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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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entwerfen, durch welche die Versprengte Colonie gegangen, seit sie vom Mutter¬
lande abgerissen worden. Aber es galt noch einen andern Zweck zu erreichen:
die keine anderen Empfindungen für ihre lip-, est-, kurländischen Stammesge¬
nossen übrig haben, als Ausdrücke herben Tadels und unnachsichtiger Verur-
theilung der Sünden, welche jenes Land auf sich geladen, die sich lossagen von
dem "entarteten" Geschlecht, das nicht hauszuhalten gewußt hat mit dem Erbe
der Väter, das über dem Hochgefühl des Herrscherrechts, die Pflichten gegen die
Beherrschten vergessen hat -- diese sollten gefragt werden, ob die Geschicke,
durch welche der verworfene und verleugnete Bruderstamm gegangen, wirklich
dazu angethan gewesen sei, eine glücklichere Entwickelung zu fördern und ob die
Zähigkeit, welche trotz allem dem und allem dem ein Stück deutschen Lebens
an der Ostsee erhalten hat, aller und jeder Anerkennung derer unwürdig ist,
die überhaupt eine Empfindung für deutsche Ehre und Tüchtigkeit übrig haben.




Die 41. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte
in Frankfurt a. M.,
18.--24. September 1867.

Die heurige Zusammenkunft dieser ältesten deutschen Wanderversammlung
scheint uns aus manchen Rücksichten eine Besprechung auch in nicht naturwissen¬
schaftlichen Blättern zu verdienen. Nicht die politische, nicht die sociale Bedeu¬
tung dieser Versammlung wollen wir berühren, so sehr es uns auch gefreut
hat, zu sehen, daß die Frankfurter sich wieder einmal zu einer That ermannt
haben, zur frischen Vorbereitung, zur kräftigen Durchführung dieser wissenschaft¬
lichen Versammlung, zu welcher sich Männer der Wissenschaft aus allen Thei-
len des Vaterlandes friedlich zusammengefunden hatten. In welchem Sinne
die Frankfurter ihren Gästen entgegentraten, in welchem Sinne alle Theilneh.
wer. von dem Gefühle der Zusammengehörigkeit in bestimmt nationaler Ent¬
wickelung der Wissenschaft getragen, einträchtig zusammen zu wirken berufen
waren, fand trefflichen Ausdruck in der Eröffnungs- und der Schlußrede des
Geschäftsführers, Dr. Spieß, und in manchen Trinksprüchen. Wir wollen nur
^e innere Entwicklung der Versammlung näher ins Auge fassen, denn hier
haben wir einige wesentliche Fortschritte zu constatiren, welche, wenn auch in


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entwerfen, durch welche die Versprengte Colonie gegangen, seit sie vom Mutter¬
lande abgerissen worden. Aber es galt noch einen andern Zweck zu erreichen:
die keine anderen Empfindungen für ihre lip-, est-, kurländischen Stammesge¬
nossen übrig haben, als Ausdrücke herben Tadels und unnachsichtiger Verur-
theilung der Sünden, welche jenes Land auf sich geladen, die sich lossagen von
dem „entarteten" Geschlecht, das nicht hauszuhalten gewußt hat mit dem Erbe
der Väter, das über dem Hochgefühl des Herrscherrechts, die Pflichten gegen die
Beherrschten vergessen hat — diese sollten gefragt werden, ob die Geschicke,
durch welche der verworfene und verleugnete Bruderstamm gegangen, wirklich
dazu angethan gewesen sei, eine glücklichere Entwickelung zu fördern und ob die
Zähigkeit, welche trotz allem dem und allem dem ein Stück deutschen Lebens
an der Ostsee erhalten hat, aller und jeder Anerkennung derer unwürdig ist,
die überhaupt eine Empfindung für deutsche Ehre und Tüchtigkeit übrig haben.




Die 41. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte
in Frankfurt a. M.,
18.—24. September 1867.

