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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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Vom linken Mainufer.

Im Frühjahr d. I. waren, wie durch die Zeitungen bekannt geworden,
die militärischen Verhältnisse Hessen-Darmstadt's zu einer Art Krisis gediehen.
Es handelte sich dabei um die Ausführung der Militärconvention mit Preu¬
ßen und die dadurch bedingte Organisation des Truppencontingents. Von
hessischer Seite suchte man eine möglichst selbständige Stellung der hessischen
Truppen zu gewinnen, während ein entgegengesetzter Einfluß für die Einfügung
derselben in den Rahmen der norddeutschen Armee thätig war. Dieser Gegen¬
satz spitzte sich zu der praktischen Frage zu. welche Bedeutung das hessische
Kriegsministerium künftig in Anspruch zu nehmen habe, dessen Rechte der
damalige Kriegsminister v. Grolmann mit den Räthen seines Ministeriums
zollbreit vertheidigte. Auf der andern Seite stand Prinz Ludwig, der Divi-
sionär der hessischen Truppen, indem er die genaue Durchführung der eonven-
tionsmäßigen Bestimmungen verlangte und damit zugleich die Stellung und
Bedeutung seiner Charge vertheidigte. Die Bedeutung des Kriegsministeriums
konnte nur auf Kosten des Einflusses des Divisionärs erhalten werden.
Weiter aber mußte die Stellung des Prinzen unhaltbar erscheinen, da der¬
selbe zwischen die Ordres der ihm übergeordneten Armeecorpscommandantur
zu Cassel und die Competenzansprüche des hessischen Kriegsministeriums ge¬
klemmt war. Er konnte weder den Befehlen des Einen noch den Rescripten
des Anderen genug thun und entschloß sich die Sache zum Biegen oder Bre¬
chen zu bringen, indem er seine Demission einreichte. An Versuchen ihn zum
Bleiben unter den bisherigen Bedingungen zu bewegen fehlte es natürlich nicht;
namentlich war dies Geschäft dem Bundesfeldherrn von 1866, dem Prinzen
Alexander, zugefallen, der für die hauptsächlichste Vertrauensperson seines
Bruders des Großherzogs gilt. Prinz Ludwig blieb aber fest; es mußte ein
provisorischer Divisionär bestellt werden, der bald in die übelste Lage gerieth.
So kam denn General v. Bonin, der von Preußen mit der Ordnung der ein¬
schlagenden Verhältnisse betraut und nach Darmstadt geschickt wurde, beiden
Theilen gelegen. Unter seiner Vermittlung wurde der obschwebende Conflict
nach Lage der Umstände leidlich geordnet. Der Kriegsminister trat mit sei¬
nen sämmtlichen Räthen ab, nicht ohne daß man ihnen als Schmerzensgeld
eine ansehnliche Gehaltserhöhung bewilligt hätte, der Titel und Orden die
außerdem vertheilt wurden nicht zu gedenken. Prinz Ludwig übernahm von
Neuem das Divisions-Commando. Das Kriegsministertum ward durch
Preußische Beamte neu organisirt, mit den Functionen einer preußischen
Armeecorpsintendantur ausgestattet und mit speciellen Vertrauensmännern


Grenzboten IV. 1868. 45
Vom linken Mainufer.

