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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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wären unzählige Hemmnisse zu überwinden gewesen. -- Ein vierter Weg ging
über die Tundren, morastige mit Moos bewachsene Flächen zum Eismeer. Leich¬
ter wäre die Flucht Einzelner zu bewerkstelligen gewesen. Wir wußten, daß einige
verschickte Tscherkessen glücklich über den Aralsee und das kaspische Meer in ihre
heimathlichen Gebirge gelangt waren. Die Befreiung Einzelner hätte aber
die härtesten Maßregeln gegen die Zurückgebliebenen zur Folge gehabt; Nie¬
mand wollte die Verantwortung dafür gegen die Kameraden und deren
Frauen auf sich laden. Anders stand es mit Denjenigen, die als Ansiedler
verschickt worden waren und abgesondert von einander lebten; aber auch
hier würde das Entweichen des Einen die grausamsten Folgen für die Uebri-
gen gehabt haben. So blieb Nichts übrig, als sich gehorsam unter das
Gesetz der Nothwendigkeit zu beugen.




Die Norvpolfahrt.

Die beiden Expeditionen, welche diesen Sommer versucht haben nach dem
Nordpol hin vorzudringen, sind in der Hauptsache unverrichteter Sache zu¬
rückgekehrt. Das deutsche Schiff Grönland", von Dr. A. Petermann in
Gotha vermöge einer Art halb-öffentlicher Nationalsammlung ausgerüstet, von
C. Koldewey befehligt, hat die Ostküste Grönlands nicht frei genug von
Eis gefunden, um an ihr entlang nordwärts zu steuern, und ist nach einem
gleichfalls vergeblichen Versuch bei Spitzbergen umgekehrt; seine Reise dauerte
vom 24. Mai, wo es Bergen verließ, bis zum 10. October, an welchem Tage
es festlich eingeholt in Bremerhaven einlief; der höchste nördliche Punkt, welchen
es errreicht hat, war 81° S'. Die schwedische "Sophie", ein Dampfschiff, ist
bis zu 81" 42' vorgedrungen, also nur etwa einen Grad weniger weit, als
Parry, der im Jahre 1827 auf Schlitten 82° 45' > berührte und weiter vor¬
drang als je vorher ein Schiff. Die Absicht indessen, im Eise zu überwintern
und dann im Frühjahr noch weiter nach Norden zu gehen, haben Prof. Nor-
denskjöld und Capt. v. Otter nach erlittenen schweren Beschädigungen ihres
Schiffes aufgeben müssen. Am 4. Juli ausgegangen, hat die "Sophie" am
20. October vor Tromsoe wieder Anker geworfen.

Damit ist jedoch die Sache selbst von den Nationen, welche sich ihrer einmal
bemächtigt haben, so wenig aufgegeben, daß vielmehr in diesem Augenblicke
schon so gut wie feststeht, daß im nächsten Jahre drei Expeditionen ersten Ran¬
ges von den verschiedensten Ausgangspunkten her das ^Unternehmen erneuern
werden. Die Franzosen treten neu in die Linie ein; die Amerikaner knüpfen


wären unzählige Hemmnisse zu überwinden gewesen. — Ein vierter Weg ging
über die Tundren, morastige mit Moos bewachsene Flächen zum Eismeer. Leich¬
ter wäre die Flucht Einzelner zu bewerkstelligen gewesen. Wir wußten, daß einige
verschickte Tscherkessen glücklich über den Aralsee und das kaspische Meer in ihre
heimathlichen Gebirge gelangt waren. Die Befreiung Einzelner hätte aber
die härtesten Maßregeln gegen die Zurückgebliebenen zur Folge gehabt; Nie¬
mand wollte die Verantwortung dafür gegen die Kameraden und deren
Frauen auf sich laden. Anders stand es mit Denjenigen, die als Ansiedler
verschickt worden waren und abgesondert von einander lebten; aber auch
hier würde das Entweichen des Einen die grausamsten Folgen für die Uebri-
gen gehabt haben. So blieb Nichts übrig, als sich gehorsam unter das
Gesetz der Nothwendigkeit zu beugen.




Die Norvpolfahrt.

