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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Das Bündniß Wischer Preußen und Italien im Äahr 1866.

Duo anni 6i xvlitioA leg-liana. Riooräi sa Impression! 6i Ktokano ^aoini.
Mlano 1863.

Die erste Aufregung über den Scandal Lamarmora ist vorüber, sein
Hauptzweck ist vereitelt, unbefangen kann man heute zurückblicken auf die
Geschichte der preußisch-italienischen Allianz.

Alle Welt ist darüber einig, daß die Jnterpellation des Generals und
seine Veröffentlichung der Usedom'schen Note Niemandem geschadet hat als
in erster Linie ihm selbst, in zweiter seinem Lande. Unter allen Umständen
wird es einen peinlichen Eindruck machen, wenn ein General, der im Kriege
unglücklich gewesen, auf der Tribüne und in der Presse den Ruf wieder¬
herstellen will, der ihm auf dem Schlachtfeld geschädigt worden ist und dop-
pelt peinlich wird das Schauspiel, wenn daran ein öffentlicher Streit unter
den Waffengefährten sich schließt, die in immer neuen Repliken und Dupliken
einer dem andern die Schuld für den unglücklichen Gang der Ereignisse zu¬
zuschieben suchen. Völlig unbegreiflich aber ist, wie der General zu seiner
Rechtfertigung sich auf ein Aktenstück berufen mag, das gerade seine Sache
in den Augen jedes unbefangenen Lesers verurtheilt und die des Gegners,
der dadurch getroffen werden sollte, in das glänzendste Licht stellt. Und nicht
genug an dieser Verblendung, deren Folgen auf sein eigenes Haupt zurück¬
fallen. Aber einzig in der Geschichte des Verkehrs civilisirter Nationen steht
der Gebrauch , den der ehemalige Ministerpräsident von einer ihm übergebenen
Staatsschrift machte, die er unter dem nichtigen Vorwand ihrer unbequemen
Sprache einfach unterschlug, um den Moment abzuwarten, wo er mit ihrer
Veröffentlichung hinterrücks einen Schlag gegen den damaligen Alliirten zu
führen vermochte. Und nun ist das Schlimmste noch dies, daß die Sache
über eine blos persönliche Verschuldung, für welche die diplomatische Sprache
keinen Ausdruck mehr hat, weit hinauszugehen scheint. Der Verdacht ist
ausgesprochen, daß der General Lamarmora, indem er so handelte, bewußt
oder unbewußt einer von außen her inspirirter Intrigue die Hand lieh und
es liegt der weitere noch schwerere Verdacht nahe, daß die letzten Urheber
dieser Intrigue bereits dem damaligen Verhalten der italienischen Armee nicht


Grenjboten III. 1S68. 46
Das Bündniß Wischer Preußen und Italien im Äahr 1866.

Duo anni 6i xvlitioA leg-liana. Riooräi sa Impression! 6i Ktokano ^aoini.
Mlano 1863.

Die erste Aufregung über den Scandal Lamarmora ist vorüber, sein
Hauptzweck ist vereitelt, unbefangen kann man heute zurückblicken auf die
Geschichte der preußisch-italienischen Allianz.

