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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Die katholischen Vereine.
Von einem Oestreicher.

Am 28. Juni 1863, bald nach Abschluß des Concordats erschien in Oest¬
reich ein Ministerialerlaß. welcher die katholischen Vereine und Bruderschaften
der Anwendung des Vereinsgesetzes vom 26. November 18S2 entzog und
ihre Genehmigung und Oberleitung den Diöcesanbischöfen übertrug. Es
war damals alles darauf abgesehen, Oestreich zu einem eminent katholischen
Staate zu machen, der weltliche Arm sollte sich dem Stäbe der Kirche beugen,
man erlaubte ihm nur ihr zu Nutz und Frommen Dienste zu leisten. Dies
genügte aber den tonangebenden Herren jenseits der Berge noch lange nicht.
Sie dachten sich nebenbei Oestreich als ein verschanztes Lager, aus dem sie nach
allen Ecken und Enden Deutschlands ihre Cohorten aussenden könnten, um sich
daselbst neue Provinzen zu annectiren, ja 'als Stapelplatz ihrer Flotten, die in
alle Theile des übrigen Continents und der ganzen Welt bestimmt waren. Das
vorzüglichste Mittel zur Verbreitung ihrer Herrschaft waren die katholischen Ver¬
eine. Nicht nur alle Städte und Länder des weiten Kaiserstaates wurden von
diesen wuchernden Schlingpflanzen umgarnt und ausgesogen, ihre Verzweigun¬
gen liefen auch nach allen Seiten ins Ausland und tauchten dort wieder als
neue Pflanzschulen auf. Es waren große welterobernde Pläne, die man im
Busen trug, und wenn man die katholischen Politiker hörte, bekämpften sie doch blos
den Josephinismus, den Socialismus und die Revolution. Es ist nur Stückwerk,
was man hie und da aus clericalcn Tagesblättern und auf Katholikenversamm-
lungcn davon zu hören bekam, am Ende wird aber doch ein klares Bild daraus.
Die letzte Katholikenversammlung in Innsbruck lieferte manchen Beleg
dafür, obschon man nur mit großer Vorsicht ein schwaches Echo aus ihren
"geschlossenen" d. i. geheimen Sitzungen in die Welt dringen ließ. Wir wollen,
nachdem bereits ein Bild der Physiognomie derselben gegeben worden, auch
dies hier nachtragen.

Unter den vielen katholischen Vereinen Oestreichs leuchteten jene von Wien
voran , über deren segensreiche Wirksamkeit sich Graf Fries mit großer Genug-
thuung ausließ. Auf der "Generalconferenz der katholischen Vereine" daselbst
durchging er sie alle der Reihe nach, sie wirkten, wie er versicherte, auf
sämmtlichen Gebieten der christlichen Charitas, wobei selbstverständlich der Ser-
vinus- und Leopoldinenverein, denen viele hohe Beamte und edle Damen an¬
gehören, als Muster voranstehen. Von den Bruderschaften außerhalb Wiens
that sich vorzüglich jene vom h. Erzengel Michael in Se. Potter hervor, die
M allen Diöcesen eingeführt sein wollte und zunächst die materielle Unter-


SS*
Die katholischen Vereine.
Von einem Oestreicher.

Am 28. Juni 1863, bald nach Abschluß des Concordats erschien in Oest¬
reich ein Ministerialerlaß. welcher die katholischen Vereine und Bruderschaften
der Anwendung des Vereinsgesetzes vom 26. November 18S2 entzog und
ihre Genehmigung und Oberleitung den Diöcesanbischöfen übertrug. Es
war damals alles darauf abgesehen, Oestreich zu einem eminent katholischen
Staate zu machen, der weltliche Arm sollte sich dem Stäbe der Kirche beugen,
man erlaubte ihm nur ihr zu Nutz und Frommen Dienste zu leisten. Dies
genügte aber den tonangebenden Herren jenseits der Berge noch lange nicht.
Sie dachten sich nebenbei Oestreich als ein verschanztes Lager, aus dem sie nach
allen Ecken und Enden Deutschlands ihre Cohorten aussenden könnten, um sich
daselbst neue Provinzen zu annectiren, ja 'als Stapelplatz ihrer Flotten, die in
alle Theile des übrigen Continents und der ganzen Welt bestimmt waren. Das
vorzüglichste Mittel zur Verbreitung ihrer Herrschaft waren die katholischen Ver¬
eine. Nicht nur alle Städte und Länder des weiten Kaiserstaates wurden von
diesen wuchernden Schlingpflanzen umgarnt und ausgesogen, ihre Verzweigun¬
gen liefen auch nach allen Seiten ins Ausland und tauchten dort wieder als
neue Pflanzschulen auf. Es waren große welterobernde Pläne, die man im
Busen trug, und wenn man die katholischen Politiker hörte, bekämpften sie doch blos
den Josephinismus, den Socialismus und die Revolution. Es ist nur Stückwerk,
was man hie und da aus clericalcn Tagesblättern und auf Katholikenversamm-
lungcn davon zu hören bekam, am Ende wird aber doch ein klares Bild daraus.
Die letzte Katholikenversammlung in Innsbruck lieferte manchen Beleg
dafür, obschon man nur mit großer Vorsicht ein schwaches Echo aus ihren
„geschlossenen" d. i. geheimen Sitzungen in die Welt dringen ließ. Wir wollen,
nachdem bereits ein Bild der Physiognomie derselben gegeben worden, auch
dies hier nachtragen.

