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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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erscheinen werden, ist fraglich, und leicht ist es möglich, daß wie in vielen an
deren Fällen, das ganze Gesetz durch das Ausbleiben dieser nothwendigen Er¬
gänzungen illusorisch wird.

Auch in Betreff der Wakusgüter kann über das schließlich? Ziel der Gesetz¬
gebung ein Zweifel nicht obwalten. Die Moscheen können zwar Privateigen-
thum besitzen, sie können dasselbe auch nutzen, wie sie wollen, der jetzige Zu¬
stand kann aber von dem Staate nicht geduldet werden. Die Erbpachtverhält¬
nisse, die, wie wir gesehen haben, über die ganze Türkei verbreitet sind, sind
für die Entwickelung des Landes entschieden nachtheilig und deshalb müssen sie
in der Weise ausgehoben werben, daß die Erbpächter Eigenthümer werden. Der
Wakuf kann vom Staate, der dadurch das Recht der Besteuerung erhält, ent¬
schädigt werden und dies kann um so leichter geschehen, als das ganze Insti¬
tut verhältnißmäßig so wenig einbringt. Erwägt man dies, so wird man
staunen, daß in dieser Beziehung die Reform sich nicht durchgreifender gestaltet
hat. Das Haupthinderniß, das sich einer sofortigen radicalen Umgestaltung
entgegenstellt, ist ohne Zweifel noch immer der Widerstand der Ulemas. Der
Watus ist ein religiöses Institut und daher würde seine Aufhebung namentlich
von den Alttürken als ein Act gegen die Religion angesehen werden. Dieser
religiöse Widerstand hat ja auch in vielen christlichen Staaten ähnliche Wirkun¬
gen hervorgebracht und daher wird man es verstehen, daß die Türkei bei dieser
Reform so behutsam zu Werke geht.


e. Das Gesetz über den Grundbesitz der Fremden.

Wir gehen zum letzten Theil unseres Berichts über: zum Gesetz über den
Grundbesitz der Fremden im linkischer Reiche.

Der Fremde -- wustcxzmLQ genannt -- konnte sich ursprünglich in die
Türkei nur unter dem Schutze des amar d. h. des sichern Geleites begeben.
Der amau wurde entweder speciell verliehen oder beruhte aus einer diploma¬
tischen Uebereinkunft. Grundsätzlich wurde der Fremde, wenn er ein Jahr in
der Türkei gelebt hatte, als Raja angesehen und der Kopfsteuer unterworfen.
Namentlich trat dies ein, wenn er Land erwarb und dies bearbeitete. Später
sind diese Grundsätze durch Kapitulationen modificirt, es blieb aber das Prin¬
cip bestehen, daß die Fremden nicht Immobilien besitzen dürfen.

Die Fremde, die einen Raja heirathete, wurde türkische Unterthanin. Das
Umgekehrte trat aber nicht ein; die Raja, die einen Fremden heirathete,
behielt ihr Staatsbürgerrecht. Diesen Grundsatz hat die Pforte stets aufrecht
erhalten; sie hat sogar die Konsequenz dieses Princips unumwunden anerkannt
und der Frau des Fremden mit Rücksicht auf das ursprüngliche Unterthanen¬
verhältniß das Recht zugestanden, nicht allein ererbten Grundbesitz zu behalten,
sondern auch neuen zu erwerben. Dieses Recht wurde im Laufe der Zeiten


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erscheinen werden, ist fraglich, und leicht ist es möglich, daß wie in vielen an
deren Fällen, das ganze Gesetz durch das Ausbleiben dieser nothwendigen Er¬
gänzungen illusorisch wird.

Auch in Betreff der Wakusgüter kann über das schließlich? Ziel der Gesetz¬
gebung ein Zweifel nicht obwalten. Die Moscheen können zwar Privateigen-
thum besitzen, sie können dasselbe auch nutzen, wie sie wollen, der jetzige Zu¬
stand kann aber von dem Staate nicht geduldet werden. Die Erbpachtverhält¬
nisse, die, wie wir gesehen haben, über die ganze Türkei verbreitet sind, sind
für die Entwickelung des Landes entschieden nachtheilig und deshalb müssen sie
in der Weise ausgehoben werben, daß die Erbpächter Eigenthümer werden. Der
Wakuf kann vom Staate, der dadurch das Recht der Besteuerung erhält, ent¬
schädigt werden und dies kann um so leichter geschehen, als das ganze Insti¬
tut verhältnißmäßig so wenig einbringt. Erwägt man dies, so wird man
staunen, daß in dieser Beziehung die Reform sich nicht durchgreifender gestaltet
hat. Das Haupthinderniß, das sich einer sofortigen radicalen Umgestaltung
entgegenstellt, ist ohne Zweifel noch immer der Widerstand der Ulemas. Der
Watus ist ein religiöses Institut und daher würde seine Aufhebung namentlich
von den Alttürken als ein Act gegen die Religion angesehen werden. Dieser
religiöse Widerstand hat ja auch in vielen christlichen Staaten ähnliche Wirkun¬
gen hervorgebracht und daher wird man es verstehen, daß die Türkei bei dieser
Reform so behutsam zu Werke geht.


e. Das Gesetz über den Grundbesitz der Fremden.

