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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Ein Beitrag zur Baugeschichte des alten Rom.

Es ist eine auffallende und sehr bemerkenswerthe Thatsache, daß bei dem
großen Interesse, welches dem Studium des classischen Alterthums in den wei¬
testen Kreisen der Gebildeten gewidmet wird, bei der Kober Stufe der
Vollkommenheit, aus welcher die politische Geschichte, die Philologie, die
Epigraphik, die Alterthümer :c. Roms sich jetzt befinden, die Kunde der
römischen Baukunst auf einer verhältnißmäßig so niedrigen Stufe steht,
daß eingehende wissenschaftliche Darstellung derselben seit Hirt nicht ein¬
mal versucht worden ist. Und doch haben die römischen Ruinen als bedeutendste
und beredteste Zeugen der Macht des Herrscherstaates der alten Welt seit Jahr¬
hunderten das lebhafteste Interesse auf sich gezogen, sind sie oft beschrieben, ge¬
zeichnet, gemessen und seit dem fünfzehnten Jahrhundert wiederholt ganz oder theil¬
weise nachgebildet worden. Aber eine gründliche, wissenschaftliche Erforschung
der in Rom vorhandenen baulichen Ueberreste, deren fast täglich neue ans Tages¬
licht kommen, und oft eben so schnell und ohne daß der richtige wissenschaftliche
Gebrauch von ihnen gemacht worden, wieder verschwinden, ja selbst gewissen¬
hafte, genaue Aufnahmen der meisten Monumente fehlen noch immer. Ohne
eine bis in alle Einzelnheiten gehende sorgfältige und genaue, auf literarischen
Hilfsmitteln, besonders Inschriften und Kritik der Kunstformen beruhende mono¬
graphische Behandlung aller einzelnen Denkmale ist aber eine wirkliche Ge¬
schichte der Baukunst nicht möglich.

Nach A. Hirt haben zunächst Bunsen und seine Freunde viele verdienst¬
volle Untersuchungen gemacht; ihr gemeinsames großes Werk, die "Beschreibung
der Stadt Rom" wird stets ein Quellen-Werk bleiben. Später hat A. Nibb y
während einer langen Reihe von Jahren in einer sehr begünstigten Stellung
in Rom mit großem Fleiß eine Menge neuen, besonders literarischen Materials
zur Erklärung der Denkmale zusammengetragen, und in seinem sehr nützlichen
Weite "Koma rttill' armo 1838" in Form von Monographien über alle be¬
deutenderen römischen Denkmale publicirt. Auf den Schultern Nibby's stehend
hat kürzlich Franz Reder in seinem verdienstvollen Buche "die Ruinen Roms"
die vornehmsten antiken Bauten der Stadt monographisch behandelt, Nibbys
Aufsätze durch die Resultate deutscher Forschungen und mannigfacher selbständi¬
ger Untersuchungen bereichert und den, freilich noch mangelhaften, Versuch ge¬
macht, die Resultate aller Einzelforschungen in einer Baugeschichte Roms zu¬
sammenzufassen. Außerdem haben mehre andere bedeutende Gelehrte manches
Einzelne von großem Werthe geliefert. Doch fehlt noch viel zu einer "Geschichte


Ein Beitrag zur Baugeschichte des alten Rom.

Es ist eine auffallende und sehr bemerkenswerthe Thatsache, daß bei dem
großen Interesse, welches dem Studium des classischen Alterthums in den wei¬
testen Kreisen der Gebildeten gewidmet wird, bei der Kober Stufe der
Vollkommenheit, aus welcher die politische Geschichte, die Philologie, die
Epigraphik, die Alterthümer :c. Roms sich jetzt befinden, die Kunde der
römischen Baukunst auf einer verhältnißmäßig so niedrigen Stufe steht,
daß eingehende wissenschaftliche Darstellung derselben seit Hirt nicht ein¬
mal versucht worden ist. Und doch haben die römischen Ruinen als bedeutendste
und beredteste Zeugen der Macht des Herrscherstaates der alten Welt seit Jahr¬
hunderten das lebhafteste Interesse auf sich gezogen, sind sie oft beschrieben, ge¬
zeichnet, gemessen und seit dem fünfzehnten Jahrhundert wiederholt ganz oder theil¬
weise nachgebildet worden. Aber eine gründliche, wissenschaftliche Erforschung
der in Rom vorhandenen baulichen Ueberreste, deren fast täglich neue ans Tages¬
licht kommen, und oft eben so schnell und ohne daß der richtige wissenschaftliche
Gebrauch von ihnen gemacht worden, wieder verschwinden, ja selbst gewissen¬
hafte, genaue Aufnahmen der meisten Monumente fehlen noch immer. Ohne
eine bis in alle Einzelnheiten gehende sorgfältige und genaue, auf literarischen
Hilfsmitteln, besonders Inschriften und Kritik der Kunstformen beruhende mono¬
graphische Behandlung aller einzelnen Denkmale ist aber eine wirkliche Ge¬
schichte der Baukunst nicht möglich.

Nach A. Hirt haben zunächst Bunsen und seine Freunde viele verdienst¬
volle Untersuchungen gemacht; ihr gemeinsames großes Werk, die „Beschreibung
der Stadt Rom" wird stets ein Quellen-Werk bleiben. Später hat A. Nibb y
während einer langen Reihe von Jahren in einer sehr begünstigten Stellung
in Rom mit großem Fleiß eine Menge neuen, besonders literarischen Materials
zur Erklärung der Denkmale zusammengetragen, und in seinem sehr nützlichen
Weite „Koma rttill' armo 1838" in Form von Monographien über alle be¬
deutenderen römischen Denkmale publicirt. Auf den Schultern Nibby's stehend
hat kürzlich Franz Reder in seinem verdienstvollen Buche „die Ruinen Roms"
die vornehmsten antiken Bauten der Stadt monographisch behandelt, Nibbys
Aufsätze durch die Resultate deutscher Forschungen und mannigfacher selbständi¬
ger Untersuchungen bereichert und den, freilich noch mangelhaften, Versuch ge¬
macht, die Resultate aller Einzelforschungen in einer Baugeschichte Roms zu¬
sammenzufassen. Außerdem haben mehre andere bedeutende Gelehrte manches
Einzelne von großem Werthe geliefert. Doch fehlt noch viel zu einer „Geschichte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/18>, abgerufen am 27.04.2024.