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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Bunsen hatte das seltene Glück, zweien Königen nahe zu stehen und
durch sie bedeutenden Einfluß zu üben, aber wir sehen an ihm zugleich, wie
mißlich es ist, wenn ein Staatsmann seine Stellung ausschließlich auf das per¬
sönliche Verhältniß zum Fürsten baut. Bunsen mußte selbst bekennen (II, 142),
daß er nie Minister in Preußen werden könne, weil er keine Stellung im
Lande habe. So litt er zwei Mal Schiffbruch, als die Fürsten, die ihn
bisher gehalten, ihn fallen ließen, 1839 Friedrich Wilhelm III. in Rom,
1854 Friedrich Wilhelm IV. in London. Er wird bei diesen Gelegenheiten
erkannt haben, daß persönliches Vertrauen des Souveräns, wie unschätzbar
es für den Staatsmann ist, doch nie den festen Halt ersetzen kann, den eine
sachlich begründete Stellung giebt.

So tritt uns Bunsen in dem vorliegenden Buche entgegen und das
Gesammtbild wird wohl auch für die Zukunft wesentlich dasselbe bleiben.
Aber erst die Veröffentlichung seines Briefwechsels, namentlich mit Friedrich
Wilhelm IV., wird seine Stellung zu den politischen Tagesfragen klar machen.




Aus Schleswig ^Holstein.

"Das Thun interessirt, das Gethane nicht." Und so wird die in den
preußisch-deutschen Staat endgiltig eingereihte Provinz Schleswig-Holstein
mit ihrem ferneren Wohl und Wehe kaum noch etwas von der erregten
Theilnahme unter dem deutschen Volke wiederfinden, die durch so lange
Jahre die Geschicke der Herzogthümer überall begleitete, als um die Fragen
Deutsch oder Dänisch? Provinz oder Kleinstaat? noch gerungen wurde. Der
Mehrzahl der Deutschen hat sich ersichtlich sogar nach all' dem sympathischen
Interesse der Vergangenheit ein entschiedener Ueberdruß bemächtigt, von dem
gewonnenen Bruderstämme Weiteres zu hören, seit er zwischen die schwarz¬
weißen Grenzpfähle gerathen und in normale königl. preußische Unterthanen¬
schaft umgewandelt ist. Die politische Apathie ist ja heute endemisch geworden
nnter uns. Und doch, wem die thatsächlichen Lösungen des Jahres 1866
den Sinn nicht stumpf gemacht haben für das innere Getriebe des politischen
Körpers, Pulsschlag und Nerv des deutschen Volksthums, wer nur ein
wenig in die Zeiten hinauszuschauen liebt, findet in dem heutigen Schleswig-
Holstein noch immer des politisch Interessanten die Fülle. Es gibt in der
That kaum ein zweites Stück deutscher Erde, auf dessen Oberfläche sich der


Bunsen hatte das seltene Glück, zweien Königen nahe zu stehen und
durch sie bedeutenden Einfluß zu üben, aber wir sehen an ihm zugleich, wie
mißlich es ist, wenn ein Staatsmann seine Stellung ausschließlich auf das per¬
sönliche Verhältniß zum Fürsten baut. Bunsen mußte selbst bekennen (II, 142),
daß er nie Minister in Preußen werden könne, weil er keine Stellung im
Lande habe. So litt er zwei Mal Schiffbruch, als die Fürsten, die ihn
bisher gehalten, ihn fallen ließen, 1839 Friedrich Wilhelm III. in Rom,
1854 Friedrich Wilhelm IV. in London. Er wird bei diesen Gelegenheiten
erkannt haben, daß persönliches Vertrauen des Souveräns, wie unschätzbar
es für den Staatsmann ist, doch nie den festen Halt ersetzen kann, den eine
sachlich begründete Stellung giebt.

So tritt uns Bunsen in dem vorliegenden Buche entgegen und das
Gesammtbild wird wohl auch für die Zukunft wesentlich dasselbe bleiben.
Aber erst die Veröffentlichung seines Briefwechsels, namentlich mit Friedrich
Wilhelm IV., wird seine Stellung zu den politischen Tagesfragen klar machen.




Aus Schleswig ^Holstein.

