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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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treiben derselben gequält habe. Ein einziger Brief nach Leipzig hätte sie mir
ja verschafft. Indeß ist es wirklich eine merkwürdige Begebenheit, daß ---
ein Prinz etwas zurückgibt.

Ich wünschte Sie schon manchen Tag hierher; der Umgang mit Ihnen
würde meine hiesige Existenz noch einmal so schön machen. Auch Ihnen
würde dieser Selbstgenuß wohl thun. Meine Tage verschwinden mir hier
so angenehm, so schnell. Ich werde um den Sommer gekommen sein, ehe
ich mir's denke. Besonders viel gearbeitet wird nicht. Meine Gesellschaft in
Rudolstadt ist so anziehend für mich, daß ich oft ganze Tage darin verliere,
biß mich einer meiner Verleger aus diesem süßen Traum wieder aufpocht.
Gestern habe ich die schönen und ehrwürdigen Ruinen vom Schlosse Planken¬
burg gesehen, die größten die mir noch vorgekommen sind. Es verlohnte
sich wohl der Mühe, eine Zeichnung davon zu machen. Ich wünschte nur
einen Tag hier zuzubringen und mich ganz in die alte Ritterzeit hinein-
zuträumen.

Goethe ist jetzt bei Ihnen.*) Ich bin ungeduldig, ihn zu sehen. Wenige
Sterbliche haben mich noch so interessier. Wenn Sie mir wieder schreiben,
liebster Freund, so bitte ich Sie, mir von Goethe viel zu schreiben. Sprechen
Sie ihn, so sagen Sie ihm alles schöne von meinetwegen, was sich sagen
läßt. Die Iphigenia hat mir wieder einen recht schönen Tag hier gemacht;
obschon ich das Vergnügen, das sie mir gibt, mit der niederschlagenden Em¬
pfindung büßen muß, nie etwas ähnliches hervorbringen zu können.

Ich trage jetzt auch das Gerüste zu einem Stück zusammen und der
Sommer, hoffe ich, soll es vollenden.**) Wird es fertig, wie ich wünsche,
so sehe ich es in Hamburg vielleicht spielen; ich bin stark versucht im Spät¬
jahr dahin zu reisen.

Leben Sie recht wohl und lassen Sie bald etwas von sich hören.


Der Ihrige Schiller.


Eine Finanzreform des vierzehnten Jahrhunderts.

Chroniken der deutschen Städte, 6. Band! Braunschweig I.Band. (Herausgegeben
durch die historische Commission bei der königl. Akademie der Wissenschaften in
Baiern.) Leipzig, S. Hirzel. 1868.

Der vorliegende Band der deutschen Städtechroniken, der sechste der gan-
Zen Sammlung, der ^erste der niedersächsischen Reihe, ist, bis auf das von



") "Goethe ist jetzt in Weimar seit vierzehn Tagen; man findet ihn wenig verändert"
schreibt Schiller an Körner S. Juli 1788/

treiben derselben gequält habe. Ein einziger Brief nach Leipzig hätte sie mir
ja verschafft. Indeß ist es wirklich eine merkwürdige Begebenheit, daß —-
ein Prinz etwas zurückgibt.

Ich wünschte Sie schon manchen Tag hierher; der Umgang mit Ihnen
würde meine hiesige Existenz noch einmal so schön machen. Auch Ihnen
würde dieser Selbstgenuß wohl thun. Meine Tage verschwinden mir hier
so angenehm, so schnell. Ich werde um den Sommer gekommen sein, ehe
ich mir's denke. Besonders viel gearbeitet wird nicht. Meine Gesellschaft in
Rudolstadt ist so anziehend für mich, daß ich oft ganze Tage darin verliere,
biß mich einer meiner Verleger aus diesem süßen Traum wieder aufpocht.
Gestern habe ich die schönen und ehrwürdigen Ruinen vom Schlosse Planken¬
burg gesehen, die größten die mir noch vorgekommen sind. Es verlohnte
sich wohl der Mühe, eine Zeichnung davon zu machen. Ich wünschte nur
einen Tag hier zuzubringen und mich ganz in die alte Ritterzeit hinein-
zuträumen.

