Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zwischen den Gesandten von Siena und Genua, und zwischen diesen und dem
Gesandten des Herzogs von Ferrara zu den ärgerlichsten Scenen führte. Das
Volk sucht seine einzige Entschädigung für den dumpfen Druck, unter dem es
lebt, in den glanzvollen Festen, welche von den Fürsten veranstaltet werden,
und zu denen die Künste wetteifernd mitwirken. Auch diese, wie die Litera¬
tur, gehen einem raschen Verfall entgegen. schmeichlerische Geschichten, Re¬
den, Gedichte feiern den Unterdrücker Italiens. Es war die Zeit, da Pierro
von Arezzo sein Talent zu den unverschämtesten Brandschatzungen mißbrauchte,
da Benvenuto Cellini sagte: ich diene dem, der mich zahlt, da Paul Jovius,
U?le er sich ausdrückt, eine silberne und eine goldene Feder führte, um sein
Lob nach den Geschenken, die er erhielt, zu bemessen, und selbst ein Tizian
darauf stolz war, sich in der kaiserlichen Gnade zu sonnen. Zwei Jahrhun¬
derte lag von nun an der Fluch der spanischen Herrschaft auf Italien, ein
Vermächtniß zurücklassend, das heute noch der gefährlichste Feind des National-
staats ist.


W. Lang.


Die Meliorationsgenossenschaft der docker Haide.

In Frankreich kann sich das Genossenschaftswesen vorzugsweise historischer
Würde und mittelalterlichen Ursprungs rühmen. Die älteren Genossenschaften
dieses Landes hielten sich aber durchaus in den Grenzen des ländlichen
Arbeitsgebiets, wohin die Bewegung der neuesten Zeit seitdem weder in
England noch Frankreich vorgedrungen ist.

Es waren nämlich im 15. Jahrhundert im mittleren Frankreich viele
Tausende von bäuerlichen Genossenschaften und Meliorationsgesellschasten vor¬
handen. Ja es gab eine Zeit, wo sie geradezu die Regel, die überwiegende
Form bildeten. Sie bestanden aus Vereinen von je zwanzig bis hundert
Hausvätern, welche den Landbau gemeinsam betrieben und den Ertrag desselben
dann nach Bedürfniß, zum Unterhalt der Genossen verwendeten. Doch diese
Wirthschaften geriethen allmälig in Verfall und kamen in fremde Hände.
In irgend bemerkenswerther Anzahl, doch nur weit zerstreut erhielten sich
einzelne Genossenschaften noch bis gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts,
zuletzt nur noch als alterthümliche Merkwürdigkeiten, mit denen die Revo¬
lution gründlich aufräumte.

Bei dem revolutionären Ausbruch von 1848, war das franz. Volk
mit Keimen aller Art, und zum Theil mit solchen, welche zu lebens-


zwischen den Gesandten von Siena und Genua, und zwischen diesen und dem
Gesandten des Herzogs von Ferrara zu den ärgerlichsten Scenen führte. Das
Volk sucht seine einzige Entschädigung für den dumpfen Druck, unter dem es
lebt, in den glanzvollen Festen, welche von den Fürsten veranstaltet werden,
und zu denen die Künste wetteifernd mitwirken. Auch diese, wie die Litera¬
tur, gehen einem raschen Verfall entgegen. schmeichlerische Geschichten, Re¬
den, Gedichte feiern den Unterdrücker Italiens. Es war die Zeit, da Pierro
von Arezzo sein Talent zu den unverschämtesten Brandschatzungen mißbrauchte,
da Benvenuto Cellini sagte: ich diene dem, der mich zahlt, da Paul Jovius,
U?le er sich ausdrückt, eine silberne und eine goldene Feder führte, um sein
Lob nach den Geschenken, die er erhielt, zu bemessen, und selbst ein Tizian
darauf stolz war, sich in der kaiserlichen Gnade zu sonnen. Zwei Jahrhun¬
derte lag von nun an der Fluch der spanischen Herrschaft auf Italien, ein
Vermächtniß zurücklassend, das heute noch der gefährlichste Feind des National-
staats ist.