Wir gehen zum letzten Theil unseres Berichts über: zum Gesetz über den
Grundbesitz der Fremden im linkischer Reiche.

Der Fremde — wustcxzmLQ genannt — konnte sich ursprünglich in die
Türkei nur unter dem Schutze des amar d. h. des sichern Geleites begeben.
Der amau wurde entweder speciell verliehen oder beruhte aus einer diploma¬
tischen Uebereinkunft. Grundsätzlich wurde der Fremde, wenn er ein Jahr in
der Türkei gelebt hatte, als Raja angesehen und der Kopfsteuer unterworfen.
Namentlich trat dies ein, wenn er Land erwarb und dies bearbeitete. Später
sind diese Grundsätze durch Kapitulationen modificirt, es blieb aber das Prin¬
cip bestehen, daß die Fremden nicht Immobilien besitzen dürfen.

Die Fremde, die einen Raja heirathete, wurde türkische Unterthanin. Das
Umgekehrte trat aber nicht ein; die Raja, die einen Fremden heirathete,
behielt ihr Staatsbürgerrecht. Diesen Grundsatz hat die Pforte stets aufrecht
erhalten; sie hat sogar die Konsequenz dieses Princips unumwunden anerkannt
und der Frau des Fremden mit Rücksicht auf das ursprüngliche Unterthanen¬
verhältniß das Recht zugestanden, nicht allein ererbten Grundbesitz zu behalten,
sondern auch neuen zu erwerben. Dieses Recht wurde im Laufe der Zeiten


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[0135] erscheinen werden, ist fraglich, und leicht ist es möglich, daß wie in vielen an deren Fällen, das ganze Gesetz durch das Ausbleiben dieser nothwendigen Er¬ gänzungen illusorisch wird. Auch in Betreff der Wakusgüter kann über das schließlich? Ziel der Gesetz¬ gebung ein Zweifel nicht obwalten. Die Moscheen können zwar Privateigen- thum besitzen, sie können dasselbe auch nutzen, wie sie wollen, der jetzige Zu¬ stand kann aber von dem Staate nicht geduldet werden. Die Erbpachtverhält¬ nisse, die, wie wir gesehen haben, über die ganze Türkei verbreitet sind, sind für die Entwickelung des Landes entschieden nachtheilig und deshalb müssen sie in der Weise ausgehoben werben, daß die Erbpächter Eigenthümer werden. Der Wakuf kann vom Staate, der dadurch das Recht der Besteuerung erhält, ent¬ schädigt werden und dies kann um so leichter geschehen, als das ganze Insti¬ tut verhältnißmäßig so wenig einbringt. Erwägt man dies, so wird man staunen, daß in dieser Beziehung die Reform sich nicht durchgreifender gestaltet hat. Das Haupthinderniß, das sich einer sofortigen radicalen Umgestaltung entgegenstellt, ist ohne Zweifel noch immer der Widerstand der Ulemas. Der Watus ist ein religiöses Institut und daher würde seine Aufhebung namentlich von den Alttürken als ein Act gegen die Religion angesehen werden. Dieser religiöse Widerstand hat ja auch in vielen christlichen Staaten ähnliche Wirkun¬ gen hervorgebracht und daher wird man es verstehen, daß die Türkei bei dieser Reform so behutsam zu Werke geht. e. Das Gesetz über den Grundbesitz der Fremden. Wir gehen zum letzten Theil unseres Berichts über: zum Gesetz über den Grundbesitz der Fremden im linkischer Reiche. Der Fremde — wustcxzmLQ genannt — konnte sich ursprünglich in die Türkei nur unter dem Schutze des amar d. h. des sichern Geleites begeben. Der amau wurde entweder speciell verliehen oder beruhte aus einer diploma¬ tischen Uebereinkunft. Grundsätzlich wurde der Fremde, wenn er ein Jahr in der Türkei gelebt hatte, als Raja angesehen und der Kopfsteuer unterworfen. Namentlich trat dies ein, wenn er Land erwarb und dies bearbeitete. Später sind diese Grundsätze durch Kapitulationen modificirt, es blieb aber das Prin¬ cip bestehen, daß die Fremden nicht Immobilien besitzen dürfen. Die Fremde, die einen Raja heirathete, wurde türkische Unterthanin. Das Umgekehrte trat aber nicht ein; die Raja, die einen Fremden heirathete, behielt ihr Staatsbürgerrecht. Diesen Grundsatz hat die Pforte stets aufrecht erhalten; sie hat sogar die Konsequenz dieses Princips unumwunden anerkannt und der Frau des Fremden mit Rücksicht auf das ursprüngliche Unterthanen¬ verhältniß das Recht zugestanden, nicht allein ererbten Grundbesitz zu behalten, sondern auch neuen zu erwerben. Dieses Recht wurde im Laufe der Zeiten 17"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/135>, abgerufen am 23.04.2024.