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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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für sie fruchtbringenden Zeitschrift Benfey's "Orient und Occident", ihr Organ
verloren hat und zurückgegangen ist, eine neue, heilsame Anregung ge¬
geben hat.




Brei Briefe von Joh. Heinr. Voß.

Als die kurpfälzischen Lande auf dem rechten Rheinufer im Jahre 1803
an Baden kamen, war es eine der ersten Bemühungen des neuen Kurfürsten
Carl Friedrich, für die Universität Heidelberg, die unter der Regierung der
letzten pfälz-bairischen Fürsten von ihrer früheren Höhe tief herabgesunken
war, neue und bedeutende Lehrkräfte zu gewinnen.

Während die Einladungen zur Besitznahme verschiedener Lehrstühle nach
allen Richtungen ausgingen, geschah es, daß im September 1804 Joh.
Heinr. Voß durch Carlsruhe reiste und sich dort einige Tage aufhielt.

Durch zwei Briefe Hebel's, des alemannischen Sängers, der trotz so
Vielem, was sie unterschied, doch .als Dichter und Mensch gar manche Aehn-
lichkeit mit dem Dichter der "Luise" besaß, ist uns über diesen Aufenthalt
Einiges überliefert*). Wir erfahren auf diese Weise, daß er sich gern in
dem Drechsler'schen Kaffeehause aufhielt, wo sich damals die gebildeten
Männer Carlsruhes versammelten und dort in behaglichem Zwiegespräch ihr
gewohntes Pfeiflein rauchten. Er mußte auch einige Feste über sich ergehen
lassen, Gedichte und Lorbeerkränze entgegennehmen; "er wurde hier sehr ge¬
ehrt", erzählt Hebel, "blieb aber immer ruhig und fast gleichgültig dabey,
als ob's ihm nicht gälte, und aß Trauben, nach wie vor."

Einer seiner Söhne studirte schon seit längerer Zeit bei Wein brenn er,
der damals, noch nicht allzu lange aus Italien heimgekehrt, großen Ansehens
genoß, die Baukunst. "Voß selbst", erzählt Hebel weiter, "wollte in Heidel¬
berg seine Wohnung aufschlagen und da privatistren. So leicht und sicher
wäre er auch noch zu etwas mehr zu haben gewesen, wenn ein besserer Stern
als das Liäus Rotlinoilimum über Heidelberg stünde, jetzt kommt er, als
Director des philosophischen Seminarii nach Wirzburg,"

Das geschah nun aber nicht; der von der bairischen Regierung erlassene
Schulplan schreckte ihn zurück. Dagegen wurden im Jahre 180S von der
badischen Negierung Verhandlungen mit ihm angeknüpft, die noch im Laufe
dieses Jahres seinen Umzug nach Heidelberg zur Folge hatten. Er ging



Becker, I. P. Hebel, Band 1860. S, 169-171 (Näßlin) Briefe von Joh. Pet. Hebel
an einen Freund. Mannheim 1860. S, 14,

für sie fruchtbringenden Zeitschrift Benfey's „Orient und Occident", ihr Organ
verloren hat und zurückgegangen ist, eine neue, heilsame Anregung ge¬
geben hat.




Brei Briefe von Joh. Heinr. Voß.

Als die kurpfälzischen Lande auf dem rechten Rheinufer im Jahre 1803
an Baden kamen, war es eine der ersten Bemühungen des neuen Kurfürsten
Carl Friedrich, für die Universität Heidelberg, die unter der Regierung der
letzten pfälz-bairischen Fürsten von ihrer früheren Höhe tief herabgesunken
war, neue und bedeutende Lehrkräfte zu gewinnen.

Während die Einladungen zur Besitznahme verschiedener Lehrstühle nach
allen Richtungen ausgingen, geschah es, daß im September 1804 Joh.
Heinr. Voß durch Carlsruhe reiste und sich dort einige Tage aufhielt.

Durch zwei Briefe Hebel's, des alemannischen Sängers, der trotz so
Vielem, was sie unterschied, doch .als Dichter und Mensch gar manche Aehn-
lichkeit mit dem Dichter der „Luise" besaß, ist uns über diesen Aufenthalt
Einiges überliefert*). Wir erfahren auf diese Weise, daß er sich gern in
dem Drechsler'schen Kaffeehause aufhielt, wo sich damals die gebildeten
Männer Carlsruhes versammelten und dort in behaglichem Zwiegespräch ihr
gewohntes Pfeiflein rauchten. Er mußte auch einige Feste über sich ergehen
lassen, Gedichte und Lorbeerkränze entgegennehmen; „er wurde hier sehr ge¬
ehrt", erzählt Hebel, „blieb aber immer ruhig und fast gleichgültig dabey,
als ob's ihm nicht gälte, und aß Trauben, nach wie vor."