Die heurige Zusammenkunft dieser ältesten deutschen Wanderversammlung
scheint uns aus manchen Rücksichten eine Besprechung auch in nicht naturwissen¬
schaftlichen Blättern zu verdienen. Nicht die politische, nicht die sociale Bedeu¬
tung dieser Versammlung wollen wir berühren, so sehr es uns auch gefreut
hat, zu sehen, daß die Frankfurter sich wieder einmal zu einer That ermannt
haben, zur frischen Vorbereitung, zur kräftigen Durchführung dieser wissenschaft¬
lichen Versammlung, zu welcher sich Männer der Wissenschaft aus allen Thei-
len des Vaterlandes friedlich zusammengefunden hatten. In welchem Sinne
die Frankfurter ihren Gästen entgegentraten, in welchem Sinne alle Theilneh.
wer. von dem Gefühle der Zusammengehörigkeit in bestimmt nationaler Ent¬
wickelung der Wissenschaft getragen, einträchtig zusammen zu wirken berufen
waren, fand trefflichen Ausdruck in der Eröffnungs- und der Schlußrede des
Geschäftsführers, Dr. Spieß, und in manchen Trinksprüchen. Wir wollen nur
^e innere Entwicklung der Versammlung näher ins Auge fassen, denn hier
haben wir einige wesentliche Fortschritte zu constatiren, welche, wenn auch in


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[0187] entwerfen, durch welche die Versprengte Colonie gegangen, seit sie vom Mutter¬ lande abgerissen worden. Aber es galt noch einen andern Zweck zu erreichen: die keine anderen Empfindungen für ihre lip-, est-, kurländischen Stammesge¬ nossen übrig haben, als Ausdrücke herben Tadels und unnachsichtiger Verur- theilung der Sünden, welche jenes Land auf sich geladen, die sich lossagen von dem „entarteten" Geschlecht, das nicht hauszuhalten gewußt hat mit dem Erbe der Väter, das über dem Hochgefühl des Herrscherrechts, die Pflichten gegen die Beherrschten vergessen hat — diese sollten gefragt werden, ob die Geschicke, durch welche der verworfene und verleugnete Bruderstamm gegangen, wirklich dazu angethan gewesen sei, eine glücklichere Entwickelung zu fördern und ob die Zähigkeit, welche trotz allem dem und allem dem ein Stück deutschen Lebens an der Ostsee erhalten hat, aller und jeder Anerkennung derer unwürdig ist, die überhaupt eine Empfindung für deutsche Ehre und Tüchtigkeit übrig haben. Die 41. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Frankfurt a. M., 18.—24. September 1867. Die heurige Zusammenkunft dieser ältesten deutschen Wanderversammlung scheint uns aus manchen Rücksichten eine Besprechung auch in nicht naturwissen¬ schaftlichen Blättern zu verdienen. Nicht die politische, nicht die sociale Bedeu¬ tung dieser Versammlung wollen wir berühren, so sehr es uns auch gefreut hat, zu sehen, daß die Frankfurter sich wieder einmal zu einer That ermannt haben, zur frischen Vorbereitung, zur kräftigen Durchführung dieser wissenschaft¬ lichen Versammlung, zu welcher sich Männer der Wissenschaft aus allen Thei- len des Vaterlandes friedlich zusammengefunden hatten. In welchem Sinne die Frankfurter ihren Gästen entgegentraten, in welchem Sinne alle Theilneh. wer. von dem Gefühle der Zusammengehörigkeit in bestimmt nationaler Ent¬ wickelung der Wissenschaft getragen, einträchtig zusammen zu wirken berufen waren, fand trefflichen Ausdruck in der Eröffnungs- und der Schlußrede des Geschäftsführers, Dr. Spieß, und in manchen Trinksprüchen. Wir wollen nur ^e innere Entwicklung der Versammlung näher ins Auge fassen, denn hier haben wir einige wesentliche Fortschritte zu constatiren, welche, wenn auch in 24'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/187>, abgerufen am 18.04.2024.