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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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dorthin, "in amtloser Mitwirkung für die erneuete Universität", wie er in
seiner kurzen Selbstbiographie sagt und dann hinzufügt, daß er sich da "ver¬
jüngte zu Eutinischer Heiterkeit*)." Ueber seine Berufung nach Heidelberg
geben die nachstehenden drei Briefe, deren Originale in meinem Besitze sind,
näheren Aufschluß. Der erste ist an Weinbrenner, der zweite und dritte an
den Geh. Res. Hofer, dem das Unterrichtswesen unterstand, gerichtet.
Carlsruhe, October 1869.


Fr. v. Weech.
1.

Sie haben mir, theuerster Weinbrenner, durch meinen Sohn eine bal¬
dige Antwort auf meinen Brief, und, was mich bestürzt machte, eine gnä¬
dige Beilage des erhabenen Churfürsten angekündigt. Seit dem fühle ich
mich, wie von Schwungfedern, aus meiner ländlichen Bachgasse noch dem
schönen und milderen Heidelberg, dem neu aufblühenden Size der Gelehrsam¬
keit, fortgetragen; und ich wandle im Geist auf den Spuren der unsterb¬
lichen Männer, welche vor 200 Jahren Heidelberg durch Deutschland und
durch das ganze gebildete Europa verherrlichten. Zwar unfähig in die Zahl
der akademischen Lehrer gezählt zu werden, möchte ich dennoch mit Rath,
mit Ermunterung des edleren Anwachses, mit gutem Beispiele, nicht unnüz
meinen Plaz füllen; wenigstens war man hier so gütig, mir dergleichen Nuz-
barkeit zuzutraun. Schon um die Augen der Welt anzulocken, so sagt der
Politiker, und das politische Göttingen bezeugts, muß eine neue Akademie, wie
ein neues Gebäude, ein wenig Blankes vom Giebel Herscheinen lassen; wenn
auch übrigens kein sonderlicher Werth an dem Schimmer ist. Wird jemand,
der in der Achtung eines redlichen Liebhabers der Wissenschaft steht, als
solcher am Size der Gelehrsamkeit ausgezeichnet; so hält man die Wissen¬
schaft selbst für geehrt. Auswärtige drängen heran; und der Einheimische
wird von etwas edleren, als der Aussicht auf Versorgung, von inniger
Liebe zu der Wissenschaft selbst, gehoben. Ohne einige Aushängezeichem
bleibt eine auch würdig besezte Akademie, wie z. B. Helmstädt, in der Dun¬
kelheit.

Sehn Sie, mein Freund, was schwärmerische Sehnsucht vermag! Er,
der von Natur kein Geck ist. verliert sich an die Grenze der Ruhmredigkeit.
Zurück, mein ehmals bescheidener Geist!

Lieber sage dem biederen Manne, daß ich schon dadurch mich verdient
machen kann, wenn ich seine Ideen über die großen Alten aus ihm heraus-



*) Paulus, Lebens - und Todeskunden über I. H> Boß. Heidelberg 1826. S. 32.

dorthin, „in amtloser Mitwirkung für die erneuete Universität", wie er in
seiner kurzen Selbstbiographie sagt und dann hinzufügt, daß er sich da „ver¬
jüngte zu Eutinischer Heiterkeit*)." Ueber seine Berufung nach Heidelberg
geben die nachstehenden drei Briefe, deren Originale in meinem Besitze sind,
näheren Aufschluß. Der erste ist an Weinbrenner, der zweite und dritte an
den Geh. Res. Hofer, dem das Unterrichtswesen unterstand, gerichtet.
Carlsruhe, October 1869.


Fr. v. Weech.
1.