Einer seiner Söhne studirte schon seit längerer Zeit bei Wein brenn er,
der damals, noch nicht allzu lange aus Italien heimgekehrt, großen Ansehens
genoß, die Baukunst. „Voß selbst", erzählt Hebel weiter, „wollte in Heidel¬
berg seine Wohnung aufschlagen und da privatistren. So leicht und sicher
wäre er auch noch zu etwas mehr zu haben gewesen, wenn ein besserer Stern
als das Liäus Rotlinoilimum über Heidelberg stünde, jetzt kommt er, als
Director des philosophischen Seminarii nach Wirzburg,"

Das geschah nun aber nicht; der von der bairischen Regierung erlassene
Schulplan schreckte ihn zurück. Dagegen wurden im Jahre 180S von der
badischen Negierung Verhandlungen mit ihm angeknüpft, die noch im Laufe
dieses Jahres seinen Umzug nach Heidelberg zur Folge hatten. Er ging



Becker, I. P. Hebel, Band 1860. S, 169-171 (Näßlin) Briefe von Joh. Pet. Hebel
an einen Freund. Mannheim 1860. S, 14,
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[0116] für sie fruchtbringenden Zeitschrift Benfey's „Orient und Occident", ihr Organ verloren hat und zurückgegangen ist, eine neue, heilsame Anregung ge¬ geben hat. Brei Briefe von Joh. Heinr. Voß. Als die kurpfälzischen Lande auf dem rechten Rheinufer im Jahre 1803 an Baden kamen, war es eine der ersten Bemühungen des neuen Kurfürsten Carl Friedrich, für die Universität Heidelberg, die unter der Regierung der letzten pfälz-bairischen Fürsten von ihrer früheren Höhe tief herabgesunken war, neue und bedeutende Lehrkräfte zu gewinnen. Während die Einladungen zur Besitznahme verschiedener Lehrstühle nach allen Richtungen ausgingen, geschah es, daß im September 1804 Joh. Heinr. Voß durch Carlsruhe reiste und sich dort einige Tage aufhielt. Durch zwei Briefe Hebel's, des alemannischen Sängers, der trotz so Vielem, was sie unterschied, doch .als Dichter und Mensch gar manche Aehn- lichkeit mit dem Dichter der „Luise" besaß, ist uns über diesen Aufenthalt Einiges überliefert*). Wir erfahren auf diese Weise, daß er sich gern in dem Drechsler'schen Kaffeehause aufhielt, wo sich damals die gebildeten Männer Carlsruhes versammelten und dort in behaglichem Zwiegespräch ihr gewohntes Pfeiflein rauchten. Er mußte auch einige Feste über sich ergehen lassen, Gedichte und Lorbeerkränze entgegennehmen; „er wurde hier sehr ge¬ ehrt", erzählt Hebel, „blieb aber immer ruhig und fast gleichgültig dabey, als ob's ihm nicht gälte, und aß Trauben, nach wie vor." Einer seiner Söhne studirte schon seit längerer Zeit bei Wein brenn er, der damals, noch nicht allzu lange aus Italien heimgekehrt, großen Ansehens genoß, die Baukunst. „Voß selbst", erzählt Hebel weiter, „wollte in Heidel¬ berg seine Wohnung aufschlagen und da privatistren. So leicht und sicher wäre er auch noch zu etwas mehr zu haben gewesen, wenn ein besserer Stern als das Liäus Rotlinoilimum über Heidelberg stünde, jetzt kommt er, als Director des philosophischen Seminarii nach Wirzburg," Das geschah nun aber nicht; der von der bairischen Regierung erlassene Schulplan schreckte ihn zurück. Dagegen wurden im Jahre 180S von der badischen Negierung Verhandlungen mit ihm angeknüpft, die noch im Laufe dieses Jahres seinen Umzug nach Heidelberg zur Folge hatten. Er ging Becker, I. P. Hebel, Band 1860. S, 169-171 (Näßlin) Briefe von Joh. Pet. Hebel an einen Freund. Mannheim 1860. S, 14,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/116>, abgerufen am 27.04.2024.