W. Lang.


Die Meliorationsgenossenschaft der docker Haide.

In Frankreich kann sich das Genossenschaftswesen vorzugsweise historischer
Würde und mittelalterlichen Ursprungs rühmen. Die älteren Genossenschaften
dieses Landes hielten sich aber durchaus in den Grenzen des ländlichen
Arbeitsgebiets, wohin die Bewegung der neuesten Zeit seitdem weder in
England noch Frankreich vorgedrungen ist.

Es waren nämlich im 15. Jahrhundert im mittleren Frankreich viele
Tausende von bäuerlichen Genossenschaften und Meliorationsgesellschasten vor¬
handen. Ja es gab eine Zeit, wo sie geradezu die Regel, die überwiegende
Form bildeten. Sie bestanden aus Vereinen von je zwanzig bis hundert
Hausvätern, welche den Landbau gemeinsam betrieben und den Ertrag desselben
dann nach Bedürfniß, zum Unterhalt der Genossen verwendeten. Doch diese
Wirthschaften geriethen allmälig in Verfall und kamen in fremde Hände.
In irgend bemerkenswerther Anzahl, doch nur weit zerstreut erhielten sich
einzelne Genossenschaften noch bis gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts,
zuletzt nur noch als alterthümliche Merkwürdigkeiten, mit denen die Revo¬
lution gründlich aufräumte.