„Das Thun interessirt, das Gethane nicht." Und so wird die in den
preußisch-deutschen Staat endgiltig eingereihte Provinz Schleswig-Holstein
mit ihrem ferneren Wohl und Wehe kaum noch etwas von der erregten
Theilnahme unter dem deutschen Volke wiederfinden, die durch so lange
Jahre die Geschicke der Herzogthümer überall begleitete, als um die Fragen
Deutsch oder Dänisch? Provinz oder Kleinstaat? noch gerungen wurde. Der
Mehrzahl der Deutschen hat sich ersichtlich sogar nach all' dem sympathischen
Interesse der Vergangenheit ein entschiedener Ueberdruß bemächtigt, von dem
gewonnenen Bruderstämme Weiteres zu hören, seit er zwischen die schwarz¬
weißen Grenzpfähle gerathen und in normale königl. preußische Unterthanen¬
schaft umgewandelt ist. Die politische Apathie ist ja heute endemisch geworden
nnter uns. Und doch, wem die thatsächlichen Lösungen des Jahres 1866
den Sinn nicht stumpf gemacht haben für das innere Getriebe des politischen
Körpers, Pulsschlag und Nerv des deutschen Volksthums, wer nur ein
wenig in die Zeiten hinauszuschauen liebt, findet in dem heutigen Schleswig-
Holstein noch immer des politisch Interessanten die Fülle. Es gibt in der
That kaum ein zweites Stück deutscher Erde, auf dessen Oberfläche sich der


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[0528] Bunsen hatte das seltene Glück, zweien Königen nahe zu stehen und durch sie bedeutenden Einfluß zu üben, aber wir sehen an ihm zugleich, wie mißlich es ist, wenn ein Staatsmann seine Stellung ausschließlich auf das per¬ sönliche Verhältniß zum Fürsten baut. Bunsen mußte selbst bekennen (II, 142), daß er nie Minister in Preußen werden könne, weil er keine Stellung im Lande habe. So litt er zwei Mal Schiffbruch, als die Fürsten, die ihn bisher gehalten, ihn fallen ließen, 1839 Friedrich Wilhelm III. in Rom, 1854 Friedrich Wilhelm IV. in London. Er wird bei diesen Gelegenheiten erkannt haben, daß persönliches Vertrauen des Souveräns, wie unschätzbar es für den Staatsmann ist, doch nie den festen Halt ersetzen kann, den eine sachlich begründete Stellung giebt. So tritt uns Bunsen in dem vorliegenden Buche entgegen und das Gesammtbild wird wohl auch für die Zukunft wesentlich dasselbe bleiben. Aber erst die Veröffentlichung seines Briefwechsels, namentlich mit Friedrich Wilhelm IV., wird seine Stellung zu den politischen Tagesfragen klar machen. Aus Schleswig ^Holstein. „Das Thun interessirt, das Gethane nicht." Und so wird die in den preußisch-deutschen Staat endgiltig eingereihte Provinz Schleswig-Holstein mit ihrem ferneren Wohl und Wehe kaum noch etwas von der erregten Theilnahme unter dem deutschen Volke wiederfinden, die durch so lange Jahre die Geschicke der Herzogthümer überall begleitete, als um die Fragen Deutsch oder Dänisch? Provinz oder Kleinstaat? noch gerungen wurde. Der Mehrzahl der Deutschen hat sich ersichtlich sogar nach all' dem sympathischen Interesse der Vergangenheit ein entschiedener Ueberdruß bemächtigt, von dem gewonnenen Bruderstämme Weiteres zu hören, seit er zwischen die schwarz¬ weißen Grenzpfähle gerathen und in normale königl. preußische Unterthanen¬ schaft umgewandelt ist. Die politische Apathie ist ja heute endemisch geworden nnter uns. Und doch, wem die thatsächlichen Lösungen des Jahres 1866 den Sinn nicht stumpf gemacht haben für das innere Getriebe des politischen Körpers, Pulsschlag und Nerv des deutschen Volksthums, wer nur ein wenig in die Zeiten hinauszuschauen liebt, findet in dem heutigen Schleswig- Holstein noch immer des politisch Interessanten die Fülle. Es gibt in der That kaum ein zweites Stück deutscher Erde, auf dessen Oberfläche sich der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/528>, abgerufen am 05.05.2024.