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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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"1 Das Gesetz über die Domänen.

Das erste Gesetz bezieht sich auf die miri6- und inevKrM-Güter d. h.
also auf die Domanialgüter. deren Abgaben theils an den Fiscus, theils an
den Malus fließen. Die Hauptbestimmung ist die Erweiterung des Erbrechts.
Während früher nur die Kinder und Eltern das Recht hatten, ohne Zahlung
des tapu das Grundstück durch Erbgang zu erwerben, wird dies unbeschränkte
Erbrecht nunmehr auf die Enkel, die Geschwister und den überlebenden Ehe¬
gatten ausgedehnt. Außerdem ist im Gesetze nur noch bestimmt, daß das In¬
stitut des til-Agdi dit veta, das wir oben kennen gelernt haben, durch Special-
rcglements weiter ausgebildet und daß auch die Modalität, wie die Do-
manialgrundstücke durch anderweitige Schulden der Besitzer haftbar gemacht
werden können, in ähnlicher Weise regulirt werden soll. In einem beigefügten
Reglement ist endlich vorgeschrieben, daß die Besitzer für die eingeräumten
Rechte außer dem gewöhnlichen Zehnt noch den Betrag von 1'/-Zehnt zuzäh¬
len haben. Diese Abgabe soll aber auf Erfordern auf 3 Jahre vertheilt werden.

Die Entschädigung, die das Reglement auflegt, ist im Ganzen mäßig, der
durch das Gesetz gemachte Fortschritt dagegen recht bedeutend. Das freie Erb¬
recht bis zum zweiten römischen Grade in absteigender Linie und in der Seiten¬
linie beseitigt die meisten Fälle des mMuls (Heimfall). Dadurch wird die
Sicherheit des Grundbesitzes verstärkt und die versprochene Erweiterung und
Verbesserung des Instituts der LraZIii dit vota wird, wenn sie nicht ein leeres
Versprechen bleibt, sicherlich dazu dienen, den Realcredit zu heben.

Das Ziel, das zu erstreben ist, kann wohl niemandem unklar sein. Die
Güter müssen müIK der jetzigen Detentoren werden und die Rechte des Staa¬
tes auf wpu, auf Verkaufssteuer ?c. müssen wegfallen und durch rationelle
Steuern ersetzt werden. Das einzige Hinderniß, das der Erreichung des ge¬
nannten Zieles momentan noch entgegensteht, ist das fiscalische Interesse. Das
Recht des taxu hat im Jahre 1860 dem Staate 14'/, Millionen Piaster ein¬
gebracht. Die Türkei ist gegenwärtig nicht in der Lage, auf eine solche Ein¬
nahme zu verzichten und deswegen ist auch jedenfalls die gegenwärtige Reform
nicht so umfassend, als man bei diesem Gegenstände hätte erwarten können.
Die Verbesserungen müssen also zunächst auf dem Gebiete der sehr- im Argen
liegenden und den Grundbesitz zu sehr drückenden Finanzverwaltung erfolgen.
Aber schon eine rationell auferlegte Grundsteuer, die gleichmäßig allen Grund
und Boden träfe, würde dem Staate hinreichende Einnahmequellen öffnen, um
auf die jetzigen Domanialeinkünfte verzichten zu können.


b) Das Gesetz über den Waruf.

Während die obenerwähnten Bestimmungen sich auf Ruralgüter beziehen, be-


Grenzbolen IV. 1867. N
»1 Das Gesetz über die Domänen.

Das erste Gesetz bezieht sich auf die miri6- und inevKrM-Güter d. h.
also auf die Domanialgüter. deren Abgaben theils an den Fiscus, theils an
den Malus fließen. Die Hauptbestimmung ist die Erweiterung des Erbrechts.
Während früher nur die Kinder und Eltern das Recht hatten, ohne Zahlung
des tapu das Grundstück durch Erbgang zu erwerben, wird dies unbeschränkte
Erbrecht nunmehr auf die Enkel, die Geschwister und den überlebenden Ehe¬
gatten ausgedehnt. Außerdem ist im Gesetze nur noch bestimmt, daß das In¬
stitut des til-Agdi dit veta, das wir oben kennen gelernt haben, durch Special-
rcglements weiter ausgebildet und daß auch die Modalität, wie die Do-
manialgrundstücke durch anderweitige Schulden der Besitzer haftbar gemacht
werden können, in ähnlicher Weise regulirt werden soll. In einem beigefügten
Reglement ist endlich vorgeschrieben, daß die Besitzer für die eingeräumten
Rechte außer dem gewöhnlichen Zehnt noch den Betrag von 1'/-Zehnt zuzäh¬
len haben. Diese Abgabe soll aber auf Erfordern auf 3 Jahre vertheilt werden.

Die Entschädigung, die das Reglement auflegt, ist im Ganzen mäßig, der
durch das Gesetz gemachte Fortschritt dagegen recht bedeutend. Das freie Erb¬
recht bis zum zweiten römischen Grade in absteigender Linie und in der Seiten¬
linie beseitigt die meisten Fälle des mMuls (Heimfall). Dadurch wird die
Sicherheit des Grundbesitzes verstärkt und die versprochene Erweiterung und
Verbesserung des Instituts der LraZIii dit vota wird, wenn sie nicht ein leeres
Versprechen bleibt, sicherlich dazu dienen, den Realcredit zu heben.

