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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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überflüssig gewesen, was ihn gleichwohl nicht hindert, sich in ähnlich ungerechtfertigter
Weise wiederholentlich des Ausdrucks zu bedienen. Im Ganzen müssen wir doch
nach dem bisher von Herrn Beycr Erschienenen den dringenden Wunsch äußern, daß
er "Forschungen" anzustellen und zu publiciren, berufener" Kräften überlassen
möge-, womit übrigens seiner warmen Begeisterung für Rückert keineswegs zu nahe
getreten werden soll.




Goethe in Schlesien. 1790. Ein Beitrag zur Goetheliteratur von Hermann
Wentzel. Oppeln. 1367.

Eine kleine Schrift, die alles aus die wenigen Wochen Bezügliche enthält, welche
Goethe 1790 während der Preußischen Truppenzusammcnzichung behufs der damals in
Aussicht genommenen, aber bald wieder aufgegebenen Campagne gegen Oestreich
im Gefolge des Großherzogs von Weimar in Schlesien zubrachte. Der Verfasser
hat das spärliche Material mit emsigen Fleiß von allen Seiten her zusammengetragen
und mit gewissenhaftem Urtheil verwendet. Zeitungen jener Tage, neuere journali¬
stische Publicationen sowie Briefsammlungen haben herhalten müssen, alles, was ver¬
streut und deshalb mehr oder weniger unzugänglich war. Auch einiges unsers
Wissens bisher Unbekannte findet sich vor. Wir können uns nicht versagen, die
allerliebste Mittheilung über die Begegnung Goethes mit Johann Timotheus Her¬
mes, einer nun fast vergessenen Literaturgröße jener Zeit, hier abzudrucken. Der
Verfasser berichtet nach glaubwürdiger mündlicher Tradition wie folgt: "Als Hermes
von Goethes Anwesenheit in Breslau Kunde erhalten, gab er sich anfangs der Er¬
wartung hin, daß dieser nicht lange zögern werde, ihm einen Besuch abzustatten.
Doch als dieser nicht erfolgte, entschloß er sich endlich nach langem Hin" und Her-
überlegen, selbst den ersten Schritt zu thun. Mit geziemender Würde, wird be¬
richtet, stieg er die zu Goethes Wohnung führenden Stufen hinauf, als dieser raschen
Schrittes dieselben herunter kommt und beide sich mitten auf der Treppe begegnen.
Hermes, welcher Goethe bereits einmal gesehen, wußte sofort, wen er vor sich sähe,
und läßt sich, da er bemerkt, daß Goethe an ihm vorübereilen will, zu der An¬
frage herbei, ob er wohl den Dichter des Werther vor sich zu sehen die Ehre hätte.
Mein Name ist Goethe, antwortete dieser kurz, und wer sind Sie? -- Ich bin
der Verfasser von Sophiens Reise von Memel nach Sachsen. -- Und der ist? fragte
Goethe, und feste unbekümmert um das Schicksal des unglücklichen Hermes, der in
seinen gehegten Erwartungen bitter getäuscht, kein Wort hervorzubringen ver¬
mochte, seinen Weg fort." -- Derartiges findet sich mehrfach in dem geschmackvoll
ausgestatteten Büchelchen, -- so z. B. der S. 46 erwähnte Groll der Tarnowitzcr
gegen Goethe, -- und auch die sorgfältig gearbeitete chronologische Uebersicht am
Schluß bringt einige nicht uninteressante Details. Die anspruchslose Zusammen¬
stellung des Auffindbaren macht die kleine Monographie verdienstvoller, als manche
langathmigc Goetheabhandlungen.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Areytnn u, Julius Eckardt.
Nerlag van F. ? H-?bi>". -- Druck von Hüthxl Segler tu Leipziq.

überflüssig gewesen, was ihn gleichwohl nicht hindert, sich in ähnlich ungerechtfertigter
Weise wiederholentlich des Ausdrucks zu bedienen. Im Ganzen müssen wir doch
nach dem bisher von Herrn Beycr Erschienenen den dringenden Wunsch äußern, daß
er „Forschungen" anzustellen und zu publiciren, berufener» Kräften überlassen
möge-, womit übrigens seiner warmen Begeisterung für Rückert keineswegs zu nahe
getreten werden soll.




Goethe in Schlesien. 1790. Ein Beitrag zur Goetheliteratur von Hermann
Wentzel. Oppeln. 1367.

Eine kleine Schrift, die alles aus die wenigen Wochen Bezügliche enthält, welche
Goethe 1790 während der Preußischen Truppenzusammcnzichung behufs der damals in
Aussicht genommenen, aber bald wieder aufgegebenen Campagne gegen Oestreich
im Gefolge des Großherzogs von Weimar in Schlesien zubrachte. Der Verfasser
hat das spärliche Material mit emsigen Fleiß von allen Seiten her zusammengetragen
und mit gewissenhaftem Urtheil verwendet. Zeitungen jener Tage, neuere journali¬
stische Publicationen sowie Briefsammlungen haben herhalten müssen, alles, was ver¬
streut und deshalb mehr oder weniger unzugänglich war. Auch einiges unsers
Wissens bisher Unbekannte findet sich vor. Wir können uns nicht versagen, die
allerliebste Mittheilung über die Begegnung Goethes mit Johann Timotheus Her¬
mes, einer nun fast vergessenen Literaturgröße jener Zeit, hier abzudrucken. Der
Verfasser berichtet nach glaubwürdiger mündlicher Tradition wie folgt: „Als Hermes
von Goethes Anwesenheit in Breslau Kunde erhalten, gab er sich anfangs der Er¬
wartung hin, daß dieser nicht lange zögern werde, ihm einen Besuch abzustatten.
Doch als dieser nicht erfolgte, entschloß er sich endlich nach langem Hin« und Her-
überlegen, selbst den ersten Schritt zu thun. Mit geziemender Würde, wird be¬
richtet, stieg er die zu Goethes Wohnung führenden Stufen hinauf, als dieser raschen
Schrittes dieselben herunter kommt und beide sich mitten auf der Treppe begegnen.
Hermes, welcher Goethe bereits einmal gesehen, wußte sofort, wen er vor sich sähe,
und läßt sich, da er bemerkt, daß Goethe an ihm vorübereilen will, zu der An¬
frage herbei, ob er wohl den Dichter des Werther vor sich zu sehen die Ehre hätte.
Mein Name ist Goethe, antwortete dieser kurz, und wer sind Sie? — Ich bin
der Verfasser von Sophiens Reise von Memel nach Sachsen. — Und der ist? fragte
Goethe, und feste unbekümmert um das Schicksal des unglücklichen Hermes, der in
seinen gehegten Erwartungen bitter getäuscht, kein Wort hervorzubringen ver¬
mochte, seinen Weg fort." — Derartiges findet sich mehrfach in dem geschmackvoll
ausgestatteten Büchelchen, — so z. B. der S. 46 erwähnte Groll der Tarnowitzcr
gegen Goethe, — und auch die sorgfältig gearbeitete chronologische Uebersicht am
Schluß bringt einige nicht uninteressante Details. Die anspruchslose Zusammen¬
stellung des Auffindbaren macht die kleine Monographie verdienstvoller, als manche
langathmigc Goetheabhandlungen.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Areytnn u, Julius Eckardt.
Nerlag van F. ? H-?bi>». — Druck von Hüthxl Segler tu Leipziq.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/408>, abgerufen am 19.04.2024.