Bei dem revolutionären Ausbruch von 1848, war das franz. Volk
mit Keimen aller Art, und zum Theil mit solchen, welche zu lebens-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120511"/>
          <p xml:id="ID_914" prev="#ID_913"> zwischen den Gesandten von Siena und Genua, und zwischen diesen und dem<lb/>
Gesandten des Herzogs von Ferrara zu den ärgerlichsten Scenen führte. Das<lb/>
Volk sucht seine einzige Entschädigung für den dumpfen Druck, unter dem es<lb/>
lebt, in den glanzvollen Festen, welche von den Fürsten veranstaltet werden,<lb/>
und zu denen die Künste wetteifernd mitwirken. Auch diese, wie die Litera¬<lb/>
tur, gehen einem raschen Verfall entgegen. schmeichlerische Geschichten, Re¬<lb/>
den, Gedichte feiern den Unterdrücker Italiens. Es war die Zeit, da Pierro<lb/>
von Arezzo sein Talent zu den unverschämtesten Brandschatzungen mißbrauchte,<lb/>
da Benvenuto Cellini sagte: ich diene dem, der mich zahlt, da Paul Jovius,<lb/>
U?le er sich ausdrückt, eine silberne und eine goldene Feder führte, um sein<lb/>
Lob nach den Geschenken, die er erhielt, zu bemessen, und selbst ein Tizian<lb/>
darauf stolz war, sich in der kaiserlichen Gnade zu sonnen. Zwei Jahrhun¬<lb/>
derte lag von nun an der Fluch der spanischen Herrschaft auf Italien, ein<lb/>
Vermächtniß zurücklassend, das heute noch der gefährlichste Feind des National-<lb/>
staats ist.</p><lb/>
          <note type="byline"> W. Lang.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Meliorationsgenossenschaft der docker Haide.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_915"> In Frankreich kann sich das Genossenschaftswesen vorzugsweise historischer<lb/>
Würde und mittelalterlichen Ursprungs rühmen. Die älteren Genossenschaften<lb/>
dieses Landes hielten sich aber durchaus in den Grenzen des ländlichen<lb/>
Arbeitsgebiets, wohin die Bewegung der neuesten Zeit seitdem weder in<lb/>
England noch Frankreich vorgedrungen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_916"> Es waren nämlich im 15. Jahrhundert im mittleren Frankreich viele<lb/>
Tausende von bäuerlichen Genossenschaften und Meliorationsgesellschasten vor¬<lb/>
handen. Ja es gab eine Zeit, wo sie geradezu die Regel, die überwiegende<lb/>
Form bildeten. Sie bestanden aus Vereinen von je zwanzig bis hundert<lb/>
Hausvätern, welche den Landbau gemeinsam betrieben und den Ertrag desselben<lb/>
dann nach Bedürfniß, zum Unterhalt der Genossen verwendeten. Doch diese<lb/>
Wirthschaften geriethen allmälig in Verfall und kamen in fremde Hände.<lb/>
In irgend bemerkenswerther Anzahl, doch nur weit zerstreut erhielten sich<lb/>
einzelne Genossenschaften noch bis gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts,<lb/>
zuletzt nur noch als alterthümliche Merkwürdigkeiten, mit denen die Revo¬<lb/>
lution gründlich aufräumte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_917" next="#ID_918"> Bei dem revolutionären Ausbruch von 1848, war das franz. Volk<lb/>
mit Keimen aller Art, und zum Theil mit solchen, welche zu lebens-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0322] zwischen den Gesandten von Siena und Genua, und zwischen diesen und dem Gesandten des Herzogs von Ferrara zu den ärgerlichsten Scenen führte. Das Volk sucht seine einzige Entschädigung für den dumpfen Druck, unter dem es lebt, in den glanzvollen Festen, welche von den Fürsten veranstaltet werden, und zu denen die Künste wetteifernd mitwirken. Auch diese, wie die Litera¬ tur, gehen einem raschen Verfall entgegen. schmeichlerische Geschichten, Re¬ den, Gedichte feiern den Unterdrücker Italiens. Es war die Zeit, da Pierro von Arezzo sein Talent zu den unverschämtesten Brandschatzungen mißbrauchte, da Benvenuto Cellini sagte: ich diene dem, der mich zahlt, da Paul Jovius, U?le er sich ausdrückt, eine silberne und eine goldene Feder führte, um sein Lob nach den Geschenken, die er erhielt, zu bemessen, und selbst ein Tizian darauf stolz war, sich in der kaiserlichen Gnade zu sonnen. Zwei Jahrhun¬ derte lag von nun an der Fluch der spanischen Herrschaft auf Italien, ein Vermächtniß zurücklassend, das heute noch der gefährlichste Feind des National- staats ist. W. Lang. Die Meliorationsgenossenschaft der docker Haide. In Frankreich kann sich das Genossenschaftswesen vorzugsweise historischer Würde und mittelalterlichen Ursprungs rühmen. Die älteren Genossenschaften dieses Landes hielten sich aber durchaus in den Grenzen des ländlichen Arbeitsgebiets, wohin die Bewegung der neuesten Zeit seitdem weder in England noch Frankreich vorgedrungen ist. Es waren nämlich im 15. Jahrhundert im mittleren Frankreich viele Tausende von bäuerlichen Genossenschaften und Meliorationsgesellschasten vor¬ handen. Ja es gab eine Zeit, wo sie geradezu die Regel, die überwiegende Form bildeten. Sie bestanden aus Vereinen von je zwanzig bis hundert Hausvätern, welche den Landbau gemeinsam betrieben und den Ertrag desselben dann nach Bedürfniß, zum Unterhalt der Genossen verwendeten. Doch diese Wirthschaften geriethen allmälig in Verfall und kamen in fremde Hände. In irgend bemerkenswerther Anzahl, doch nur weit zerstreut erhielten sich einzelne Genossenschaften noch bis gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts, zuletzt nur noch als alterthümliche Merkwürdigkeiten, mit denen die Revo¬ lution gründlich aufräumte. Bei dem revolutionären Ausbruch von 1848, war das franz. Volk mit Keimen aller Art, und zum Theil mit solchen, welche zu lebens-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/322
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/322>, abgerufen am 03.05.2024.