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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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noch groß genug sind. Jeder Partei ist nur ein Anwalt gestattet, dem ein
reiches Honorar bezahlt wird, vielleicht 100 Guineen in der ersten Instanz
und 15 Guineen für jeden Tag der Verhandlungen; ferner kommen in Be¬
tracht die Honorirung von Advocaten, Geometern, Journalisten, die beträcht¬
lichen Jnsertionskosten und manche andere derartige Ausgaben; die Techniker
erhalten für ihre Gutachten sehr reiche Bezahlung von 50 bis zu 300 Guineen
und dazu kommt eine ganze Schaar anderer Sachverständiger, die alle reich¬
lich bedacht werden müssen. Die Hauptkosten aber erwachsen vor der er¬
wählten Commission. Die Verhandlungen dauern etwa 40 oder 50 Tage;
eine Gesellschaft muß durch drei oder vier Anwälte vertreten sein, von denen
jeder den Tag 15 Guineen erhält, so lange die Verhandlungen dauern,
und außerdem ein sehr hohes Honorar, z. B. der erste Anwalt bisweilen
500 Guineen. Ferner müssen die Techniker und die anderen hinzugezogenen
Sachverständigen und eine Menge anderer Personen bezahlt werden, sodaß
sich manchmal die Kosten auf 100,000 Pfd. sert. belaufen, ehe noch eine Elle
der Bahn gebaut, ein Fuß Land exvropriirt ist. --




Literatur.
Politische Geschichte der Gegenwart von Wilhelm Müller, Prof. II. Das Jahr
1868. Berlin, I. Springer. 1869.

Der zweite Jahrgang des bereits in diesen Blättern besprochenen Werks: die
Anlage ist dieselbe geblieben. In sachgemäßer übersichtlicher Weise sind die Ereignisse
des Jahres 1868. deutsche und nichtdeutsche, zusammengestellt. Es ist eine fort¬
laufende Erzählung, frisch, bewegt, nicht in der objectiven Ruhe eigentlichen Geschichts¬
schreibung, die bei so unmittelbar nahestehenden Vorgängen nur eine affectirte sein
könnte, vielmehr mit der lebendigen Theilnahme, die der Deutsche an der forschreiten¬
den Entwickelung seines Vaterlandes nimmt. Denn die deutschen Ereignisse stehen
auch diesmal im Vordergrund des Interesses und sind mit besonderer Sorgfalt be¬
handelt; ebenso die wirthschaftliche Tätigkeit des norddeutschen Reichstags und der
Verlauf des ersten Zvllparlaments, wie die Verhältnisse der süddeutschen Staaten.
Insbesondere ist der Bewegung der öffentlichen Meinung in Süddeutschland ein großer
Raum gegönnt und z. B. die Agitation bei den Zollparlamentswahlen durch Wider¬
auffrischung der bemerkenswerthesten Actenstücke aus jener Zeit in verdienter, Weise
dem Urtheil der Geschichte überliefert. Es ist damit Süddeutschland von einem
Süddeutschen selbst ein scharfgcschliffener Spiegel vorgehalten, in welchen zu blicken
nicht eben erfreulich, aber um so heilsamer ist. Aus Anlaß der Veröffentlichung
der Usedomschen Note sind auch die diplomatischen Vorgänge des Jahres 1866
nach den bekannten Enthüllungen in den Kreis der Erzählung gezogen. Diese fort¬
laufende Revue, die zugleich bequem zum Nachschlagen eingerichtet ist, wird sich


noch groß genug sind. Jeder Partei ist nur ein Anwalt gestattet, dem ein
reiches Honorar bezahlt wird, vielleicht 100 Guineen in der ersten Instanz
und 15 Guineen für jeden Tag der Verhandlungen; ferner kommen in Be¬
tracht die Honorirung von Advocaten, Geometern, Journalisten, die beträcht¬
lichen Jnsertionskosten und manche andere derartige Ausgaben; die Techniker
erhalten für ihre Gutachten sehr reiche Bezahlung von 50 bis zu 300 Guineen
und dazu kommt eine ganze Schaar anderer Sachverständiger, die alle reich¬
lich bedacht werden müssen. Die Hauptkosten aber erwachsen vor der er¬
wählten Commission. Die Verhandlungen dauern etwa 40 oder 50 Tage;
eine Gesellschaft muß durch drei oder vier Anwälte vertreten sein, von denen
jeder den Tag 15 Guineen erhält, so lange die Verhandlungen dauern,
und außerdem ein sehr hohes Honorar, z. B. der erste Anwalt bisweilen
500 Guineen. Ferner müssen die Techniker und die anderen hinzugezogenen
Sachverständigen und eine Menge anderer Personen bezahlt werden, sodaß
sich manchmal die Kosten auf 100,000 Pfd. sert. belaufen, ehe noch eine Elle
der Bahn gebaut, ein Fuß Land exvropriirt ist. —




Literatur.
Politische Geschichte der Gegenwart von Wilhelm Müller, Prof. II. Das Jahr
1868. Berlin, I. Springer. 1869.

Der zweite Jahrgang des bereits in diesen Blättern besprochenen Werks: die
Anlage ist dieselbe geblieben. In sachgemäßer übersichtlicher Weise sind die Ereignisse
des Jahres 1868. deutsche und nichtdeutsche, zusammengestellt. Es ist eine fort¬
laufende Erzählung, frisch, bewegt, nicht in der objectiven Ruhe eigentlichen Geschichts¬
schreibung, die bei so unmittelbar nahestehenden Vorgängen nur eine affectirte sein
könnte, vielmehr mit der lebendigen Theilnahme, die der Deutsche an der forschreiten¬
den Entwickelung seines Vaterlandes nimmt. Denn die deutschen Ereignisse stehen
auch diesmal im Vordergrund des Interesses und sind mit besonderer Sorgfalt be¬
handelt; ebenso die wirthschaftliche Tätigkeit des norddeutschen Reichstags und der
Verlauf des ersten Zvllparlaments, wie die Verhältnisse der süddeutschen Staaten.
Insbesondere ist der Bewegung der öffentlichen Meinung in Süddeutschland ein großer
Raum gegönnt und z. B. die Agitation bei den Zollparlamentswahlen durch Wider¬
auffrischung der bemerkenswerthesten Actenstücke aus jener Zeit in verdienter, Weise
dem Urtheil der Geschichte überliefert. Es ist damit Süddeutschland von einem
Süddeutschen selbst ein scharfgcschliffener Spiegel vorgehalten, in welchen zu blicken
nicht eben erfreulich, aber um so heilsamer ist. Aus Anlaß der Veröffentlichung
der Usedomschen Note sind auch die diplomatischen Vorgänge des Jahres 1866
nach den bekannten Enthüllungen in den Kreis der Erzählung gezogen. Diese fort¬
laufende Revue, die zugleich bequem zum Nachschlagen eingerichtet ist, wird sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/45>, abgerufen am 04.05.2024.