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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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die baltischen Deutschen seit einem halben Jahrtausend denen geben, die sie
von einem Boden zu verdrängen streben, den sie mit ihrem Blut theuer genug
erkauft haben.




Die Stellung der Hansestädte im neuen Deutschland.

Kein Theil Norddeutschlands wird von den großen staatsrechtlichen Verän¬
derungen der jüngsten Zeit in dem Maße betroffen, wie die Hansestädte. In
den monarchischen Kleinstaaten empfinden vorzugsweise die Dynastien, die Höfe
und die Regierungsbehörden unmittelbare Verluste an Macht und Einfluß, in
den Hansestädten trägt die ganze Bürgerschaft an diesen Einbußen mit. Das
ist die Folge der hanseatischen Selbstverwaltung. Nicht blos die Senatoren,
auch die bürgerschaftlichen Mitglieder der Verwaltungs-Deputationen sehen ihren
Wirkungskreis plötzlich eingeschränkt, sich die wichtigsten und vielfach auch die
interessantesten Geschäfte abgenommen, um


"Einen zu bereichern unter Allen",

d. h. je nach Umständen das preußische Kriegsministerium, das Bundeskanzler-
Amt, irgend einen ständigen Ausschuß des Bundesraths oder wie sonst die neuen
Organe der Ccntralregierung heißen mögen. Nicht alles freilich wird man un¬
gern abgeben. Was z. B. das Militärwesen anbelangt, so ist es spätestens
im vorigen Sommer, als auf gute und schlechte Armeeverwaltung die entschei¬
dende praktische Probe gemacht wurde, den ehrbaren bürgerlichen Collectiv-
Kriegsministern der Hansestädte klar geworden, daß man sich je eher desto lieber,
dieser unpassenden Beschäftigung zu entäußern habe. Ihre Verwaltung mag,
zumal was die materiellen Mittel betrifft, in noch so guter Ordnung gewesen
sein, so werden sie sich nichts destoweniger herzlich freuen, in Herrn v. Roon
und seinen Gehilfen jetzt sachverständige Nachfolger erhalten zu haben. Anders
aber steht es z. B. schon mit der Rechtspflege. Haben die hanseatischen Juri¬
sten auch selbstverständlich, und trotz des hohen Rufes den ihr Oberappellations¬
gericht besitzt, nicht die Anmaßung, sich in aller und jeder Rechtsgesetzgebung
besser selbst helfen zu können, als durch den Eintritt in ein allgemeines natio¬
nales Nechssystem, zu dessen stückweiser Schaffung die tüchtigsten und erprobte-


die baltischen Deutschen seit einem halben Jahrtausend denen geben, die sie
von einem Boden zu verdrängen streben, den sie mit ihrem Blut theuer genug
erkauft haben.




Die Stellung der Hansestädte im neuen Deutschland.

Kein Theil Norddeutschlands wird von den großen staatsrechtlichen Verän¬
derungen der jüngsten Zeit in dem Maße betroffen, wie die Hansestädte. In
den monarchischen Kleinstaaten empfinden vorzugsweise die Dynastien, die Höfe
und die Regierungsbehörden unmittelbare Verluste an Macht und Einfluß, in
den Hansestädten trägt die ganze Bürgerschaft an diesen Einbußen mit. Das
ist die Folge der hanseatischen Selbstverwaltung. Nicht blos die Senatoren,
auch die bürgerschaftlichen Mitglieder der Verwaltungs-Deputationen sehen ihren
Wirkungskreis plötzlich eingeschränkt, sich die wichtigsten und vielfach auch die
interessantesten Geschäfte abgenommen, um


„Einen zu bereichern unter Allen",

d. h. je nach Umständen das preußische Kriegsministerium, das Bundeskanzler-
Amt, irgend einen ständigen Ausschuß des Bundesraths oder wie sonst die neuen
Organe der Ccntralregierung heißen mögen. Nicht alles freilich wird man un¬
gern abgeben. Was z. B. das Militärwesen anbelangt, so ist es spätestens
im vorigen Sommer, als auf gute und schlechte Armeeverwaltung die entschei¬
dende praktische Probe gemacht wurde, den ehrbaren bürgerlichen Collectiv-
Kriegsministern der Hansestädte klar geworden, daß man sich je eher desto lieber,
dieser unpassenden Beschäftigung zu entäußern habe. Ihre Verwaltung mag,
zumal was die materiellen Mittel betrifft, in noch so guter Ordnung gewesen
sein, so werden sie sich nichts destoweniger herzlich freuen, in Herrn v. Roon
und seinen Gehilfen jetzt sachverständige Nachfolger erhalten zu haben. Anders
aber steht es z. B. schon mit der Rechtspflege. Haben die hanseatischen Juri¬
sten auch selbstverständlich, und trotz des hohen Rufes den ihr Oberappellations¬
gericht besitzt, nicht die Anmaßung, sich in aller und jeder Rechtsgesetzgebung
besser selbst helfen zu können, als durch den Eintritt in ein allgemeines natio¬
nales Nechssystem, zu dessen stückweiser Schaffung die tüchtigsten und erprobte-


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[0226] die baltischen Deutschen seit einem halben Jahrtausend denen geben, die sie von einem Boden zu verdrängen streben, den sie mit ihrem Blut theuer genug erkauft haben. Die Stellung der Hansestädte im neuen Deutschland. Kein Theil Norddeutschlands wird von den großen staatsrechtlichen Verän¬ derungen der jüngsten Zeit in dem Maße betroffen, wie die Hansestädte. In den monarchischen Kleinstaaten empfinden vorzugsweise die Dynastien, die Höfe und die Regierungsbehörden unmittelbare Verluste an Macht und Einfluß, in den Hansestädten trägt die ganze Bürgerschaft an diesen Einbußen mit. Das ist die Folge der hanseatischen Selbstverwaltung. Nicht blos die Senatoren, auch die bürgerschaftlichen Mitglieder der Verwaltungs-Deputationen sehen ihren Wirkungskreis plötzlich eingeschränkt, sich die wichtigsten und vielfach auch die interessantesten Geschäfte abgenommen, um „Einen zu bereichern unter Allen", d. h. je nach Umständen das preußische Kriegsministerium, das Bundeskanzler- Amt, irgend einen ständigen Ausschuß des Bundesraths oder wie sonst die neuen Organe der Ccntralregierung heißen mögen. Nicht alles freilich wird man un¬ gern abgeben. Was z. B. das Militärwesen anbelangt, so ist es spätestens im vorigen Sommer, als auf gute und schlechte Armeeverwaltung die entschei¬ dende praktische Probe gemacht wurde, den ehrbaren bürgerlichen Collectiv- Kriegsministern der Hansestädte klar geworden, daß man sich je eher desto lieber, dieser unpassenden Beschäftigung zu entäußern habe. Ihre Verwaltung mag, zumal was die materiellen Mittel betrifft, in noch so guter Ordnung gewesen sein, so werden sie sich nichts destoweniger herzlich freuen, in Herrn v. Roon und seinen Gehilfen jetzt sachverständige Nachfolger erhalten zu haben. Anders aber steht es z. B. schon mit der Rechtspflege. Haben die hanseatischen Juri¬ sten auch selbstverständlich, und trotz des hohen Rufes den ihr Oberappellations¬ gericht besitzt, nicht die Anmaßung, sich in aller und jeder Rechtsgesetzgebung besser selbst helfen zu können, als durch den Eintritt in ein allgemeines natio¬ nales Nechssystem, zu dessen stückweiser Schaffung die tüchtigsten und erprobte-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/226>, abgerufen am 23.04.2024.