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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Nodelletten ans Apulejus.

Eine sehr merkwürdige, in ihrer Art einzige Erscheinung der römischen
Literatur ist der Roman des Apulejus "Die Verwandlungen oder
Der Esel", wie die Verehrer ihn nannten -- das Buch hatte eine Zeitlang
einen großen Leserkreis -- Der goldene Esel. Denn von dem Roman
des dem Apulejus an Geist. Geschmack und Darstellungsgabe unendlich über¬
legenen Petronius haben wir nur noch so zerrissene Bruchstücke, daß sich von
der ursprünglichen Komposition keine Vorstellung mehr fassen läßt. Der Roman
des Apulejus aber ist vollständig und nicht nach der Schablone der erhaltenen
griechischen Romane geschrieben, wiewohl ihm ein griechisches Original zu
Grunde liegt. Der Verfasser ist keine uninteressante Persönlichkeit und ein cha¬
rakteristischer Repräsentant seiner Zeit.

Apulejus, ein Zeitgenosse der Antonine, gebürtig aus der römischen
Colonie Madaura in Afrika, war der Sohn eines wohlhabenden und an¬
gesehenen Mannes, der ihm eine sorgfältige Erziehung zu Theil werden ließ.
Nachdem er in Karthago seine Schulstudien gemacht hatte, ging er zu seiner
weiteren Ausbildung nach Athen, wie er selbst in seiner gezierten Weise sagt:
"Der erste Krug des Schulmeisters benimmt die Rauhheit, der zweite des Gram¬
matikers verleiht Bildung, der dritte des Rhetors rüstet mit Beredsamkeit.
Soweit trinken die meisten, ich aber leerte in Athen noch andere Kruge; den
täuschenden der Dichtkunst, den klaren der Mathematik, den süßen der Musik,
den herben der Dialektik und endlich den unerschöpflichen Nectartrank der Phi¬
losophie." Auf seinen Reisen kam er auch nach Rom, wo er sich eine Zeit¬
lang aufhielt, um sich den mündlichen und schriftlichen Gebrauch der lateini¬
schen Sprache so anzueignen, wie er des griechischen Herr war. So ausgerüstet
kehrte er in sein Vaterland zurück, um als Redner und Schriftsteller aufzutreten.
Auf einer Reise blieb er krank in Oea liegen und lernte dort eine reiche und
gebildete Witwe Pudentilla kennen, welche er heirathete. Ihre Verwandten,


Grenzboten IV. 1867. 5?
Nodelletten ans Apulejus.

Eine sehr merkwürdige, in ihrer Art einzige Erscheinung der römischen
Literatur ist der Roman des Apulejus „Die Verwandlungen oder
Der Esel", wie die Verehrer ihn nannten — das Buch hatte eine Zeitlang
einen großen Leserkreis — Der goldene Esel. Denn von dem Roman
des dem Apulejus an Geist. Geschmack und Darstellungsgabe unendlich über¬
legenen Petronius haben wir nur noch so zerrissene Bruchstücke, daß sich von
der ursprünglichen Komposition keine Vorstellung mehr fassen läßt. Der Roman
des Apulejus aber ist vollständig und nicht nach der Schablone der erhaltenen
griechischen Romane geschrieben, wiewohl ihm ein griechisches Original zu
Grunde liegt. Der Verfasser ist keine uninteressante Persönlichkeit und ein cha¬
rakteristischer Repräsentant seiner Zeit.

Apulejus, ein Zeitgenosse der Antonine, gebürtig aus der römischen
Colonie Madaura in Afrika, war der Sohn eines wohlhabenden und an¬
gesehenen Mannes, der ihm eine sorgfältige Erziehung zu Theil werden ließ.
Nachdem er in Karthago seine Schulstudien gemacht hatte, ging er zu seiner
weiteren Ausbildung nach Athen, wie er selbst in seiner gezierten Weise sagt:
„Der erste Krug des Schulmeisters benimmt die Rauhheit, der zweite des Gram¬
matikers verleiht Bildung, der dritte des Rhetors rüstet mit Beredsamkeit.
Soweit trinken die meisten, ich aber leerte in Athen noch andere Kruge; den
täuschenden der Dichtkunst, den klaren der Mathematik, den süßen der Musik,
den herben der Dialektik und endlich den unerschöpflichen Nectartrank der Phi¬
losophie." Auf seinen Reisen kam er auch nach Rom, wo er sich eine Zeit¬
lang aufhielt, um sich den mündlichen und schriftlichen Gebrauch der lateini¬
schen Sprache so anzueignen, wie er des griechischen Herr war. So ausgerüstet
kehrte er in sein Vaterland zurück, um als Redner und Schriftsteller aufzutreten.
Auf einer Reise blieb er krank in Oea liegen und lernte dort eine reiche und
gebildete Witwe Pudentilla kennen, welche er heirathete. Ihre Verwandten,


Grenzboten IV. 1867. 5?
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[0449] Nodelletten ans Apulejus. Eine sehr merkwürdige, in ihrer Art einzige Erscheinung der römischen Literatur ist der Roman des Apulejus „Die Verwandlungen oder Der Esel", wie die Verehrer ihn nannten — das Buch hatte eine Zeitlang einen großen Leserkreis — Der goldene Esel. Denn von dem Roman des dem Apulejus an Geist. Geschmack und Darstellungsgabe unendlich über¬ legenen Petronius haben wir nur noch so zerrissene Bruchstücke, daß sich von der ursprünglichen Komposition keine Vorstellung mehr fassen läßt. Der Roman des Apulejus aber ist vollständig und nicht nach der Schablone der erhaltenen griechischen Romane geschrieben, wiewohl ihm ein griechisches Original zu Grunde liegt. Der Verfasser ist keine uninteressante Persönlichkeit und ein cha¬ rakteristischer Repräsentant seiner Zeit. Apulejus, ein Zeitgenosse der Antonine, gebürtig aus der römischen Colonie Madaura in Afrika, war der Sohn eines wohlhabenden und an¬ gesehenen Mannes, der ihm eine sorgfältige Erziehung zu Theil werden ließ. Nachdem er in Karthago seine Schulstudien gemacht hatte, ging er zu seiner weiteren Ausbildung nach Athen, wie er selbst in seiner gezierten Weise sagt: „Der erste Krug des Schulmeisters benimmt die Rauhheit, der zweite des Gram¬ matikers verleiht Bildung, der dritte des Rhetors rüstet mit Beredsamkeit. Soweit trinken die meisten, ich aber leerte in Athen noch andere Kruge; den täuschenden der Dichtkunst, den klaren der Mathematik, den süßen der Musik, den herben der Dialektik und endlich den unerschöpflichen Nectartrank der Phi¬ losophie." Auf seinen Reisen kam er auch nach Rom, wo er sich eine Zeit¬ lang aufhielt, um sich den mündlichen und schriftlichen Gebrauch der lateini¬ schen Sprache so anzueignen, wie er des griechischen Herr war. So ausgerüstet kehrte er in sein Vaterland zurück, um als Redner und Schriftsteller aufzutreten. Auf einer Reise blieb er krank in Oea liegen und lernte dort eine reiche und gebildete Witwe Pudentilla kennen, welche er heirathete. Ihre Verwandten, Grenzboten IV. 1867. 5?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/449>, abgerufen am 25.04.2024.