mit dem Vorbehalt des Rückkaufes wird LraZIü bei
vota genannt. --

Wir haben nunmehr den Zustand geschildert, in dem sich der Grundbesitz
in der Türkei unmittelbar vor Erlaß der neusten Resormgesetze befand. Er war
gewiß erheblich verbessert, aber immerhin noch unbefriedigend. Namentlich die
Zustände des Wakufs, in denen wenig geändert war, gaben zu vielen Be¬
schwerden Veranlassung. Die beschränkte Erbfolge räumte dem Heimfallsrechte
den weitesten Spielraum ein; kaum war ein größeres Besitzthum zu finden,
von dem nicht die Wakusbehörden eine oder die andere Parcelle beanspruchten.
Fast jede Familie besaß Grundstücke, die verfallen waren; sie verbarg dies,
ängstlich, um den Besitz nicht zu verlieren. Scheinkäufe waren an der Tages¬
ordnung, dann kamen Veruntreuungen durch den Käufer vor, der durch Besitz
des Hodjets -- der Besttzurkunde -- frei über das Grundstück verfügen konnte.
Nimmt man noch hinzu, daß die Grundstücke gewöhnlich sehr klein waren, daß
einzelne Häuser oft aus 20 Grundstücke erbaut sind, von denen die einen Ma¬
lus, die anderen Müll, nach verschiedenen Erbrechten behandelt werden, so kann
man sich vorstellen, zu welchen unangenehmen Streitigkeiten dies Veranlassung
gab. Was wollte ein Erbe beispielsweise mit einem sonst auf müII: erbauten
Hause machen, wenn der Hausflur und die Treppe aus einem verfallenen
Wakufgrundstücke sich befand und dieses reclamirt wurde? Kurz die Verhält¬
nisse lagen sehr im Argen.


L) Neueste Reformen.

Die beiden kleinen Gesetze vom 21. Mai und 18. Juni haben einige Ver¬
besserungen eingeführt.


Personen sind eine Menge Verkaussrechte eingeführt, die nach der Classe wäh¬
rend 10 Jahr, 6 Jahr und 1 Jahr Gültigkeit siben. Diese Bestimmungen
sind überaus complicirt und haben zu vielen Streitigkeiten Veranlassung
gegeben.

Dies die hauptsächlichsten Vorschriften des Gesetzes. Nur ein in ihm
erwähntes charakteristisches Institut ist noch hervorzuheben, da es wahrscheinlich
sür die Zukunft von Bedeutung sein wird. Es ist dies eine Art Verpfän¬
dung, die an die üäueia des ältern römischen Rechts erinnert. Zwar wurde
der Grundsatz aufrecht erhalten, daß die Domanialgüter weder verpfändet wer¬
den können, noch für die Schulden des Besitzers haften; da dies aber mit dem
täglichen Leben und den Bedürfnissen in zu grellem Widerspruch stand, so hatte
man schon früher einen Ausweg gesunden, der nun gesetzlich gebilligt wurde.
Der Besitzer des Domanialgrundstückes kann sein Gut mit Genehmigung der
Obrigkeit d. h. gegen Zahlung der Verkaufssteuer, an den Gläubiger mit der
Bedingung verkaufen, daß es gegen Zahlung der Schuld zurückoerkaust werden
muß. Ein solcher Verkauf mit dem Vorbehalt des Rückkaufes wird LraZIü bei
vota genannt. —

Wir haben nunmehr den Zustand geschildert, in dem sich der Grundbesitz
in der Türkei unmittelbar vor Erlaß der neusten Resormgesetze befand. Er war
gewiß erheblich verbessert, aber immerhin noch unbefriedigend. Namentlich die
Zustände des Wakufs, in denen wenig geändert war, gaben zu vielen Be¬
schwerden Veranlassung. Die beschränkte Erbfolge räumte dem Heimfallsrechte
den weitesten Spielraum ein; kaum war ein größeres Besitzthum zu finden,
von dem nicht die Wakusbehörden eine oder die andere Parcelle beanspruchten.
Fast jede Familie besaß Grundstücke, die verfallen waren; sie verbarg dies,
ängstlich, um den Besitz nicht zu verlieren. Scheinkäufe waren an der Tages¬
ordnung, dann kamen Veruntreuungen durch den Käufer vor, der durch Besitz
des Hodjets — der Besttzurkunde — frei über das Grundstück verfügen konnte.
Nimmt man noch hinzu, daß die Grundstücke gewöhnlich sehr klein waren, daß
einzelne Häuser oft aus 20 Grundstücke erbaut sind, von denen die einen Ma¬
lus, die anderen Müll, nach verschiedenen Erbrechten behandelt werden, so kann
man sich vorstellen, zu welchen unangenehmen Streitigkeiten dies Veranlassung
gab. Was wollte ein Erbe beispielsweise mit einem sonst auf müII: erbauten
Hause machen, wenn der Hausflur und die Treppe aus einem verfallenen
Wakufgrundstücke sich befand und dieses reclamirt wurde? Kurz die Verhält¬
nisse lagen sehr im Argen.