Das Ziel, das zu erstreben ist, kann wohl niemandem unklar sein. Die
Güter müssen müIK der jetzigen Detentoren werden und die Rechte des Staa¬
tes auf wpu, auf Verkaufssteuer ?c. müssen wegfallen und durch rationelle
Steuern ersetzt werden. Das einzige Hinderniß, das der Erreichung des ge¬
nannten Zieles momentan noch entgegensteht, ist das fiscalische Interesse. Das
Recht des taxu hat im Jahre 1860 dem Staate 14'/, Millionen Piaster ein¬
gebracht. Die Türkei ist gegenwärtig nicht in der Lage, auf eine solche Ein¬
nahme zu verzichten und deswegen ist auch jedenfalls die gegenwärtige Reform
nicht so umfassend, als man bei diesem Gegenstände hätte erwarten können.
Die Verbesserungen müssen also zunächst auf dem Gebiete der sehr- im Argen
liegenden und den Grundbesitz zu sehr drückenden Finanzverwaltung erfolgen.
Aber schon eine rationell auferlegte Grundsteuer, die gleichmäßig allen Grund
und Boden träfe, würde dem Staate hinreichende Einnahmequellen öffnen, um
auf die jetzigen Domanialeinkünfte verzichten zu können.


b) Das Gesetz über den Waruf.

Während die obenerwähnten Bestimmungen sich auf Ruralgüter beziehen, be-


Grenzbolen IV. 1867. N
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[0133] »1 Das Gesetz über die Domänen. Das erste Gesetz bezieht sich auf die miri6- und inevKrM-Güter d. h. also auf die Domanialgüter. deren Abgaben theils an den Fiscus, theils an den Malus fließen. Die Hauptbestimmung ist die Erweiterung des Erbrechts. Während früher nur die Kinder und Eltern das Recht hatten, ohne Zahlung des tapu das Grundstück durch Erbgang zu erwerben, wird dies unbeschränkte Erbrecht nunmehr auf die Enkel, die Geschwister und den überlebenden Ehe¬ gatten ausgedehnt. Außerdem ist im Gesetze nur noch bestimmt, daß das In¬ stitut des til-Agdi dit veta, das wir oben kennen gelernt haben, durch Special- rcglements weiter ausgebildet und daß auch die Modalität, wie die Do- manialgrundstücke durch anderweitige Schulden der Besitzer haftbar gemacht werden können, in ähnlicher Weise regulirt werden soll. In einem beigefügten Reglement ist endlich vorgeschrieben, daß die Besitzer für die eingeräumten Rechte außer dem gewöhnlichen Zehnt noch den Betrag von 1'/-Zehnt zuzäh¬ len haben. Diese Abgabe soll aber auf Erfordern auf 3 Jahre vertheilt werden. Die Entschädigung, die das Reglement auflegt, ist im Ganzen mäßig, der durch das Gesetz gemachte Fortschritt dagegen recht bedeutend. Das freie Erb¬ recht bis zum zweiten römischen Grade in absteigender Linie und in der Seiten¬ linie beseitigt die meisten Fälle des mMuls (Heimfall). Dadurch wird die Sicherheit des Grundbesitzes verstärkt und die versprochene Erweiterung und Verbesserung des Instituts der LraZIii dit vota wird, wenn sie nicht ein leeres Versprechen bleibt, sicherlich dazu dienen, den Realcredit zu heben. Das Ziel, das zu erstreben ist, kann wohl niemandem unklar sein. Die Güter müssen müIK der jetzigen Detentoren werden und die Rechte des Staa¬ tes auf wpu, auf Verkaufssteuer ?c. müssen wegfallen und durch rationelle Steuern ersetzt werden. Das einzige Hinderniß, das der Erreichung des ge¬ nannten Zieles momentan noch entgegensteht, ist das fiscalische Interesse. Das Recht des taxu hat im Jahre 1860 dem Staate 14'/, Millionen Piaster ein¬ gebracht. Die Türkei ist gegenwärtig nicht in der Lage, auf eine solche Ein¬ nahme zu verzichten und deswegen ist auch jedenfalls die gegenwärtige Reform nicht so umfassend, als man bei diesem Gegenstände hätte erwarten können. Die Verbesserungen müssen also zunächst auf dem Gebiete der sehr- im Argen liegenden und den Grundbesitz zu sehr drückenden Finanzverwaltung erfolgen. Aber schon eine rationell auferlegte Grundsteuer, die gleichmäßig allen Grund und Boden träfe, würde dem Staate hinreichende Einnahmequellen öffnen, um auf die jetzigen Domanialeinkünfte verzichten zu können. b) Das Gesetz über den Waruf. Während die obenerwähnten Bestimmungen sich auf Ruralgüter beziehen, be- Grenzbolen IV. 1867. N

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/133>, abgerufen am 26.04.2024.