Goethe ist jetzt bei Ihnen.*) Ich bin ungeduldig, ihn zu sehen. Wenige
Sterbliche haben mich noch so interessier. Wenn Sie mir wieder schreiben,
liebster Freund, so bitte ich Sie, mir von Goethe viel zu schreiben. Sprechen
Sie ihn, so sagen Sie ihm alles schöne von meinetwegen, was sich sagen
läßt. Die Iphigenia hat mir wieder einen recht schönen Tag hier gemacht;
obschon ich das Vergnügen, das sie mir gibt, mit der niederschlagenden Em¬
pfindung büßen muß, nie etwas ähnliches hervorbringen zu können.

Ich trage jetzt auch das Gerüste zu einem Stück zusammen und der
Sommer, hoffe ich, soll es vollenden.**) Wird es fertig, wie ich wünsche,
so sehe ich es in Hamburg vielleicht spielen; ich bin stark versucht im Spät¬
jahr dahin zu reisen.

Leben Sie recht wohl und lassen Sie bald etwas von sich hören.


Der Ihrige Schiller.


Eine Finanzreform des vierzehnten Jahrhunderts.

Chroniken der deutschen Städte, 6. Band! Braunschweig I.Band. (Herausgegeben
durch die historische Commission bei der königl. Akademie der Wissenschaften in
Baiern.) Leipzig, S. Hirzel. 1868.

Der vorliegende Band der deutschen Städtechroniken, der sechste der gan-
Zen Sammlung, der ^erste der niedersächsischen Reihe, ist, bis auf das von



") „Goethe ist jetzt in Weimar seit vierzehn Tagen; man findet ihn wenig verändert"
schreibt Schiller an Körner S. Juli 1788/
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[0477] treiben derselben gequält habe. Ein einziger Brief nach Leipzig hätte sie mir ja verschafft. Indeß ist es wirklich eine merkwürdige Begebenheit, daß —- ein Prinz etwas zurückgibt. Ich wünschte Sie schon manchen Tag hierher; der Umgang mit Ihnen würde meine hiesige Existenz noch einmal so schön machen. Auch Ihnen würde dieser Selbstgenuß wohl thun. Meine Tage verschwinden mir hier so angenehm, so schnell. Ich werde um den Sommer gekommen sein, ehe ich mir's denke. Besonders viel gearbeitet wird nicht. Meine Gesellschaft in Rudolstadt ist so anziehend für mich, daß ich oft ganze Tage darin verliere, biß mich einer meiner Verleger aus diesem süßen Traum wieder aufpocht. Gestern habe ich die schönen und ehrwürdigen Ruinen vom Schlosse Planken¬ burg gesehen, die größten die mir noch vorgekommen sind. Es verlohnte sich wohl der Mühe, eine Zeichnung davon zu machen. Ich wünschte nur einen Tag hier zuzubringen und mich ganz in die alte Ritterzeit hinein- zuträumen. Goethe ist jetzt bei Ihnen.*) Ich bin ungeduldig, ihn zu sehen. Wenige Sterbliche haben mich noch so interessier. Wenn Sie mir wieder schreiben, liebster Freund, so bitte ich Sie, mir von Goethe viel zu schreiben. Sprechen Sie ihn, so sagen Sie ihm alles schöne von meinetwegen, was sich sagen läßt. Die Iphigenia hat mir wieder einen recht schönen Tag hier gemacht; obschon ich das Vergnügen, das sie mir gibt, mit der niederschlagenden Em¬ pfindung büßen muß, nie etwas ähnliches hervorbringen zu können. Ich trage jetzt auch das Gerüste zu einem Stück zusammen und der Sommer, hoffe ich, soll es vollenden.**) Wird es fertig, wie ich wünsche, so sehe ich es in Hamburg vielleicht spielen; ich bin stark versucht im Spät¬ jahr dahin zu reisen. Leben Sie recht wohl und lassen Sie bald etwas von sich hören. Der Ihrige Schiller. Eine Finanzreform des vierzehnten Jahrhunderts. Chroniken der deutschen Städte, 6. Band! Braunschweig I.Band. (Herausgegeben durch die historische Commission bei der königl. Akademie der Wissenschaften in Baiern.) Leipzig, S. Hirzel. 1868. Der vorliegende Band der deutschen Städtechroniken, der sechste der gan- Zen Sammlung, der ^erste der niedersächsischen Reihe, ist, bis auf das von ") „Goethe ist jetzt in Weimar seit vierzehn Tagen; man findet ihn wenig verändert" schreibt Schiller an Körner S. Juli 1788/

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/477>, abgerufen am 02.05.2024.