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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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steht, daß der Betrag ohne Abzug in Silber zu zahlen sei, so gut kann man
künftig im Drange der Umstände die Steuer verdoppeln oder verdreifachen.
Welchen Eindruck die Sache an der Börse gemacht, darüber könnte Herr
Beust sich nicht besser belehren, als wenn er in der City nachfragte, zu
welchen Bedingungen ein neues östreichisches Anlehen zu schließen sein würde.
Die altbekannte journalistische Emsigkeit des Grafen Beust verdient -- nebenbei
bemerkt -- auch vor dem Rothbuch die kollegiale Anerkennung der deutschen
Zeitungspresse.




Ms den Memoiren eines russischen Belmoriflen:
(Schluß.)

Vorbemerkung. Die unsern Lesern bisher mitgetheilten Fragmente aus
dem Leben eines Genossen der Verschwörung vom I. 1823 reichten bis zu dem
Zeitpunkte der Uebersiedelung der tschitaer Sträflinge in das Gefängniß von
Petrowsk. Die folgenden Schilderungen sind zu ausführlich und gehen in
zu zahlreiche interessante Details, als daß ihr Abdruck innerhalb des engen
Raumes der grünen Blätter möglich wäre. Bei dem Interesse, das die schlichte
und gerade durch ihre ungeschminkte Wahrheit ergreifende Erzählung des
vielgeprüften Mannes bei Denen wachgerufen hat, die ihm gefolgt waren,
haben wir es indessen nicht über uns gewinnen können, die Leser dieser Blät¬
ter bis zum Erscheinen des Memoirenwerks, welches diese Schilderungen ent¬
halten soll*), ohne alle Kunde von den ferneren Geschicken des Dekabri¬
sten zu lassen. Indem wir erwähnen, daß derselbe seit einer Reihe von
Jahren vollständig begnadigt und nach längerem Aufenthalt im Innern
des Reichs in seine Heimath Esthland zurückgekehrt ist, wo er noch gegen¬
wärtig lebt, theilen wir noch zwei Episoden aus der sibirischen Epoche dieses
seltsam gewundenen Lebenslaufes zum Schlüsse mit: Die Uebersiedlung in
das Städtchen Kurgan, wo der Verurtheilte mit seiner Familie als Ansiedler
lebte, und die durch den Thronfolger, jetzigen Kaiser Alexander II. bewirkte
Begnadigung desselben zum Militärdienst im Kaukasus.

Die Zeit rückte heran, wo ich Petrowsk verlassen mußte um angesiedelt
Zu werden; der Termin meiner Zwangsarbeit und damit zugleich mein Ge¬
fängnißleben waren am 11. Juli 1832 zu Ende. Ich wußte, daß die Ver¬
wandten meiner Frau die Regierung gebeten hatten, uns in Kurgan in



") Das vollständige Werk wird unter dem Titel: "Memoiren eines russischen Dekaonsten"
"scheinen.
Grenzboten IV. 1868. 64

steht, daß der Betrag ohne Abzug in Silber zu zahlen sei, so gut kann man
künftig im Drange der Umstände die Steuer verdoppeln oder verdreifachen.
Welchen Eindruck die Sache an der Börse gemacht, darüber könnte Herr
Beust sich nicht besser belehren, als wenn er in der City nachfragte, zu
welchen Bedingungen ein neues östreichisches Anlehen zu schließen sein würde.
Die altbekannte journalistische Emsigkeit des Grafen Beust verdient — nebenbei
bemerkt — auch vor dem Rothbuch die kollegiale Anerkennung der deutschen
Zeitungspresse.




Ms den Memoiren eines russischen Belmoriflen:
(Schluß.)

Vorbemerkung. Die unsern Lesern bisher mitgetheilten Fragmente aus
dem Leben eines Genossen der Verschwörung vom I. 1823 reichten bis zu dem
Zeitpunkte der Uebersiedelung der tschitaer Sträflinge in das Gefängniß von
Petrowsk. Die folgenden Schilderungen sind zu ausführlich und gehen in
zu zahlreiche interessante Details, als daß ihr Abdruck innerhalb des engen
Raumes der grünen Blätter möglich wäre. Bei dem Interesse, das die schlichte
und gerade durch ihre ungeschminkte Wahrheit ergreifende Erzählung des
vielgeprüften Mannes bei Denen wachgerufen hat, die ihm gefolgt waren,
haben wir es indessen nicht über uns gewinnen können, die Leser dieser Blät¬
ter bis zum Erscheinen des Memoirenwerks, welches diese Schilderungen ent¬
halten soll*), ohne alle Kunde von den ferneren Geschicken des Dekabri¬
sten zu lassen. Indem wir erwähnen, daß derselbe seit einer Reihe von
Jahren vollständig begnadigt und nach längerem Aufenthalt im Innern
des Reichs in seine Heimath Esthland zurückgekehrt ist, wo er noch gegen¬
wärtig lebt, theilen wir noch zwei Episoden aus der sibirischen Epoche dieses
seltsam gewundenen Lebenslaufes zum Schlüsse mit: Die Uebersiedlung in
das Städtchen Kurgan, wo der Verurtheilte mit seiner Familie als Ansiedler
lebte, und die durch den Thronfolger, jetzigen Kaiser Alexander II. bewirkte
Begnadigung desselben zum Militärdienst im Kaukasus.

Die Zeit rückte heran, wo ich Petrowsk verlassen mußte um angesiedelt
Zu werden; der Termin meiner Zwangsarbeit und damit zugleich mein Ge¬
fängnißleben waren am 11. Juli 1832 zu Ende. Ich wußte, daß die Ver¬
wandten meiner Frau die Regierung gebeten hatten, uns in Kurgan in



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/455>, abgerufen am 02.05.2024.