Alle Welt ist darüber einig, daß die Jnterpellation des Generals und
seine Veröffentlichung der Usedom'schen Note Niemandem geschadet hat als
in erster Linie ihm selbst, in zweiter seinem Lande. Unter allen Umständen
wird es einen peinlichen Eindruck machen, wenn ein General, der im Kriege
unglücklich gewesen, auf der Tribüne und in der Presse den Ruf wieder¬
herstellen will, der ihm auf dem Schlachtfeld geschädigt worden ist und dop-
pelt peinlich wird das Schauspiel, wenn daran ein öffentlicher Streit unter
den Waffengefährten sich schließt, die in immer neuen Repliken und Dupliken
einer dem andern die Schuld für den unglücklichen Gang der Ereignisse zu¬
zuschieben suchen. Völlig unbegreiflich aber ist, wie der General zu seiner
Rechtfertigung sich auf ein Aktenstück berufen mag, das gerade seine Sache
in den Augen jedes unbefangenen Lesers verurtheilt und die des Gegners,
der dadurch getroffen werden sollte, in das glänzendste Licht stellt. Und nicht
genug an dieser Verblendung, deren Folgen auf sein eigenes Haupt zurück¬
fallen. Aber einzig in der Geschichte des Verkehrs civilisirter Nationen steht
der Gebrauch , den der ehemalige Ministerpräsident von einer ihm übergebenen
Staatsschrift machte, die er unter dem nichtigen Vorwand ihrer unbequemen
Sprache einfach unterschlug, um den Moment abzuwarten, wo er mit ihrer
Veröffentlichung hinterrücks einen Schlag gegen den damaligen Alliirten zu
führen vermochte. Und nun ist das Schlimmste noch dies, daß die Sache
über eine blos persönliche Verschuldung, für welche die diplomatische Sprache
keinen Ausdruck mehr hat, weit hinauszugehen scheint. Der Verdacht ist
ausgesprochen, daß der General Lamarmora, indem er so handelte, bewußt
oder unbewußt einer von außen her inspirirter Intrigue die Hand lieh und
es liegt der weitere noch schwerere Verdacht nahe, daß die letzten Urheber
dieser Intrigue bereits dem damaligen Verhalten der italienischen Armee nicht


Grenjboten III. 1S68. 46
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[0389] Das Bündniß Wischer Preußen und Italien im Äahr 1866. Duo anni 6i xvlitioA leg-liana. Riooräi sa Impression! 6i Ktokano ^aoini. Mlano 1863. Die erste Aufregung über den Scandal Lamarmora ist vorüber, sein Hauptzweck ist vereitelt, unbefangen kann man heute zurückblicken auf die Geschichte der preußisch-italienischen Allianz. Alle Welt ist darüber einig, daß die Jnterpellation des Generals und seine Veröffentlichung der Usedom'schen Note Niemandem geschadet hat als in erster Linie ihm selbst, in zweiter seinem Lande. Unter allen Umständen wird es einen peinlichen Eindruck machen, wenn ein General, der im Kriege unglücklich gewesen, auf der Tribüne und in der Presse den Ruf wieder¬ herstellen will, der ihm auf dem Schlachtfeld geschädigt worden ist und dop- pelt peinlich wird das Schauspiel, wenn daran ein öffentlicher Streit unter den Waffengefährten sich schließt, die in immer neuen Repliken und Dupliken einer dem andern die Schuld für den unglücklichen Gang der Ereignisse zu¬ zuschieben suchen. Völlig unbegreiflich aber ist, wie der General zu seiner Rechtfertigung sich auf ein Aktenstück berufen mag, das gerade seine Sache in den Augen jedes unbefangenen Lesers verurtheilt und die des Gegners, der dadurch getroffen werden sollte, in das glänzendste Licht stellt. Und nicht genug an dieser Verblendung, deren Folgen auf sein eigenes Haupt zurück¬ fallen. Aber einzig in der Geschichte des Verkehrs civilisirter Nationen steht der Gebrauch , den der ehemalige Ministerpräsident von einer ihm übergebenen Staatsschrift machte, die er unter dem nichtigen Vorwand ihrer unbequemen Sprache einfach unterschlug, um den Moment abzuwarten, wo er mit ihrer Veröffentlichung hinterrücks einen Schlag gegen den damaligen Alliirten zu führen vermochte. Und nun ist das Schlimmste noch dies, daß die Sache über eine blos persönliche Verschuldung, für welche die diplomatische Sprache keinen Ausdruck mehr hat, weit hinauszugehen scheint. Der Verdacht ist ausgesprochen, daß der General Lamarmora, indem er so handelte, bewußt oder unbewußt einer von außen her inspirirter Intrigue die Hand lieh und es liegt der weitere noch schwerere Verdacht nahe, daß die letzten Urheber dieser Intrigue bereits dem damaligen Verhalten der italienischen Armee nicht Grenjboten III. 1S68. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/389>, abgerufen am 05.05.2024.