L) Neueste Reformen.

Die beiden kleinen Gesetze vom 21. Mai und 18. Juni haben einige Ver¬
besserungen eingeführt.


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[0132] Personen sind eine Menge Verkaussrechte eingeführt, die nach der Classe wäh¬ rend 10 Jahr, 6 Jahr und 1 Jahr Gültigkeit siben. Diese Bestimmungen sind überaus complicirt und haben zu vielen Streitigkeiten Veranlassung gegeben. Dies die hauptsächlichsten Vorschriften des Gesetzes. Nur ein in ihm erwähntes charakteristisches Institut ist noch hervorzuheben, da es wahrscheinlich sür die Zukunft von Bedeutung sein wird. Es ist dies eine Art Verpfän¬ dung, die an die üäueia des ältern römischen Rechts erinnert. Zwar wurde der Grundsatz aufrecht erhalten, daß die Domanialgüter weder verpfändet wer¬ den können, noch für die Schulden des Besitzers haften; da dies aber mit dem täglichen Leben und den Bedürfnissen in zu grellem Widerspruch stand, so hatte man schon früher einen Ausweg gesunden, der nun gesetzlich gebilligt wurde. Der Besitzer des Domanialgrundstückes kann sein Gut mit Genehmigung der Obrigkeit d. h. gegen Zahlung der Verkaufssteuer, an den Gläubiger mit der Bedingung verkaufen, daß es gegen Zahlung der Schuld zurückoerkaust werden muß. Ein solcher Verkauf mit dem Vorbehalt des Rückkaufes wird LraZIü bei vota genannt. — Wir haben nunmehr den Zustand geschildert, in dem sich der Grundbesitz in der Türkei unmittelbar vor Erlaß der neusten Resormgesetze befand. Er war gewiß erheblich verbessert, aber immerhin noch unbefriedigend. Namentlich die Zustände des Wakufs, in denen wenig geändert war, gaben zu vielen Be¬ schwerden Veranlassung. Die beschränkte Erbfolge räumte dem Heimfallsrechte den weitesten Spielraum ein; kaum war ein größeres Besitzthum zu finden, von dem nicht die Wakusbehörden eine oder die andere Parcelle beanspruchten. Fast jede Familie besaß Grundstücke, die verfallen waren; sie verbarg dies, ängstlich, um den Besitz nicht zu verlieren. Scheinkäufe waren an der Tages¬ ordnung, dann kamen Veruntreuungen durch den Käufer vor, der durch Besitz des Hodjets — der Besttzurkunde — frei über das Grundstück verfügen konnte. Nimmt man noch hinzu, daß die Grundstücke gewöhnlich sehr klein waren, daß einzelne Häuser oft aus 20 Grundstücke erbaut sind, von denen die einen Ma¬ lus, die anderen Müll, nach verschiedenen Erbrechten behandelt werden, so kann man sich vorstellen, zu welchen unangenehmen Streitigkeiten dies Veranlassung gab. Was wollte ein Erbe beispielsweise mit einem sonst auf müII: erbauten Hause machen, wenn der Hausflur und die Treppe aus einem verfallenen Wakufgrundstücke sich befand und dieses reclamirt wurde? Kurz die Verhält¬ nisse lagen sehr im Argen. L) Neueste Reformen. Die beiden kleinen Gesetze vom 21. Mai und 18. Juni haben einige Ver¬ besserungen eingeführt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/132>, abgerufen am 25.04.2024.