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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Correspcmden? aus Oestreich.

"Ich habe mich längst darnach gesehnt, Eure Majestät auf österreichischem
Boden begrüßen zu können", ließen die Zeitungen den Kronprinzen von
Preußen bei der ersten Begegnung mit dem Kaiser sagen. Die Worte werden
wohl ein wenig anders gelautet haben und ebenso kann nur ein Mißver¬
ständniß die Nachricht in Umlauf gesetzt haben, zur Unterhaltung des Gastes
sei auch eine große -- Parade beabsichtigt gewesen. Für so kopflos oder so
mechant darf man auch einen Hofbeamten nicht halten, daß er einen Beifall
nur äußere, welcher unter den bestehenden Verhältnissen beide Theile hätte in
Verlegenheit bringen müssen. Im Gegentheil läßt sich sagen, daß bei der
möglicherweise recht wichtigen Zusammenkunft von beiden Seiten die würdig¬
sten angemessenen Formen beobachtet wurden. Den beiderseitigen Wunsch
nach Wiederherstellung besserer Beziehungen konnte und sollte man wahrneh¬
men, aber es wurde vermieden, eine Cordialität zu zeigen, welche denn doch noch
nicht vorhanden sein kann. Und darum machte das Ganze einen besseren
Eindruck, als nach der vorausgegangenen Stimmung im Publikum erwartet
werden konnte. Denn so sehr ein verständiges Einvernehmen zwischen beiden
Mächten längst ersehnt wurde, so ekelhaft allen unabhängigen Leuten das
Gekläff und Genörgel der Osficiösen an der Donau wie an der Spree war,
mit so viel Mißtrauen man die große Politik des Grasen Beust verfolgte:
die endliche Anbahnung der aufrichtigen Verständigung erfolgt unter Um¬
ständen, welche wieder die Befriedigung nicht recht gedeihen lassen. Das
Band, welches die Furcht vor einer Revolution in Frankreich und die Sorge
um die Erhaltung der bonapartischen Dynastie um die Herrscherfamilien
schlingt, sei es nun dauerhaft oder nicht, ist nicht nach dem Geschmack der
Völker, gewiß nicht der Oestreicher. welche für die Heilige Allianz die
Kosten fast ganz allein zahlen mußten und noch immer zahlen, da sie fort
und fort als die schändlichen Anstifter alles Bösen, die Preußen nur als die
unschuldigen Verführten dargestellt werden. Zudem sind die feurigen Umar¬
mungen von 1864 und 1863 noch bei Jedermann in zu lebhaftem An¬
denken.

Natürlicherweise werden die literarischen Trabanten der Depossedirten
nicht müde, zu predigen, daß Freundschaft mit Preußen nun und nimmer--
mehr etwas anderes bedeuten könne, als Erwürgung unserer "jungen Frei¬
heit", neue blutige und kostspielige Kriege mit obligatem preußischen Verrath.
Welche Purzelbäume jene legitimistischen Republikaner oder revolutionären
Legitimisten zum Besten geben, das grenzt an das Unglaubliche. Wie in


Grenzboten IV. 18os- 15
Correspcmden? aus Oestreich.

„Ich habe mich längst darnach gesehnt, Eure Majestät auf österreichischem
Boden begrüßen zu können", ließen die Zeitungen den Kronprinzen von
Preußen bei der ersten Begegnung mit dem Kaiser sagen. Die Worte werden
wohl ein wenig anders gelautet haben und ebenso kann nur ein Mißver¬
ständniß die Nachricht in Umlauf gesetzt haben, zur Unterhaltung des Gastes
sei auch eine große — Parade beabsichtigt gewesen. Für so kopflos oder so
mechant darf man auch einen Hofbeamten nicht halten, daß er einen Beifall
nur äußere, welcher unter den bestehenden Verhältnissen beide Theile hätte in
Verlegenheit bringen müssen. Im Gegentheil läßt sich sagen, daß bei der
möglicherweise recht wichtigen Zusammenkunft von beiden Seiten die würdig¬
sten angemessenen Formen beobachtet wurden. Den beiderseitigen Wunsch
nach Wiederherstellung besserer Beziehungen konnte und sollte man wahrneh¬
men, aber es wurde vermieden, eine Cordialität zu zeigen, welche denn doch noch
nicht vorhanden sein kann. Und darum machte das Ganze einen besseren
Eindruck, als nach der vorausgegangenen Stimmung im Publikum erwartet
werden konnte. Denn so sehr ein verständiges Einvernehmen zwischen beiden
Mächten längst ersehnt wurde, so ekelhaft allen unabhängigen Leuten das
Gekläff und Genörgel der Osficiösen an der Donau wie an der Spree war,
mit so viel Mißtrauen man die große Politik des Grasen Beust verfolgte:
die endliche Anbahnung der aufrichtigen Verständigung erfolgt unter Um¬
ständen, welche wieder die Befriedigung nicht recht gedeihen lassen. Das
Band, welches die Furcht vor einer Revolution in Frankreich und die Sorge
um die Erhaltung der bonapartischen Dynastie um die Herrscherfamilien
schlingt, sei es nun dauerhaft oder nicht, ist nicht nach dem Geschmack der
Völker, gewiß nicht der Oestreicher. welche für die Heilige Allianz die
Kosten fast ganz allein zahlen mußten und noch immer zahlen, da sie fort
und fort als die schändlichen Anstifter alles Bösen, die Preußen nur als die
unschuldigen Verführten dargestellt werden. Zudem sind die feurigen Umar¬
mungen von 1864 und 1863 noch bei Jedermann in zu lebhaftem An¬
denken.

Natürlicherweise werden die literarischen Trabanten der Depossedirten
nicht müde, zu predigen, daß Freundschaft mit Preußen nun und nimmer--
mehr etwas anderes bedeuten könne, als Erwürgung unserer „jungen Frei¬
heit", neue blutige und kostspielige Kriege mit obligatem preußischen Verrath.
Welche Purzelbäume jene legitimistischen Republikaner oder revolutionären
Legitimisten zum Besten geben, das grenzt an das Unglaubliche. Wie in


Grenzboten IV. 18os- 15
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/121>, abgerufen am 27.04.2024.