Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

Bild:
<< vorherige Seite

station nach dem Jahdebusen überführen. Man vermöchte so ganz außer
dem Bereich der feindlichen Kanonen zu Lande die Flotte auf einen Punkt
zu concentriren. Wir verkennen nicht das Kühne und Ungewöhnliche dieses
Planes; indessen ist die heutige Technik in präciser Bewegung schwerer Massen
so weit vorgeschritten, daß die Schwierigkeiten durchaus nicht unüberwindlich
erscheinen. Es werden ja auch jetzt schon große Panzerfregatten mit voller
Armirung und Ausrüstung vom Boden eiserner Schwimmdocks getragen, und
bei dem angeführten Project vertheilt sich die Last auf so viel Achsen und
Räder bez. Berührungsstellen der letzteren mit den Schienen, daß das Pro¬
ject keineswegs als utopisch zu betrachten ist.




Aus Schleswig^Holstein.

Es traf sich günstig für mich, daß Sie meiner Correspondenz aus dem
September d. I. auf dem Fuße einen Bericht aus Kiel über den Empfang
König Wilhelm's in Schleswig-Holstein folgen lassen konnten. Der mit
Absicht einseitig gewählte Gesichtspunkt, von dem aus ich Ihnen die neue
Ordnung in den Herzogthümern zu charakterisiren versuchte, erhielt dadurch
ausgleichendes Licht. Gerade das ist ja der ideellste und unzerstörbarste Be¬
ruf wahrhaften Königthums, daß es in der Vorstellung der Menschen über
den Kämpfen und Irrungen der Zeit stehend und als Verkörperung der
reinsten und unvergänglichsten Seite des Staats die Interessen der Ver¬
gangenheit wie der Zukunft umfassend die Gegensätze der Gegenwart aus¬
söhnt, den Widerstreit particulären Selbstrechts aufhebt in dem der Ge¬
sammtheit gewährleisteten öffentlichen Frieden. Und König Wilhelm müßte
durch die rein menschlichen Eigenschaften seiner Person, Hoheit, Würde und
Wohlwollen seines Wesens, wie durch ruhmreiche Thaten unter den leben¬
den Fürsten weniger ausgezeichnet sein, hätte er nicht auch in dieser neuen
Provinz durch sein Erscheinen Herzen zu gewinnen und seines Regiments An¬
sehen fester zu begründen gewußt. Nach meinen Eindrücken trat diese
Wirkung noch unendlich lebhafter, als in dem meist konventionellen Prunk
und Auflauf städtischer Begrüßung überall da zu Tage, wo unser Landvolk
heranströmte, um den neuen Landesherrn zu sehen und willkommen zu heißen.
Ist erst die Generation von heute ausgestorben, die den Stachel verübter
oder erlittener Unbillen im Herzen mit verbitterten Gemüth und unruhigem
Gewissen nach Conflicten sucht und von der Feindschaft gegen Preußen lebt,


station nach dem Jahdebusen überführen. Man vermöchte so ganz außer
dem Bereich der feindlichen Kanonen zu Lande die Flotte auf einen Punkt
zu concentriren. Wir verkennen nicht das Kühne und Ungewöhnliche dieses
Planes; indessen ist die heutige Technik in präciser Bewegung schwerer Massen
so weit vorgeschritten, daß die Schwierigkeiten durchaus nicht unüberwindlich
erscheinen. Es werden ja auch jetzt schon große Panzerfregatten mit voller
Armirung und Ausrüstung vom Boden eiserner Schwimmdocks getragen, und
bei dem angeführten Project vertheilt sich die Last auf so viel Achsen und
Räder bez. Berührungsstellen der letzteren mit den Schienen, daß das Pro¬
ject keineswegs als utopisch zu betrachten ist.




Aus Schleswig^Holstein.

