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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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einen häßlichen Knäuel schwindelhafter Ränke. Oft genug haben ja die
Organe der national-czechischen Partei erklärt, daß zwischen Alt- und Jung-
czechen, zwischen Rieger und Gregr. Palacky und Sladkowski nie eine Spal¬
tung gewesen sei, sondern unzerstörbare Solidarität herrsche. Die reac-
tionären Adeligen und Prälaten liefern, so meint man, den norvus rerum zur
Nährung der Agitation. Eine kleine anarchische Episode als Beweis für die
Lebensunfähigkeit der Verfassung wäre diesen Herrn ohne Zweifel willkommen.
Aber die letzten prager Geschichten verdienen kaum den Namen eines Sprüh¬
teufels. Der Maulwurf muß tiefer wühlen. Vor der Hand scheint kein
bedeutsamer und entscheidender Ausbruch zu erwarten. Der großmäulige
czechische Leu wird dem Stock und Säbel von Koller's gehorchen wie der
Pudel; für die Stimme der Vernunft und Mäßigung aber hat er ein
Trommelfell von Rindsleber.


I. Gilden.
Die Pficht der Regierung.

Die kaiserlichen Regierungsmaßregeln hat der Reichsrath zu legalisiren;
über die Opportunist derselben war man dem Vernehmen nach vor dem
Erlaß im Ministerrath selbst nicht einer Meinung. Uns scheint, daß man
den rohen und trotzigen Unarten nur dann länger Spielraum gestatten durfte,
wenn man die Absicht hatte, dieselben zu radicalen Maßregeln gegen das
ganze czechische Unwesen zu benutzen. Für ein solches Einschreiten ist die Mit¬
wirkung des Reichsraths, ja für einzelne Fälle seine Initiative durchaus nothwen¬
dig. Zwar ist das gesammte Treiben der Czechen von ihrem literarischen Agi¬
tationsmittel bis zu der Wallfahrt nach Moskau und Costnitz und den Massen¬
versammlungen zur Zeit mehr grotesk, als staatsgefährlich. Dennoch ist die
ganze Angelegenheit für Oestreich von furchtbarem Ernst. Denn seit die Zwei¬
theiligkeit des großen Staatskörpers gesetzlich festgestellt ist, sind dem Staats¬
mann und dem Patrioten Oestreichs große Gefahren beseitigt, aber auch
neue geschaffen. Soll der Kaiserstaat in dieser Zweitheiligkeit der Ver¬
waltung gedeihen, so ist dies nur dann möglich, wenn diesseit der Leitha
die Herrschaft deutscher Cultur fest behauptet und, wo sie verloren ist, rück¬
sichtslos wieder eingeführt wird. Die Magyaren sollen da, wo sie als
Herren sitzen, ihre gesetzlichen Rechte unversehrt gebrauchen; sie sind durch die
stärksten Bande mit dem deutschen Oestreich verknüpft, jeder materielle Fort¬
schritt, ja ihr Bestand als Volk hängen an dieser Verbrüderung, es gibt
für sie in der That keine Wahl, als in einem fremden slavischen Volksthum
aufgehen, oder als Bundesgenossen mannhaft zu Deutschland halten. Was
aber diesseits der Leitha auf deutschem Boden liegt, muß deutsch sein, im.
Interesse des Gesammtstaates, wie der Völker diesseit und jenseit der Leitha.


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einen häßlichen Knäuel schwindelhafter Ränke. Oft genug haben ja die
Organe der national-czechischen Partei erklärt, daß zwischen Alt- und Jung-
czechen, zwischen Rieger und Gregr. Palacky und Sladkowski nie eine Spal¬
tung gewesen sei, sondern unzerstörbare Solidarität herrsche. Die reac-
tionären Adeligen und Prälaten liefern, so meint man, den norvus rerum zur
Nährung der Agitation. Eine kleine anarchische Episode als Beweis für die
Lebensunfähigkeit der Verfassung wäre diesen Herrn ohne Zweifel willkommen.
Aber die letzten prager Geschichten verdienen kaum den Namen eines Sprüh¬
teufels. Der Maulwurf muß tiefer wühlen. Vor der Hand scheint kein
bedeutsamer und entscheidender Ausbruch zu erwarten. Der großmäulige
czechische Leu wird dem Stock und Säbel von Koller's gehorchen wie der
Pudel; für die Stimme der Vernunft und Mäßigung aber hat er ein
Trommelfell von Rindsleber.


I. Gilden.
Die Pficht der Regierung.

Die kaiserlichen Regierungsmaßregeln hat der Reichsrath zu legalisiren;
über die Opportunist derselben war man dem Vernehmen nach vor dem
Erlaß im Ministerrath selbst nicht einer Meinung. Uns scheint, daß man
den rohen und trotzigen Unarten nur dann länger Spielraum gestatten durfte,
wenn man die Absicht hatte, dieselben zu radicalen Maßregeln gegen das
ganze czechische Unwesen zu benutzen. Für ein solches Einschreiten ist die Mit¬
wirkung des Reichsraths, ja für einzelne Fälle seine Initiative durchaus nothwen¬
dig. Zwar ist das gesammte Treiben der Czechen von ihrem literarischen Agi¬
tationsmittel bis zu der Wallfahrt nach Moskau und Costnitz und den Massen¬
versammlungen zur Zeit mehr grotesk, als staatsgefährlich. Dennoch ist die
ganze Angelegenheit für Oestreich von furchtbarem Ernst. Denn seit die Zwei¬
theiligkeit des großen Staatskörpers gesetzlich festgestellt ist, sind dem Staats¬
mann und dem Patrioten Oestreichs große Gefahren beseitigt, aber auch
neue geschaffen. Soll der Kaiserstaat in dieser Zweitheiligkeit der Ver¬
waltung gedeihen, so ist dies nur dann möglich, wenn diesseit der Leitha
die Herrschaft deutscher Cultur fest behauptet und, wo sie verloren ist, rück¬
sichtslos wieder eingeführt wird. Die Magyaren sollen da, wo sie als
Herren sitzen, ihre gesetzlichen Rechte unversehrt gebrauchen; sie sind durch die
stärksten Bande mit dem deutschen Oestreich verknüpft, jeder materielle Fort¬
schritt, ja ihr Bestand als Volk hängen an dieser Verbrüderung, es gibt
für sie in der That keine Wahl, als in einem fremden slavischen Volksthum
aufgehen, oder als Bundesgenossen mannhaft zu Deutschland halten. Was
aber diesseits der Leitha auf deutschem Boden liegt, muß deutsch sein, im.
Interesse des Gesammtstaates, wie der Völker diesseit und jenseit der Leitha.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/147>, abgerufen am 02.05.2024.