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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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von Preußen und Oestreich unabhängigen Deutschland fabelten und auf Rechnung
desselben jeden Versuch Preußens, Klarheit und System in die deutsche Ver¬
wirrung zu bringen, vereitelten. Die Lehrzeit, welche seit dein Sommer 1866
hinter ihnen liegt, hat lange genug gedauert, um im allseitigen Interesse und
besonders im Interesse Oestreichs einen Abschluß nothwendig zu machen, wie
wir ihn vom Jahre 1868 erwarten. Für Preußen ist die Auflösung des Bundes¬
tags der Ausgangspunkt einer neuen politischen Aera gewesen, Oestreich wird
die Möglichkeit einer solchen erst durch den vollständigen Eintritt der süddeutschen
Staaten in den neuen Bund geboten werden. Erst wenn der Kreis geschlossen
ist, dessen Mittelpunkt die Schwaben "ut Baiern langsam aber unaufhaltsam
zugedrängt werden, wird sich das Verhältniß zwischen Oestreich und dem neuen
Deutschland klären. So lange die Süddeutschen dem Wahne leben, sie hätten
immer noch zwischen Wien und Berlin zu wählen, so lange sie sich mit der
Hoffnung schmeicheln, es sei am Ende gar möglich, einen Zweiherrendienst zu
organisiren, sind sie es, welche eine Verständigung zwischen den beiden Gro߬
mächten Mitteleuropas verhindern. Vor Lösung der deutschen Frage ist eine
Ausgleichung des Zwiespaltes zwischen Oestreich und Preußen undenkbar --
nach Eintritt der Süddeutschen in den neuen Bund muß dieser Ausgleich sich
von selbst erzwingen oder durch die orientalische Frage erzwungen werden. -- Die
Hemmung, welche diese während der abgelaufenen zwölf Monate erlitten hat,
wird sie, wenn nicht alle Anzeigen trügen, während des Jahres 1868 mit
raschen Schritten einholen. Der Artikel des russischen Invaliden, dessen Inhalt
uns der Telegraph vor wenigen Stunden mitgetheilt hat, zeigt deutlich an,
daß die Entscheidung über die Zukunft des Orients vor der Thüre steht.
Oestreich wird noch einmal zu wählen haben zwischen der Alternative, entweder
an der Seite Frankreichs zweien Gegnern entgegen zu treten, oder durch ehr¬
lichen Verzicht auf eine Einmischung in die deutschen Dinge, einen zweifelhaften
Bundesgenossen zu Gunsten der Entwaffnung eines Gegners aufzugeben, von
dessen zweifelloser Gefährlichkeit es sich durch eine lange Reihe von Erfah¬
rungen überzeugt haben muß.




BermWte Literatur.
Schillers sämmtliche Werke. Kritisch-Historische Ausgabe von A. Gödcke
(Stuttgart bei I. G. Cotta).

Die beiden bis jetzt erschienenen Bände dieser neuen Ausgabe umfassen auf
über 800 Seiten die Schillerschen Jugcndgcdichtc, die Räuber und das würtembcr-


Grenzboten IV. 1867. 66

von Preußen und Oestreich unabhängigen Deutschland fabelten und auf Rechnung
desselben jeden Versuch Preußens, Klarheit und System in die deutsche Ver¬
wirrung zu bringen, vereitelten. Die Lehrzeit, welche seit dein Sommer 1866
hinter ihnen liegt, hat lange genug gedauert, um im allseitigen Interesse und
besonders im Interesse Oestreichs einen Abschluß nothwendig zu machen, wie
wir ihn vom Jahre 1868 erwarten. Für Preußen ist die Auflösung des Bundes¬
tags der Ausgangspunkt einer neuen politischen Aera gewesen, Oestreich wird
die Möglichkeit einer solchen erst durch den vollständigen Eintritt der süddeutschen
Staaten in den neuen Bund geboten werden. Erst wenn der Kreis geschlossen
ist, dessen Mittelpunkt die Schwaben »ut Baiern langsam aber unaufhaltsam
zugedrängt werden, wird sich das Verhältniß zwischen Oestreich und dem neuen
Deutschland klären. So lange die Süddeutschen dem Wahne leben, sie hätten
immer noch zwischen Wien und Berlin zu wählen, so lange sie sich mit der
Hoffnung schmeicheln, es sei am Ende gar möglich, einen Zweiherrendienst zu
organisiren, sind sie es, welche eine Verständigung zwischen den beiden Gro߬
mächten Mitteleuropas verhindern. Vor Lösung der deutschen Frage ist eine
Ausgleichung des Zwiespaltes zwischen Oestreich und Preußen undenkbar —
nach Eintritt der Süddeutschen in den neuen Bund muß dieser Ausgleich sich
von selbst erzwingen oder durch die orientalische Frage erzwungen werden. — Die
Hemmung, welche diese während der abgelaufenen zwölf Monate erlitten hat,
wird sie, wenn nicht alle Anzeigen trügen, während des Jahres 1868 mit
raschen Schritten einholen. Der Artikel des russischen Invaliden, dessen Inhalt
uns der Telegraph vor wenigen Stunden mitgetheilt hat, zeigt deutlich an,
daß die Entscheidung über die Zukunft des Orients vor der Thüre steht.
Oestreich wird noch einmal zu wählen haben zwischen der Alternative, entweder
an der Seite Frankreichs zweien Gegnern entgegen zu treten, oder durch ehr¬
lichen Verzicht auf eine Einmischung in die deutschen Dinge, einen zweifelhaften
Bundesgenossen zu Gunsten der Entwaffnung eines Gegners aufzugeben, von
dessen zweifelloser Gefährlichkeit es sich durch eine lange Reihe von Erfah¬
rungen überzeugt haben muß.




