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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Der Volkswirtschaftliche Congreß.

Der Congreß deutscher Volkswirthe war, bevor er sich diesmal (1- 4.
September) in Mainz versammelte, von den süddeutschen Radicalen in die
Acht erklärt worden. Man mußte sich demnach -- da die Herren Carl Mayer
und Julius Frese in Volkswirthschaft augenscheinlich nie gemacht haben --
auf die Abwesenheit des Herrn Leopold Sonnemann gesaßt halten; und in
der That, er blieb aus. Sonst sind von dem Anathema weiter keine bösen
Einflüsse verspürt worden. Wenn es überhaupt irgend eine Wirkung ge¬
than hat, so mag es die gewesen sein, daß verhältnißmäßig wenige Mainzer,
nur einige dreißig nämlich, sich in die Liste des Congresses haben eintragen
lassen. Aber Niemand, der jemals einer Wanderversammlung mit wachen
Sinnen beigewohnt hat. wird dies für einen Gegenstand der Condolenz an¬
sehen. Nicht zu starke örtliche und möglichst starke anderweitige Betheiligung
sind immer die beiden herrschenden Wünsche der Unternehmer.

So war es denn diesmal. Die Theilnahme von auswärts war quanti¬
tativ bedeutend, und qualitativ ist sie kaum je früher gleich bedeutend ge¬
wesen. Während von den alten Trägern des Congresses neben dem ver¬
storbenen unvergeßlichen Lette eigentlich nur Michaelis fehlte, stieß zu ihnen
ein Contingent von ErstlingSbesuchern, wie man es sich nicht feiner und viel¬
seitiger hätte auslesen können. Da waren Gneist, Ludwig Bamberger.
W. Löwe. v. Hennig, Stephani, Weigel von den Berliner Parlamenten,
serner H. B. Oppenheim, und Laster, wenigstens auf der Durchreise; Ab¬
gesandte der englischen Regierung, Mr. Morier in Darmstadt, und der nor¬
wegischen, Herr Eilert Sünde aus Christiania; Maurice Block aus Paris,
;zu junger russischer Wirthschaftsgelehrter Namens Messojedow u. f. f. Eine
andere auffällige Verstärkung zeigte sich auf den Bänken, wo die Damen
des Congresses Platz zu nehmen pflegen. Der Ort, die Jahreszeit,-die gute
Gelegenheit zu einer kleinen vorausgehenden oder nachfolgenden Rheinreise
mögen daran 'dren Antheil gehabt haben. Aber trotz des schönen Wetters
schwärmten diese nur geduldeten, nicht aufgeforderten, wenn auch allgemein
sehr gern gesehenen Mitglieder keineswegs im Freien umher, während die
Männer tagten; sie waren vielmehr fast seßhafter als diese, schon weil das
anstoßende Frühstückszimmer für sie weniger Anziehungskraft besaß, und
fühlten sich durch Festbankett, Ball, Rheinfahrt nach Rüdesheim, vielleicht
auch durch die zwischenein erfolgende Verlobung eines Breslauers mit einer
-- Breslauerin (auf Reisen thaut man so viel leichter auf) hinlänglich be¬
lohnt. Wann wird der Congreß aber seinerseits den Cavalier spielen, und
die Frauenfrage auf die Tagesordnung setzen? -- wann wird er Damen


Der Volkswirtschaftliche Congreß.

Der Congreß deutscher Volkswirthe war, bevor er sich diesmal (1- 4.
September) in Mainz versammelte, von den süddeutschen Radicalen in die
Acht erklärt worden. Man mußte sich demnach — da die Herren Carl Mayer
und Julius Frese in Volkswirthschaft augenscheinlich nie gemacht haben —
auf die Abwesenheit des Herrn Leopold Sonnemann gesaßt halten; und in
der That, er blieb aus. Sonst sind von dem Anathema weiter keine bösen
Einflüsse verspürt worden. Wenn es überhaupt irgend eine Wirkung ge¬
than hat, so mag es die gewesen sein, daß verhältnißmäßig wenige Mainzer,
nur einige dreißig nämlich, sich in die Liste des Congresses haben eintragen
lassen. Aber Niemand, der jemals einer Wanderversammlung mit wachen
Sinnen beigewohnt hat. wird dies für einen Gegenstand der Condolenz an¬
sehen. Nicht zu starke örtliche und möglichst starke anderweitige Betheiligung
sind immer die beiden herrschenden Wünsche der Unternehmer.