Unter den vielen katholischen Vereinen Oestreichs leuchteten jene von Wien
voran , über deren segensreiche Wirksamkeit sich Graf Fries mit großer Genug-
thuung ausließ. Auf der „Generalconferenz der katholischen Vereine" daselbst
durchging er sie alle der Reihe nach, sie wirkten, wie er versicherte, auf
sämmtlichen Gebieten der christlichen Charitas, wobei selbstverständlich der Ser-
vinus- und Leopoldinenverein, denen viele hohe Beamte und edle Damen an¬
gehören, als Muster voranstehen. Von den Bruderschaften außerhalb Wiens
that sich vorzüglich jene vom h. Erzengel Michael in Se. Potter hervor, die
M allen Diöcesen eingeführt sein wollte und zunächst die materielle Unter-


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[0435] Die katholischen Vereine. Von einem Oestreicher. Am 28. Juni 1863, bald nach Abschluß des Concordats erschien in Oest¬ reich ein Ministerialerlaß. welcher die katholischen Vereine und Bruderschaften der Anwendung des Vereinsgesetzes vom 26. November 18S2 entzog und ihre Genehmigung und Oberleitung den Diöcesanbischöfen übertrug. Es war damals alles darauf abgesehen, Oestreich zu einem eminent katholischen Staate zu machen, der weltliche Arm sollte sich dem Stäbe der Kirche beugen, man erlaubte ihm nur ihr zu Nutz und Frommen Dienste zu leisten. Dies genügte aber den tonangebenden Herren jenseits der Berge noch lange nicht. Sie dachten sich nebenbei Oestreich als ein verschanztes Lager, aus dem sie nach allen Ecken und Enden Deutschlands ihre Cohorten aussenden könnten, um sich daselbst neue Provinzen zu annectiren, ja 'als Stapelplatz ihrer Flotten, die in alle Theile des übrigen Continents und der ganzen Welt bestimmt waren. Das vorzüglichste Mittel zur Verbreitung ihrer Herrschaft waren die katholischen Ver¬ eine. Nicht nur alle Städte und Länder des weiten Kaiserstaates wurden von diesen wuchernden Schlingpflanzen umgarnt und ausgesogen, ihre Verzweigun¬ gen liefen auch nach allen Seiten ins Ausland und tauchten dort wieder als neue Pflanzschulen auf. Es waren große welterobernde Pläne, die man im Busen trug, und wenn man die katholischen Politiker hörte, bekämpften sie doch blos den Josephinismus, den Socialismus und die Revolution. Es ist nur Stückwerk, was man hie und da aus clericalcn Tagesblättern und auf Katholikenversamm- lungcn davon zu hören bekam, am Ende wird aber doch ein klares Bild daraus. Die letzte Katholikenversammlung in Innsbruck lieferte manchen Beleg dafür, obschon man nur mit großer Vorsicht ein schwaches Echo aus ihren „geschlossenen" d. i. geheimen Sitzungen in die Welt dringen ließ. Wir wollen, nachdem bereits ein Bild der Physiognomie derselben gegeben worden, auch dies hier nachtragen. Unter den vielen katholischen Vereinen Oestreichs leuchteten jene von Wien voran , über deren segensreiche Wirksamkeit sich Graf Fries mit großer Genug- thuung ausließ. Auf der „Generalconferenz der katholischen Vereine" daselbst durchging er sie alle der Reihe nach, sie wirkten, wie er versicherte, auf sämmtlichen Gebieten der christlichen Charitas, wobei selbstverständlich der Ser- vinus- und Leopoldinenverein, denen viele hohe Beamte und edle Damen an¬ gehören, als Muster voranstehen. Von den Bruderschaften außerhalb Wiens that sich vorzüglich jene vom h. Erzengel Michael in Se. Potter hervor, die M allen Diöcesen eingeführt sein wollte und zunächst die materielle Unter- SS*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/435>, abgerufen am 19.04.2024.