BermWte Literatur.
Schillers sämmtliche Werke. Kritisch-Historische Ausgabe von A. Gödcke
(Stuttgart bei I. G. Cotta).

Die beiden bis jetzt erschienenen Bände dieser neuen Ausgabe umfassen auf
über 800 Seiten die Schillerschen Jugcndgcdichtc, die Räuber und das würtembcr-


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[0521] von Preußen und Oestreich unabhängigen Deutschland fabelten und auf Rechnung desselben jeden Versuch Preußens, Klarheit und System in die deutsche Ver¬ wirrung zu bringen, vereitelten. Die Lehrzeit, welche seit dein Sommer 1866 hinter ihnen liegt, hat lange genug gedauert, um im allseitigen Interesse und besonders im Interesse Oestreichs einen Abschluß nothwendig zu machen, wie wir ihn vom Jahre 1868 erwarten. Für Preußen ist die Auflösung des Bundes¬ tags der Ausgangspunkt einer neuen politischen Aera gewesen, Oestreich wird die Möglichkeit einer solchen erst durch den vollständigen Eintritt der süddeutschen Staaten in den neuen Bund geboten werden. Erst wenn der Kreis geschlossen ist, dessen Mittelpunkt die Schwaben »ut Baiern langsam aber unaufhaltsam zugedrängt werden, wird sich das Verhältniß zwischen Oestreich und dem neuen Deutschland klären. So lange die Süddeutschen dem Wahne leben, sie hätten immer noch zwischen Wien und Berlin zu wählen, so lange sie sich mit der Hoffnung schmeicheln, es sei am Ende gar möglich, einen Zweiherrendienst zu organisiren, sind sie es, welche eine Verständigung zwischen den beiden Gro߬ mächten Mitteleuropas verhindern. Vor Lösung der deutschen Frage ist eine Ausgleichung des Zwiespaltes zwischen Oestreich und Preußen undenkbar — nach Eintritt der Süddeutschen in den neuen Bund muß dieser Ausgleich sich von selbst erzwingen oder durch die orientalische Frage erzwungen werden. — Die Hemmung, welche diese während der abgelaufenen zwölf Monate erlitten hat, wird sie, wenn nicht alle Anzeigen trügen, während des Jahres 1868 mit raschen Schritten einholen. Der Artikel des russischen Invaliden, dessen Inhalt uns der Telegraph vor wenigen Stunden mitgetheilt hat, zeigt deutlich an, daß die Entscheidung über die Zukunft des Orients vor der Thüre steht. Oestreich wird noch einmal zu wählen haben zwischen der Alternative, entweder an der Seite Frankreichs zweien Gegnern entgegen zu treten, oder durch ehr¬ lichen Verzicht auf eine Einmischung in die deutschen Dinge, einen zweifelhaften Bundesgenossen zu Gunsten der Entwaffnung eines Gegners aufzugeben, von dessen zweifelloser Gefährlichkeit es sich durch eine lange Reihe von Erfah¬ rungen überzeugt haben muß. BermWte Literatur. Schillers sämmtliche Werke. Kritisch-Historische Ausgabe von A. Gödcke (Stuttgart bei I. G. Cotta). Die beiden bis jetzt erschienenen Bände dieser neuen Ausgabe umfassen auf über 800 Seiten die Schillerschen Jugcndgcdichtc, die Räuber und das würtembcr- Grenzboten IV. 1867. 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/521>, abgerufen am 25.04.2024.