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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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currenz noch ohne dieselbe functioniren kann, so beweist dies eben aufs neue
daß es überhaupt unausfühbar ist.

Das ist nun freilich nichts weniger als eine Neuigkeit, und ich würde An-
stand genommen haben, mich in Ihrem Blatte scheinbar auf Gemeinplätzen zu
tummeln, fehlte nicht so Vielen, denen diese Fragen jeden Tag practisch an
den Leib treten, der Muth, die Konsequenzen zu ziehen. Bei uns am Rheine
empfindet man den Ernst der Arbeiterfrage vielleicht am stärksten. Umsomehr fühlen
wir uns aufgefordert, dazu beizutragen, daß aus der Reihe von Lösungsvorschlägen
wenigstens das ausgeschlossen werde, was mit dem Zauber des innern Wider¬
spruchs begabt in unreifen Köpfen spukt. Man sollte sich gewöhnen, Apostel
und Agitatoren der oveuveleuchteten Doctrinen vom pathologischen Gesichts¬
punkte zu betrachten.




Die Lage Süddeutschlands.

Durch das Rundschreiben Bismarcks vom 7. Septbr. sind die Südstaa¬
ten in eine neue Lage gebracht; in die Freiheit ihres Entschlusses ist ihr
eigenes wie das Schicksal Deutschlands gegeben. So offen als es nur jemals
Cavour gethan, hat Bismarck den Grundsatz der Nationalität aufgestellt. Die
Constituirung eines Volkes ist seine eigene Sache; will das deutsche nur ein¬
mal eins sein, so findet sich auch der Staatsmann, der die Hand dazu bietet,
alles ist hinfort in den Willen der Nation selbst gestellt. Süddeutschland ins- ,
besondere ist gesagt, daß es nur von ihm selbst abhänge, an dem Neubau des
deutschen Staats theilzunehmen, und Frankreich ist der verständliche Wink er¬
theilt, daß Deutschland sich in seiner Constituirung durch keinen Versuch frem¬
der Einmischung stören lassen werde.

Das Rundschreiben war die Erwiederung auf die Salzburgische Zusam¬
menkunft. Diese Provocation, -- die stärkste aller bisherigen Provocationen.
mag auch die praktische Folge Null sein, -- forderte eine Aeußerung der preußi¬
schen Regierung heraus, die nach beiden Seiten kein Mißverständnis; ließ, we¬
der der Nation noch dem Ausland gegenüber. Es war die Frage, wie sie von
beiden Seiten aufgenommen und beantwortet wurde.


Vrmzl'oder IV. 1567. , 9

currenz noch ohne dieselbe functioniren kann, so beweist dies eben aufs neue
daß es überhaupt unausfühbar ist.

Das ist nun freilich nichts weniger als eine Neuigkeit, und ich würde An-
stand genommen haben, mich in Ihrem Blatte scheinbar auf Gemeinplätzen zu
tummeln, fehlte nicht so Vielen, denen diese Fragen jeden Tag practisch an
den Leib treten, der Muth, die Konsequenzen zu ziehen. Bei uns am Rheine
empfindet man den Ernst der Arbeiterfrage vielleicht am stärksten. Umsomehr fühlen
wir uns aufgefordert, dazu beizutragen, daß aus der Reihe von Lösungsvorschlägen
wenigstens das ausgeschlossen werde, was mit dem Zauber des innern Wider¬
spruchs begabt in unreifen Köpfen spukt. Man sollte sich gewöhnen, Apostel
und Agitatoren der oveuveleuchteten Doctrinen vom pathologischen Gesichts¬
punkte zu betrachten.




Die Lage Süddeutschlands.

Durch das Rundschreiben Bismarcks vom 7. Septbr. sind die Südstaa¬
ten in eine neue Lage gebracht; in die Freiheit ihres Entschlusses ist ihr
eigenes wie das Schicksal Deutschlands gegeben. So offen als es nur jemals
Cavour gethan, hat Bismarck den Grundsatz der Nationalität aufgestellt. Die
Constituirung eines Volkes ist seine eigene Sache; will das deutsche nur ein¬
mal eins sein, so findet sich auch der Staatsmann, der die Hand dazu bietet,
alles ist hinfort in den Willen der Nation selbst gestellt. Süddeutschland ins- ,
besondere ist gesagt, daß es nur von ihm selbst abhänge, an dem Neubau des
deutschen Staats theilzunehmen, und Frankreich ist der verständliche Wink er¬
theilt, daß Deutschland sich in seiner Constituirung durch keinen Versuch frem¬
der Einmischung stören lassen werde.

Das Rundschreiben war die Erwiederung auf die Salzburgische Zusam¬
menkunft. Diese Provocation, — die stärkste aller bisherigen Provocationen.
mag auch die praktische Folge Null sein, — forderte eine Aeußerung der preußi¬
schen Regierung heraus, die nach beiden Seiten kein Mißverständnis; ließ, we¬
der der Nation noch dem Ausland gegenüber. Es war die Frage, wie sie von
beiden Seiten aufgenommen und beantwortet wurde.


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[0149] currenz noch ohne dieselbe functioniren kann, so beweist dies eben aufs neue daß es überhaupt unausfühbar ist. Das ist nun freilich nichts weniger als eine Neuigkeit, und ich würde An- stand genommen haben, mich in Ihrem Blatte scheinbar auf Gemeinplätzen zu tummeln, fehlte nicht so Vielen, denen diese Fragen jeden Tag practisch an den Leib treten, der Muth, die Konsequenzen zu ziehen. Bei uns am Rheine empfindet man den Ernst der Arbeiterfrage vielleicht am stärksten. Umsomehr fühlen wir uns aufgefordert, dazu beizutragen, daß aus der Reihe von Lösungsvorschlägen wenigstens das ausgeschlossen werde, was mit dem Zauber des innern Wider¬ spruchs begabt in unreifen Köpfen spukt. Man sollte sich gewöhnen, Apostel und Agitatoren der oveuveleuchteten Doctrinen vom pathologischen Gesichts¬ punkte zu betrachten. Die Lage Süddeutschlands. Durch das Rundschreiben Bismarcks vom 7. Septbr. sind die Südstaa¬ ten in eine neue Lage gebracht; in die Freiheit ihres Entschlusses ist ihr eigenes wie das Schicksal Deutschlands gegeben. So offen als es nur jemals Cavour gethan, hat Bismarck den Grundsatz der Nationalität aufgestellt. Die Constituirung eines Volkes ist seine eigene Sache; will das deutsche nur ein¬ mal eins sein, so findet sich auch der Staatsmann, der die Hand dazu bietet, alles ist hinfort in den Willen der Nation selbst gestellt. Süddeutschland ins- , besondere ist gesagt, daß es nur von ihm selbst abhänge, an dem Neubau des deutschen Staats theilzunehmen, und Frankreich ist der verständliche Wink er¬ theilt, daß Deutschland sich in seiner Constituirung durch keinen Versuch frem¬ der Einmischung stören lassen werde. Das Rundschreiben war die Erwiederung auf die Salzburgische Zusam¬ menkunft. Diese Provocation, — die stärkste aller bisherigen Provocationen. mag auch die praktische Folge Null sein, — forderte eine Aeußerung der preußi¬ schen Regierung heraus, die nach beiden Seiten kein Mißverständnis; ließ, we¬ der der Nation noch dem Ausland gegenüber. Es war die Frage, wie sie von beiden Seiten aufgenommen und beantwortet wurde. Vrmzl'oder IV. 1567. , 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/149>, abgerufen am 19.04.2024.