Es traf sich günstig für mich, daß Sie meiner Correspondenz aus dem
September d. I. auf dem Fuße einen Bericht aus Kiel über den Empfang
König Wilhelm's in Schleswig-Holstein folgen lassen konnten. Der mit
Absicht einseitig gewählte Gesichtspunkt, von dem aus ich Ihnen die neue
Ordnung in den Herzogthümern zu charakterisiren versuchte, erhielt dadurch
ausgleichendes Licht. Gerade das ist ja der ideellste und unzerstörbarste Be¬
ruf wahrhaften Königthums, daß es in der Vorstellung der Menschen über
den Kämpfen und Irrungen der Zeit stehend und als Verkörperung der
reinsten und unvergänglichsten Seite des Staats die Interessen der Ver¬
gangenheit wie der Zukunft umfassend die Gegensätze der Gegenwart aus¬
söhnt, den Widerstreit particulären Selbstrechts aufhebt in dem der Ge¬
sammtheit gewährleisteten öffentlichen Frieden. Und König Wilhelm müßte
durch die rein menschlichen Eigenschaften seiner Person, Hoheit, Würde und
Wohlwollen seines Wesens, wie durch ruhmreiche Thaten unter den leben¬
den Fürsten weniger ausgezeichnet sein, hätte er nicht auch in dieser neuen
Provinz durch sein Erscheinen Herzen zu gewinnen und seines Regiments An¬
sehen fester zu begründen gewußt. Nach meinen Eindrücken trat diese
Wirkung noch unendlich lebhafter, als in dem meist konventionellen Prunk
und Auflauf städtischer Begrüßung überall da zu Tage, wo unser Landvolk
heranströmte, um den neuen Landesherrn zu sehen und willkommen zu heißen.
Ist erst die Generation von heute ausgestorben, die den Stachel verübter
oder erlittener Unbillen im Herzen mit verbitterten Gemüth und unruhigem
Gewissen nach Conflicten sucht und von der Feindschaft gegen Preußen lebt,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287770"/>
            <p xml:id="ID_1265" prev="#ID_1264"> station nach dem Jahdebusen überführen. Man vermöchte so ganz außer<lb/>
dem Bereich der feindlichen Kanonen zu Lande die Flotte auf einen Punkt<lb/>
zu concentriren. Wir verkennen nicht das Kühne und Ungewöhnliche dieses<lb/>
Planes; indessen ist die heutige Technik in präciser Bewegung schwerer Massen<lb/>
so weit vorgeschritten, daß die Schwierigkeiten durchaus nicht unüberwindlich<lb/>
erscheinen. Es werden ja auch jetzt schon große Panzerfregatten mit voller<lb/>
Armirung und Ausrüstung vom Boden eiserner Schwimmdocks getragen, und<lb/>
bei dem angeführten Project vertheilt sich die Last auf so viel Achsen und<lb/>
Räder bez. Berührungsstellen der letzteren mit den Schienen, daß das Pro¬<lb/>
ject keineswegs als utopisch zu betrachten ist.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aus Schleswig^Holstein.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1266" next="#ID_1267"> Es traf sich günstig für mich, daß Sie meiner Correspondenz aus dem<lb/>
September d. I. auf dem Fuße einen Bericht aus Kiel über den Empfang<lb/>
König Wilhelm's in Schleswig-Holstein folgen lassen konnten. Der mit<lb/>
Absicht einseitig gewählte Gesichtspunkt, von dem aus ich Ihnen die neue<lb/>
Ordnung in den Herzogthümern zu charakterisiren versuchte, erhielt dadurch<lb/>
ausgleichendes Licht. Gerade das ist ja der ideellste und unzerstörbarste Be¬<lb/>
ruf wahrhaften Königthums, daß es in der Vorstellung der Menschen über<lb/>
den Kämpfen und Irrungen der Zeit stehend und als Verkörperung der<lb/>
reinsten und unvergänglichsten Seite des Staats die Interessen der Ver¬<lb/>
gangenheit wie der Zukunft umfassend die Gegensätze der Gegenwart aus¬<lb/>
söhnt, den Widerstreit particulären Selbstrechts aufhebt in dem der Ge¬<lb/>
