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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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wird. So wird ein Gutsbesitzer durch böse Vorbedeutungen erschreckt, die sich
folgendermaßen häufen; eine Henne bringt statt eines Eies ein lebendiges
Huhn zur Welt, ein Blutstrahl dringt aus der Erde, Wiesel bringen eine todte
Schlange geschleppt, aus dem Munde eines Hundes springt ein Frosch heraus,
und den Hund beißt ein Widder todt. Gleich darauf meldet ein Bote, daß
die drei Söhne des Gutsbesitzers in einer Schlägerei umgekommen sind. Der
erste ist durch einen Steinwurf zu Boden gestreckt und von Hunden zerfleischt;
der zweite wird von einem Speer in die Brust getroffen, der Speer kommt am
Rücken heraus und dringt so tief in die Erde, daß der Unglückliche angespießt
in der Luft hängen bleibt; der dritte entreißt dem Gegner mit List das Schwert,
tödtet diesen und schneidet sich selbst den Hals ab. Diese Kraftstücke erinnern
an ein anderes Genre, wo ähnliche Dinge vorkommen; als Beispiel folge


2. Eine Räubergeschichte.

Kaum im sicbenthvrigen Theben angelangt, kundschafteten wir nach
Näubermethode sorgfältig die Bcrmögcnsverhältnisse der Einwohner aus. Da
hörten wir von einem Wechsler, Chry heros, der viel Geld harte, aber aus
Furcht vor den Leistungen und Ausgaben öffentlicher Ehrenämter*) mit großer
Schlauheit seinen Reichthum verborgen hielt; ärmlich gekleidet, lebte er sparsam,
allein und einsam in einem kleinen aber festen Häuschen und hütete seine Geld¬
säcke. Auf diesen beschlossen wir den ersten Angriff zu machen, den einen Geg¬
ner dachten wir leicht zu besiegen und dann in aller Bequemlichkeit sein Geld
fortzuschaffen. Unvcrweilt begaben wir uns mit Einbruch der Nacht vor sein
Haus. Um nicht die Nachbarschaft durch Geräusch aufmerksam zu machen, sollte
die Thür weder ausgehoben noch eingeschlagen werden, sondern der Anführer
Lamachus im Vertrauen auf seine oft erprobte Geschicklichkeit brachte seine
Hand sachte allmählich durch das Loch, wodurch der Schlüssel gesteckt wird,
um den Ringel zurückzuschieben. Aber dieser niederträchtige Kerl, der Chryseros,
der wachte und alles hörte, war längst in lautloser Stille vorsichtig heran¬
geschlichen und heftete mit einem starken Nagel die Hand des Hauptmanns mit
"n paar tüchtigen Hammerschlägen an die Thür fest, stieg dann aufs Dach
seiner Hütte und rief mit lauter Stimme, jeden Nachbarn namentlich, um
Hilfe, sein Haus brenne, daß alles aus der Nachbarschaft voll Angst und
Schrecken herbeilief. In dieser Gefahr mußten wir uns entscheiden, ob wir
unseren Kameraden preisgeben oder selbst tödten wollten, da siel uns ein Aus¬
kunftsmittel ein, dem er seine Zustimmung gab. Mit einem raschen Schnitt
kennten wir seinen Arm von der Schulter und ließen den Unterarm im Stich;



") Die öffentlichen Aemter verpflichteten zu manchen kostspieligen Leistungen, sodaß man
l^es dieser Ehre auf alle Weise zu entziehen suchte.-'
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wird. So wird ein Gutsbesitzer durch böse Vorbedeutungen erschreckt, die sich
folgendermaßen häufen; eine Henne bringt statt eines Eies ein lebendiges
Huhn zur Welt, ein Blutstrahl dringt aus der Erde, Wiesel bringen eine todte
Schlange geschleppt, aus dem Munde eines Hundes springt ein Frosch heraus,
und den Hund beißt ein Widder todt. Gleich darauf meldet ein Bote, daß
die drei Söhne des Gutsbesitzers in einer Schlägerei umgekommen sind. Der
erste ist durch einen Steinwurf zu Boden gestreckt und von Hunden zerfleischt;
der zweite wird von einem Speer in die Brust getroffen, der Speer kommt am
Rücken heraus und dringt so tief in die Erde, daß der Unglückliche angespießt
in der Luft hängen bleibt; der dritte entreißt dem Gegner mit List das Schwert,
tödtet diesen und schneidet sich selbst den Hals ab. Diese Kraftstücke erinnern
an ein anderes Genre, wo ähnliche Dinge vorkommen; als Beispiel folge


2. Eine Räubergeschichte.

Kaum im sicbenthvrigen Theben angelangt, kundschafteten wir nach
Näubermethode sorgfältig die Bcrmögcnsverhältnisse der Einwohner aus. Da
hörten wir von einem Wechsler, Chry heros, der viel Geld harte, aber aus
Furcht vor den Leistungen und Ausgaben öffentlicher Ehrenämter*) mit großer
Schlauheit seinen Reichthum verborgen hielt; ärmlich gekleidet, lebte er sparsam,
allein und einsam in einem kleinen aber festen Häuschen und hütete seine Geld¬
säcke. Auf diesen beschlossen wir den ersten Angriff zu machen, den einen Geg¬
ner dachten wir leicht zu besiegen und dann in aller Bequemlichkeit sein Geld
fortzuschaffen. Unvcrweilt begaben wir uns mit Einbruch der Nacht vor sein
Haus. Um nicht die Nachbarschaft durch Geräusch aufmerksam zu machen, sollte
die Thür weder ausgehoben noch eingeschlagen werden, sondern der Anführer
Lamachus im Vertrauen auf seine oft erprobte Geschicklichkeit brachte seine
Hand sachte allmählich durch das Loch, wodurch der Schlüssel gesteckt wird,
um den Ringel zurückzuschieben. Aber dieser niederträchtige Kerl, der Chryseros,
der wachte und alles hörte, war längst in lautloser Stille vorsichtig heran¬
geschlichen und heftete mit einem starken Nagel die Hand des Hauptmanns mit
"n paar tüchtigen Hammerschlägen an die Thür fest, stieg dann aufs Dach
seiner Hütte und rief mit lauter Stimme, jeden Nachbarn namentlich, um
Hilfe, sein Haus brenne, daß alles aus der Nachbarschaft voll Angst und
Schrecken herbeilief. In dieser Gefahr mußten wir uns entscheiden, ob wir
unseren Kameraden preisgeben oder selbst tödten wollten, da siel uns ein Aus¬
kunftsmittel ein, dem er seine Zustimmung gab. Mit einem raschen Schnitt
kennten wir seinen Arm von der Schulter und ließen den Unterarm im Stich;



") Die öffentlichen Aemter verpflichteten zu manchen kostspieligen Leistungen, sodaß man
l^es dieser Ehre auf alle Weise zu entziehen suchte.-'
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/459>, abgerufen am 19.04.2024.