Im Frühjahr d. I. waren, wie durch die Zeitungen bekannt geworden,
die militärischen Verhältnisse Hessen-Darmstadt's zu einer Art Krisis gediehen.
Es handelte sich dabei um die Ausführung der Militärconvention mit Preu¬
ßen und die dadurch bedingte Organisation des Truppencontingents. Von
hessischer Seite suchte man eine möglichst selbständige Stellung der hessischen
Truppen zu gewinnen, während ein entgegengesetzter Einfluß für die Einfügung
derselben in den Rahmen der norddeutschen Armee thätig war. Dieser Gegen¬
satz spitzte sich zu der praktischen Frage zu. welche Bedeutung das hessische
Kriegsministerium künftig in Anspruch zu nehmen habe, dessen Rechte der
damalige Kriegsminister v. Grolmann mit den Räthen seines Ministeriums
zollbreit vertheidigte. Auf der andern Seite stand Prinz Ludwig, der Divi-
sionär der hessischen Truppen, indem er die genaue Durchführung der eonven-
tionsmäßigen Bestimmungen verlangte und damit zugleich die Stellung und
Bedeutung seiner Charge vertheidigte. Die Bedeutung des Kriegsministeriums
konnte nur auf Kosten des Einflusses des Divisionärs erhalten werden.
Weiter aber mußte die Stellung des Prinzen unhaltbar erscheinen, da der¬
selbe zwischen die Ordres der ihm übergeordneten Armeecorpscommandantur
zu Cassel und die Competenzansprüche des hessischen Kriegsministeriums ge¬
klemmt war. Er konnte weder den Befehlen des Einen noch den Rescripten
des Anderen genug thun und entschloß sich die Sache zum Biegen oder Bre¬
chen zu bringen, indem er seine Demission einreichte. An Versuchen ihn zum
Bleiben unter den bisherigen Bedingungen zu bewegen fehlte es natürlich nicht;
namentlich war dies Geschäft dem Bundesfeldherrn von 1866, dem Prinzen
Alexander, zugefallen, der für die hauptsächlichste Vertrauensperson seines
Bruders des Großherzogs gilt. Prinz Ludwig blieb aber fest; es mußte ein
provisorischer Divisionär bestellt werden, der bald in die übelste Lage gerieth.
So kam denn General v. Bonin, der von Preußen mit der Ordnung der ein¬
schlagenden Verhältnisse betraut und nach Darmstadt geschickt wurde, beiden
Theilen gelegen. Unter seiner Vermittlung wurde der obschwebende Conflict
nach Lage der Umstände leidlich geordnet. Der Kriegsminister trat mit sei¬
nen sämmtlichen Räthen ab, nicht ohne daß man ihnen als Schmerzensgeld
eine ansehnliche Gehaltserhöhung bewilligt hätte, der Titel und Orden die
außerdem vertheilt wurden nicht zu gedenken. Prinz Ludwig übernahm von
Neuem das Divisions-Commando. Das Kriegsministertum ward durch
Preußische Beamte neu organisirt, mit den Functionen einer preußischen
Armeecorpsintendantur ausgestattet und mit speciellen Vertrauensmännern


Grenzboten IV. 1868. 45
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[0379] Vom linken Mainufer. Im Frühjahr d. I. waren, wie durch die Zeitungen bekannt geworden, die militärischen Verhältnisse Hessen-Darmstadt's zu einer Art Krisis gediehen. Es handelte sich dabei um die Ausführung der Militärconvention mit Preu¬ ßen und die dadurch bedingte Organisation des Truppencontingents. Von hessischer Seite suchte man eine möglichst selbständige Stellung der hessischen Truppen zu gewinnen, während ein entgegengesetzter Einfluß für die Einfügung derselben in den Rahmen der norddeutschen Armee thätig war. Dieser Gegen¬ satz spitzte sich zu der praktischen Frage zu. welche Bedeutung das hessische Kriegsministerium künftig in Anspruch zu nehmen habe, dessen Rechte der damalige Kriegsminister v. Grolmann mit den Räthen seines Ministeriums zollbreit vertheidigte. Auf der andern Seite stand Prinz Ludwig, der Divi- sionär der hessischen Truppen, indem er die genaue Durchführung der eonven- tionsmäßigen Bestimmungen verlangte und damit zugleich die Stellung und Bedeutung seiner Charge vertheidigte. Die Bedeutung des Kriegsministeriums konnte nur auf Kosten des Einflusses des Divisionärs erhalten werden. Weiter aber mußte die Stellung des Prinzen unhaltbar erscheinen, da der¬ selbe zwischen die Ordres der ihm übergeordneten Armeecorpscommandantur zu Cassel und die Competenzansprüche des hessischen Kriegsministeriums ge¬ klemmt war. Er konnte weder den Befehlen des Einen noch den Rescripten des Anderen genug thun und entschloß sich die Sache zum Biegen oder Bre¬ chen zu bringen, indem er seine Demission einreichte. An Versuchen ihn zum Bleiben unter den bisherigen Bedingungen zu bewegen fehlte es natürlich nicht; namentlich war dies Geschäft dem Bundesfeldherrn von 1866, dem Prinzen Alexander, zugefallen, der für die hauptsächlichste Vertrauensperson seines Bruders des Großherzogs gilt. Prinz Ludwig blieb aber fest; es mußte ein provisorischer Divisionär bestellt werden, der bald in die übelste Lage gerieth. So kam denn General v. Bonin, der von Preußen mit der Ordnung der ein¬ schlagenden Verhältnisse betraut und nach Darmstadt geschickt wurde, beiden Theilen gelegen. Unter seiner Vermittlung wurde der obschwebende Conflict nach Lage der Umstände leidlich geordnet. Der Kriegsminister trat mit sei¬ nen sämmtlichen Räthen ab, nicht ohne daß man ihnen als Schmerzensgeld eine ansehnliche Gehaltserhöhung bewilligt hätte, der Titel und Orden die außerdem vertheilt wurden nicht zu gedenken. Prinz Ludwig übernahm von Neuem das Divisions-Commando. Das Kriegsministertum ward durch Preußische Beamte neu organisirt, mit den Functionen einer preußischen Armeecorpsintendantur ausgestattet und mit speciellen Vertrauensmännern Grenzboten IV. 1868. 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/379>, abgerufen am 02.05.2024.