Die beiden Expeditionen, welche diesen Sommer versucht haben nach dem
Nordpol hin vorzudringen, sind in der Hauptsache unverrichteter Sache zu¬
rückgekehrt. Das deutsche Schiff Grönland", von Dr. A. Petermann in
Gotha vermöge einer Art halb-öffentlicher Nationalsammlung ausgerüstet, von
C. Koldewey befehligt, hat die Ostküste Grönlands nicht frei genug von
Eis gefunden, um an ihr entlang nordwärts zu steuern, und ist nach einem
gleichfalls vergeblichen Versuch bei Spitzbergen umgekehrt; seine Reise dauerte
vom 24. Mai, wo es Bergen verließ, bis zum 10. October, an welchem Tage
es festlich eingeholt in Bremerhaven einlief; der höchste nördliche Punkt, welchen
es errreicht hat, war 81° S'. Die schwedische „Sophie", ein Dampfschiff, ist
bis zu 81" 42' vorgedrungen, also nur etwa einen Grad weniger weit, als
Parry, der im Jahre 1827 auf Schlitten 82° 45' > berührte und weiter vor¬
drang als je vorher ein Schiff. Die Absicht indessen, im Eise zu überwintern
und dann im Frühjahr noch weiter nach Norden zu gehen, haben Prof. Nor-
denskjöld und Capt. v. Otter nach erlittenen schweren Beschädigungen ihres
Schiffes aufgeben müssen. Am 4. Juli ausgegangen, hat die „Sophie" am
20. October vor Tromsoe wieder Anker geworfen.

Damit ist jedoch die Sache selbst von den Nationen, welche sich ihrer einmal
bemächtigt haben, so wenig aufgegeben, daß vielmehr in diesem Augenblicke
schon so gut wie feststeht, daß im nächsten Jahre drei Expeditionen ersten Ran¬
ges von den verschiedensten Ausgangspunkten her das ^Unternehmen erneuern
werden. Die Franzosen treten neu in die Linie ein; die Amerikaner knüpfen


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[0336] wären unzählige Hemmnisse zu überwinden gewesen. — Ein vierter Weg ging über die Tundren, morastige mit Moos bewachsene Flächen zum Eismeer. Leich¬ ter wäre die Flucht Einzelner zu bewerkstelligen gewesen. Wir wußten, daß einige verschickte Tscherkessen glücklich über den Aralsee und das kaspische Meer in ihre heimathlichen Gebirge gelangt waren. Die Befreiung Einzelner hätte aber die härtesten Maßregeln gegen die Zurückgebliebenen zur Folge gehabt; Nie¬ mand wollte die Verantwortung dafür gegen die Kameraden und deren Frauen auf sich laden. Anders stand es mit Denjenigen, die als Ansiedler verschickt worden waren und abgesondert von einander lebten; aber auch hier würde das Entweichen des Einen die grausamsten Folgen für die Uebri- gen gehabt haben. So blieb Nichts übrig, als sich gehorsam unter das Gesetz der Nothwendigkeit zu beugen. Die Norvpolfahrt. Die beiden Expeditionen, welche diesen Sommer versucht haben nach dem Nordpol hin vorzudringen, sind in der Hauptsache unverrichteter Sache zu¬ rückgekehrt. Das deutsche Schiff Grönland", von Dr. A. Petermann in Gotha vermöge einer Art halb-öffentlicher Nationalsammlung ausgerüstet, von C. Koldewey befehligt, hat die Ostküste Grönlands nicht frei genug von Eis gefunden, um an ihr entlang nordwärts zu steuern, und ist nach einem gleichfalls vergeblichen Versuch bei Spitzbergen umgekehrt; seine Reise dauerte vom 24. Mai, wo es Bergen verließ, bis zum 10. October, an welchem Tage es festlich eingeholt in Bremerhaven einlief; der höchste nördliche Punkt, welchen es errreicht hat, war 81° S'. Die schwedische „Sophie", ein Dampfschiff, ist bis zu 81" 42' vorgedrungen, also nur etwa einen Grad weniger weit, als Parry, der im Jahre 1827 auf Schlitten 82° 45' > berührte und weiter vor¬ drang als je vorher ein Schiff. Die Absicht indessen, im Eise zu überwintern und dann im Frühjahr noch weiter nach Norden zu gehen, haben Prof. Nor- denskjöld und Capt. v. Otter nach erlittenen schweren Beschädigungen ihres Schiffes aufgeben müssen. Am 4. Juli ausgegangen, hat die „Sophie" am 20. October vor Tromsoe wieder Anker geworfen. Damit ist jedoch die Sache selbst von den Nationen, welche sich ihrer einmal bemächtigt haben, so wenig aufgegeben, daß vielmehr in diesem Augenblicke schon so gut wie feststeht, daß im nächsten Jahre drei Expeditionen ersten Ran¬ ges von den verschiedensten Ausgangspunkten her das ^Unternehmen erneuern werden. Die Franzosen treten neu in die Linie ein; die Amerikaner knüpfen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/336>, abgerufen am 02.05.2024.