So war es denn diesmal. Die Theilnahme von auswärts war quanti¬
tativ bedeutend, und qualitativ ist sie kaum je früher gleich bedeutend ge¬
wesen. Während von den alten Trägern des Congresses neben dem ver¬
storbenen unvergeßlichen Lette eigentlich nur Michaelis fehlte, stieß zu ihnen
ein Contingent von ErstlingSbesuchern, wie man es sich nicht feiner und viel¬
seitiger hätte auslesen können. Da waren Gneist, Ludwig Bamberger.
W. Löwe. v. Hennig, Stephani, Weigel von den Berliner Parlamenten,
serner H. B. Oppenheim, und Laster, wenigstens auf der Durchreise; Ab¬
gesandte der englischen Regierung, Mr. Morier in Darmstadt, und der nor¬
wegischen, Herr Eilert Sünde aus Christiania; Maurice Block aus Paris,
;zu junger russischer Wirthschaftsgelehrter Namens Messojedow u. f. f. Eine
andere auffällige Verstärkung zeigte sich auf den Bänken, wo die Damen
des Congresses Platz zu nehmen pflegen. Der Ort, die Jahreszeit,-die gute
Gelegenheit zu einer kleinen vorausgehenden oder nachfolgenden Rheinreise
mögen daran 'dren Antheil gehabt haben. Aber trotz des schönen Wetters
schwärmten diese nur geduldeten, nicht aufgeforderten, wenn auch allgemein
sehr gern gesehenen Mitglieder keineswegs im Freien umher, während die
Männer tagten; sie waren vielmehr fast seßhafter als diese, schon weil das
anstoßende Frühstückszimmer für sie weniger Anziehungskraft besaß, und
fühlten sich durch Festbankett, Ball, Rheinfahrt nach Rüdesheim, vielleicht
auch durch die zwischenein erfolgende Verlobung eines Breslauers mit einer
— Breslauerin (auf Reisen thaut man so viel leichter auf) hinlänglich be¬
lohnt. Wann wird der Congreß aber seinerseits den Cavalier spielen, und
die Frauenfrage auf die Tagesordnung setzen? — wann wird er Damen


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[0470] Der Volkswirtschaftliche Congreß. Der Congreß deutscher Volkswirthe war, bevor er sich diesmal (1- 4. September) in Mainz versammelte, von den süddeutschen Radicalen in die Acht erklärt worden. Man mußte sich demnach — da die Herren Carl Mayer und Julius Frese in Volkswirthschaft augenscheinlich nie gemacht haben — auf die Abwesenheit des Herrn Leopold Sonnemann gesaßt halten; und in der That, er blieb aus. Sonst sind von dem Anathema weiter keine bösen Einflüsse verspürt worden. Wenn es überhaupt irgend eine Wirkung ge¬ than hat, so mag es die gewesen sein, daß verhältnißmäßig wenige Mainzer, nur einige dreißig nämlich, sich in die Liste des Congresses haben eintragen lassen. Aber Niemand, der jemals einer Wanderversammlung mit wachen Sinnen beigewohnt hat. wird dies für einen Gegenstand der Condolenz an¬ sehen. Nicht zu starke örtliche und möglichst starke anderweitige Betheiligung sind immer die beiden herrschenden Wünsche der Unternehmer. So war es denn diesmal. Die Theilnahme von auswärts war quanti¬ tativ bedeutend, und qualitativ ist sie kaum je früher gleich bedeutend ge¬ wesen. Während von den alten Trägern des Congresses neben dem ver¬ storbenen unvergeßlichen Lette eigentlich nur Michaelis fehlte, stieß zu ihnen ein Contingent von ErstlingSbesuchern, wie man es sich nicht feiner und viel¬ seitiger hätte auslesen können. Da waren Gneist, Ludwig Bamberger. W. Löwe. v. Hennig, Stephani, Weigel von den Berliner Parlamenten, serner H. B. Oppenheim, und Laster, wenigstens auf der Durchreise; Ab¬ gesandte der englischen Regierung, Mr. Morier in Darmstadt, und der nor¬ wegischen, Herr Eilert Sünde aus Christiania; Maurice Block aus Paris, ;zu junger russischer Wirthschaftsgelehrter Namens Messojedow u. f. f. Eine andere auffällige Verstärkung zeigte sich auf den Bänken, wo die Damen des Congresses Platz zu nehmen pflegen. Der Ort, die Jahreszeit,-die gute Gelegenheit zu einer kleinen vorausgehenden oder nachfolgenden Rheinreise mögen daran 'dren Antheil gehabt haben. Aber trotz des schönen Wetters schwärmten diese nur geduldeten, nicht aufgeforderten, wenn auch allgemein sehr gern gesehenen Mitglieder keineswegs im Freien umher, während die Männer tagten; sie waren vielmehr fast seßhafter als diese, schon weil das anstoßende Frühstückszimmer für sie weniger Anziehungskraft besaß, und fühlten sich durch Festbankett, Ball, Rheinfahrt nach Rüdesheim, vielleicht auch durch die zwischenein erfolgende Verlobung eines Breslauers mit einer — Breslauerin (auf Reisen thaut man so viel leichter auf) hinlänglich be¬ lohnt. Wann wird der Congreß aber seinerseits den Cavalier spielen, und die Frauenfrage auf die Tagesordnung setzen? — wann wird er Damen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/470>, abgerufen am 04.05.2024.