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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Altona. das Lebensbedürfniß nachweisen kann, unter das freistädtische Regi¬
ment ohne weitere Klausel unterzutreten, so ist vom liberalen und vom
nationalen Standpunkte vernünftiger Weise der Wunsch nur bestens zu
fördern. Im Uebrigen gilt für das ganze westliche Holstein in der Sprache
des Volks Hamburg schon längst als "die Stadt" -""r^o/^, neben der weder
Altona, noch ein anderer Ort als zur Führung dieses stolzen Namens legi-
timirt erachtet wird. Holstein wird demnach schließlich Nichts vermissen,
wenn Altona, was es thatsächlich bereits ist, auch rechtlich wird -- eine
Vorstadt der Freien und Hansestadt Hamburg.




Hessische Zustünde.

Zu derselben Stunde wo der Reichstag des norddeutschen Bundes von
dem Bundespräsidenten wieder eröffnet wurde, fand in der Ständekammer
des kleinen Landes Hessen eine Verhandlung statt, welche, so bezeichnend sie
auch für die Verhältnisse ist. in denen dieses Land sich befindet, doch der
Kleinheit des Landes wegen wenig auswärts bekannt werden wird. Wenn
eine Stadt, wie Kassel einen Director für ihre Schule wählt, den das
Ministerium von Muster trotz seiner Tüchtigkeit nicht bestätigen will, so
erhebt sich mit Recht ein allgemeiner Schrei der Entrüstung, der stark genug
ist, auch dieses Ministerium zur nachgäbe zu bewegen; wenn aber in Offen-
bach aus den Mitteln der Stadt eine höhere Mädchenschule gegründet wird
und diese nun bereits seit sechzehn Jahren nicht zur definitiven Gestaltung
gelangen kann, weil das Ministerium Dalwigk einem Standesherrn, welcher
nichts zur Fundirung der Schule gethan hat, ein von sämmtlichen berichten-
den Behörden und früher vom Ministerium selbst als unbegründet erklärtes
Präsentationsrecht gewähren will, gegen das sich die Stadt mit aller Kraft
wehrt, so geht diese Ungeheuerlichkeit spurlos vorüber für das weitere
Vaterland, weil man sich um die Leiden des kleinen Landes wenig kümmert.
Und doch ist die Sache von nicht geringer Wichtigkeit zur Kennzeichnung
unserer Zustände.

Die Stadt Offenbach gehörte bekanntlich zu dem Fürstenthum Jsenburg-
Birstein, dessen Fürsten, so lange sie noch reichsunmittelbar waren, die Be.
Setzung der Schulstellen in ihrem Lande ausübten. Als die Fürsten mediati-


Altona. das Lebensbedürfniß nachweisen kann, unter das freistädtische Regi¬
ment ohne weitere Klausel unterzutreten, so ist vom liberalen und vom
nationalen Standpunkte vernünftiger Weise der Wunsch nur bestens zu
fördern. Im Uebrigen gilt für das ganze westliche Holstein in der Sprache
des Volks Hamburg schon längst als „die Stadt" -««r^o/^, neben der weder
Altona, noch ein anderer Ort als zur Führung dieses stolzen Namens legi-
timirt erachtet wird. Holstein wird demnach schließlich Nichts vermissen,
wenn Altona, was es thatsächlich bereits ist, auch rechtlich wird — eine
Vorstadt der Freien und Hansestadt Hamburg.




Hessische Zustünde.