Sie haben mir, theuerster Weinbrenner, durch meinen Sohn eine bal¬
dige Antwort auf meinen Brief, und, was mich bestürzt machte, eine gnä¬
dige Beilage des erhabenen Churfürsten angekündigt. Seit dem fühle ich
mich, wie von Schwungfedern, aus meiner ländlichen Bachgasse noch dem
schönen und milderen Heidelberg, dem neu aufblühenden Size der Gelehrsam¬
keit, fortgetragen; und ich wandle im Geist auf den Spuren der unsterb¬
lichen Männer, welche vor 200 Jahren Heidelberg durch Deutschland und
durch das ganze gebildete Europa verherrlichten. Zwar unfähig in die Zahl
der akademischen Lehrer gezählt zu werden, möchte ich dennoch mit Rath,
mit Ermunterung des edleren Anwachses, mit gutem Beispiele, nicht unnüz
meinen Plaz füllen; wenigstens war man hier so gütig, mir dergleichen Nuz-
barkeit zuzutraun. Schon um die Augen der Welt anzulocken, so sagt der
Politiker, und das politische Göttingen bezeugts, muß eine neue Akademie, wie
ein neues Gebäude, ein wenig Blankes vom Giebel Herscheinen lassen; wenn
auch übrigens kein sonderlicher Werth an dem Schimmer ist. Wird jemand,
der in der Achtung eines redlichen Liebhabers der Wissenschaft steht, als
solcher am Size der Gelehrsamkeit ausgezeichnet; so hält man die Wissen¬
schaft selbst für geehrt. Auswärtige drängen heran; und der Einheimische
wird von etwas edleren, als der Aussicht auf Versorgung, von inniger
Liebe zu der Wissenschaft selbst, gehoben. Ohne einige Aushängezeichem
bleibt eine auch würdig besezte Akademie, wie z. B. Helmstädt, in der Dun¬
kelheit.

Sehn Sie, mein Freund, was schwärmerische Sehnsucht vermag! Er,
der von Natur kein Geck ist. verliert sich an die Grenze der Ruhmredigkeit.
Zurück, mein ehmals bescheidener Geist!

Lieber sage dem biederen Manne, daß ich schon dadurch mich verdient
machen kann, wenn ich seine Ideen über die großen Alten aus ihm heraus-



*) Paulus, Lebens - und Todeskunden über I. H> Boß. Heidelberg 1826. S. 32.
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[0117] dorthin, „in amtloser Mitwirkung für die erneuete Universität", wie er in seiner kurzen Selbstbiographie sagt und dann hinzufügt, daß er sich da „ver¬ jüngte zu Eutinischer Heiterkeit*)." Ueber seine Berufung nach Heidelberg geben die nachstehenden drei Briefe, deren Originale in meinem Besitze sind, näheren Aufschluß. Der erste ist an Weinbrenner, der zweite und dritte an den Geh. Res. Hofer, dem das Unterrichtswesen unterstand, gerichtet. Carlsruhe, October 1869. Fr. v. Weech. 1. Sie haben mir, theuerster Weinbrenner, durch meinen Sohn eine bal¬ dige Antwort auf meinen Brief, und, was mich bestürzt machte, eine gnä¬ dige Beilage des erhabenen Churfürsten angekündigt. Seit dem fühle ich mich, wie von Schwungfedern, aus meiner ländlichen Bachgasse noch dem schönen und milderen Heidelberg, dem neu aufblühenden Size der Gelehrsam¬ keit, fortgetragen; und ich wandle im Geist auf den Spuren der unsterb¬ lichen Männer, welche vor 200 Jahren Heidelberg durch Deutschland und durch das ganze gebildete Europa verherrlichten. Zwar unfähig in die Zahl der akademischen Lehrer gezählt zu werden, möchte ich dennoch mit Rath, mit Ermunterung des edleren Anwachses, mit gutem Beispiele, nicht unnüz meinen Plaz füllen; wenigstens war man hier so gütig, mir dergleichen Nuz- barkeit zuzutraun. Schon um die Augen der Welt anzulocken, so sagt der Politiker, und das politische Göttingen bezeugts, muß eine neue Akademie, wie ein neues Gebäude, ein wenig Blankes vom Giebel Herscheinen lassen; wenn auch übrigens kein sonderlicher Werth an dem Schimmer ist. Wird jemand, der in der Achtung eines redlichen Liebhabers der Wissenschaft steht, als solcher am Size der Gelehrsamkeit ausgezeichnet; so hält man die Wissen¬ schaft selbst für geehrt. Auswärtige drängen heran; und der Einheimische wird von etwas edleren, als der Aussicht auf Versorgung, von inniger Liebe zu der Wissenschaft selbst, gehoben. Ohne einige Aushängezeichem bleibt eine auch würdig besezte Akademie, wie z. B. Helmstädt, in der Dun¬ kelheit. Sehn Sie, mein Freund, was schwärmerische Sehnsucht vermag! Er, der von Natur kein Geck ist. verliert sich an die Grenze der Ruhmredigkeit. Zurück, mein ehmals bescheidener Geist! Lieber sage dem biederen Manne, daß ich schon dadurch mich verdient machen kann, wenn ich seine Ideen über die großen Alten aus ihm heraus- *) Paulus, Lebens - und Todeskunden über I. H> Boß. Heidelberg 1826. S. 32.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/117>, abgerufen am 27.04.2024.