sammtheit gewährleisteten öffentlichen Frieden. Und König Wilhelm müßte<lb/>
durch die rein menschlichen Eigenschaften seiner Person, Hoheit, Würde und<lb/>
Wohlwollen seines Wesens, wie durch ruhmreiche Thaten unter den leben¬<lb/>
den Fürsten weniger ausgezeichnet sein, hätte er nicht auch in dieser neuen<lb/>
Provinz durch sein Erscheinen Herzen zu gewinnen und seines Regiments An¬<lb/>
sehen fester zu begründen gewußt. Nach meinen Eindrücken trat diese<lb/>
Wirkung noch unendlich lebhafter, als in dem meist konventionellen Prunk<lb/>
und Auflauf städtischer Begrüßung überall da zu Tage, wo unser Landvolk<lb/>
heranströmte, um den neuen Landesherrn zu sehen und willkommen zu heißen.<lb/>
Ist erst die Generation von heute ausgestorben, die den Stachel verübter<lb/>
oder erlittener Unbillen im Herzen mit verbitterten Gemüth und unruhigem<lb/>
Gewissen nach Conflicten sucht und von der Feindschaft gegen Preußen lebt,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0498] station nach dem Jahdebusen überführen. Man vermöchte so ganz außer dem Bereich der feindlichen Kanonen zu Lande die Flotte auf einen Punkt zu concentriren. Wir verkennen nicht das Kühne und Ungewöhnliche dieses Planes; indessen ist die heutige Technik in präciser Bewegung schwerer Massen so weit vorgeschritten, daß die Schwierigkeiten durchaus nicht unüberwindlich erscheinen. Es werden ja auch jetzt schon große Panzerfregatten mit voller Armirung und Ausrüstung vom Boden eiserner Schwimmdocks getragen, und bei dem angeführten Project vertheilt sich die Last auf so viel Achsen und Räder bez. Berührungsstellen der letzteren mit den Schienen, daß das Pro¬ ject keineswegs als utopisch zu betrachten ist. Aus Schleswig^Holstein. Es traf sich günstig für mich, daß Sie meiner Correspondenz aus dem September d. I. auf dem Fuße einen Bericht aus Kiel über den Empfang König Wilhelm's in Schleswig-Holstein folgen lassen konnten. Der mit Absicht einseitig gewählte Gesichtspunkt, von dem aus ich Ihnen die neue Ordnung in den Herzogthümern zu charakterisiren versuchte, erhielt dadurch ausgleichendes Licht. Gerade das ist ja der ideellste und unzerstörbarste Be¬ ruf wahrhaften Königthums, daß es in der Vorstellung der Menschen über den Kämpfen und Irrungen der Zeit stehend und als Verkörperung der reinsten und unvergänglichsten Seite des Staats die Interessen der Ver¬ gangenheit wie der Zukunft umfassend die Gegensätze der Gegenwart aus¬ söhnt, den Widerstreit particulären Selbstrechts aufhebt in dem der Ge¬ sammtheit gewährleisteten öffentlichen Frieden. Und König Wilhelm müßte durch die rein menschlichen Eigenschaften seiner Person, Hoheit, Würde und Wohlwollen seines Wesens, wie durch ruhmreiche Thaten unter den leben¬ den Fürsten weniger ausgezeichnet sein, hätte er nicht auch in dieser neuen Provinz durch sein Erscheinen Herzen zu gewinnen und seines Regiments An¬ sehen fester zu begründen gewußt. Nach meinen Eindrücken trat diese Wirkung noch unendlich lebhafter, als in dem meist konventionellen Prunk und Auflauf städtischer Begrüßung überall da zu Tage, wo unser Landvolk heranströmte, um den neuen Landesherrn zu sehen und willkommen zu heißen. Ist erst die Generation von heute ausgestorben, die den Stachel verübter oder erlittener Unbillen im Herzen mit verbitterten Gemüth und unruhigem Gewissen nach Conflicten sucht und von der Feindschaft gegen Preußen lebt,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/498
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/498>, abgerufen am 02.05.2024.