Zu derselben Stunde wo der Reichstag des norddeutschen Bundes von
dem Bundespräsidenten wieder eröffnet wurde, fand in der Ständekammer
des kleinen Landes Hessen eine Verhandlung statt, welche, so bezeichnend sie
auch für die Verhältnisse ist. in denen dieses Land sich befindet, doch der
Kleinheit des Landes wegen wenig auswärts bekannt werden wird. Wenn
eine Stadt, wie Kassel einen Director für ihre Schule wählt, den das
Ministerium von Muster trotz seiner Tüchtigkeit nicht bestätigen will, so
erhebt sich mit Recht ein allgemeiner Schrei der Entrüstung, der stark genug
ist, auch dieses Ministerium zur nachgäbe zu bewegen; wenn aber in Offen-
bach aus den Mitteln der Stadt eine höhere Mädchenschule gegründet wird
und diese nun bereits seit sechzehn Jahren nicht zur definitiven Gestaltung
gelangen kann, weil das Ministerium Dalwigk einem Standesherrn, welcher
nichts zur Fundirung der Schule gethan hat, ein von sämmtlichen berichten-
den Behörden und früher vom Ministerium selbst als unbegründet erklärtes
Präsentationsrecht gewähren will, gegen das sich die Stadt mit aller Kraft
wehrt, so geht diese Ungeheuerlichkeit spurlos vorüber für das weitere
Vaterland, weil man sich um die Leiden des kleinen Landes wenig kümmert.
Und doch ist die Sache von nicht geringer Wichtigkeit zur Kennzeichnung
unserer Zustände.

Die Stadt Offenbach gehörte bekanntlich zu dem Fürstenthum Jsenburg-
Birstein, dessen Fürsten, so lange sie noch reichsunmittelbar waren, die Be.
Setzung der Schulstellen in ihrem Lande ausübten. Als die Fürsten mediati-


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[0458] Altona. das Lebensbedürfniß nachweisen kann, unter das freistädtische Regi¬ ment ohne weitere Klausel unterzutreten, so ist vom liberalen und vom nationalen Standpunkte vernünftiger Weise der Wunsch nur bestens zu fördern. Im Uebrigen gilt für das ganze westliche Holstein in der Sprache des Volks Hamburg schon längst als „die Stadt" -««r^o/^, neben der weder Altona, noch ein anderer Ort als zur Führung dieses stolzen Namens legi- timirt erachtet wird. Holstein wird demnach schließlich Nichts vermissen, wenn Altona, was es thatsächlich bereits ist, auch rechtlich wird — eine Vorstadt der Freien und Hansestadt Hamburg. Hessische Zustünde. Zu derselben Stunde wo der Reichstag des norddeutschen Bundes von dem Bundespräsidenten wieder eröffnet wurde, fand in der Ständekammer des kleinen Landes Hessen eine Verhandlung statt, welche, so bezeichnend sie auch für die Verhältnisse ist. in denen dieses Land sich befindet, doch der Kleinheit des Landes wegen wenig auswärts bekannt werden wird. Wenn eine Stadt, wie Kassel einen Director für ihre Schule wählt, den das Ministerium von Muster trotz seiner Tüchtigkeit nicht bestätigen will, so erhebt sich mit Recht ein allgemeiner Schrei der Entrüstung, der stark genug ist, auch dieses Ministerium zur nachgäbe zu bewegen; wenn aber in Offen- bach aus den Mitteln der Stadt eine höhere Mädchenschule gegründet wird und diese nun bereits seit sechzehn Jahren nicht zur definitiven Gestaltung gelangen kann, weil das Ministerium Dalwigk einem Standesherrn, welcher nichts zur Fundirung der Schule gethan hat, ein von sämmtlichen berichten- den Behörden und früher vom Ministerium selbst als unbegründet erklärtes Präsentationsrecht gewähren will, gegen das sich die Stadt mit aller Kraft wehrt, so geht diese Ungeheuerlichkeit spurlos vorüber für das weitere Vaterland, weil man sich um die Leiden des kleinen Landes wenig kümmert. Und doch ist die Sache von nicht geringer Wichtigkeit zur Kennzeichnung unserer Zustände. Die Stadt Offenbach gehörte bekanntlich zu dem Fürstenthum Jsenburg- Birstein, dessen Fürsten, so lange sie noch reichsunmittelbar waren, die Be. Setzung der Schulstellen in ihrem Lande ausübten. Als die Fürsten mediati-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/458>, abgerufen am 03.05.2024.