Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und der Gewinn kommt dem Ganzen zu, das ja nicht auf andere Weise als
durch freiwillige Handreichung der einzelnen noch fehlenden Glieder aufgebaut
werden soll.




Ein Zeitgenosse Zulius Cäsars.

Es ist eine überraschende Erscheinung der römischen Geschichte, daß in
den alten patricischen nicht minder als den früh in die Nobilitätsaristokratie
aufgenommenen Plebejergeschlechtern staatsmännische Befähigung oder mili¬
tärische Tüchtigkeit sich Jahrhunderte hindurch von Generation zu Generation
auf die Träger des edlen Namens vererben, der wohl in seinem letzten In¬
haber noch uns eine Persönlichkeit vorführt, welche die Richtung der ganzen
Nation zu bestimmen vermag,--während gerade die von vornherein weniger
gut situirter Plebejerfamilien, denen im letzten Jahrhundert der absterben¬
den Republik, also in Zeiten, wo die alte Aristokratie sich in eine geschlossene
Oligarchie umgewandelt hatte, unter den größten Schwierigkeiten gelungen
war, den Zugang zu den höchsten Aemtern des Staats und damit den Adel
zu erlangen, nach einmaliger Blüthe wieder verschwinden oder in den Epigonen
nur schwächliche Nachbildungen der väterlichen Kraft, höchstens sittlich und
politisch verkommene Kapacitäten aufweisen. Man sollte meinen, daß das
mit Aufbietung der höchsten Kraft und constanter Richtung auf ein Ziel
nur mühsam von den Vätern erworbene Gut gerade von den unbeteiligten
Söhnen hätte richtig geschätzt und treu bewahrt werden müssen. Aber es
ist nicht so, wie wir sehen. Die in den bloßen Namen Cornelier-Sulla,
Julier-Cäsar, Claudier-Tiberius, -- Cato, Crassus und Pompejus, -- Cicero,
Colius und Antonius enthaltene Beweiskraft überhebt uns jedes weiteren
Versuchs, die Richtigkeit der Beobachtung darzuthun, aber einen Beitrag zur
Lösung dieses interessanten Problems soll die kurze Darstellung der Lebens¬
schicksale eines Mannes liefern, in dem der sittliche Zustand dieses Epigonen-
thums auch bei einem solchen Geschlechte klar hervortritt, das bislang mit
Eifer aber vergebens nach der höchsten Ehrenstelle gestrebt hatte. Wir meinen
Gajus Menenius, den Zeitgenossen Cicero's und Cäsars, den Freund des
Lucrez, welcher durch das ihm gewidmete Meisterwerk des Dichters eine un¬
verdiente Berühmtheit erlangt hat.

Fällt das Auge des Gebildeten unvorbereitet auf den Namen Menenius,
so legt er wohl die Hand an die Stirn und fragt: Wo bringeich nur den
Namen hin? ich kenne ihn doch gewiß! Man besinnt sich dann auf Gajus


Grenzboten IV. 1869. 17

und der Gewinn kommt dem Ganzen zu, das ja nicht auf andere Weise als
durch freiwillige Handreichung der einzelnen noch fehlenden Glieder aufgebaut
werden soll.




Ein Zeitgenosse Zulius Cäsars.

Es ist eine überraschende Erscheinung der römischen Geschichte, daß in
den alten patricischen nicht minder als den früh in die Nobilitätsaristokratie
aufgenommenen Plebejergeschlechtern staatsmännische Befähigung oder mili¬
tärische Tüchtigkeit sich Jahrhunderte hindurch von Generation zu Generation
auf die Träger des edlen Namens vererben, der wohl in seinem letzten In¬
haber noch uns eine Persönlichkeit vorführt, welche die Richtung der ganzen
Nation zu bestimmen vermag,—während gerade die von vornherein weniger
gut situirter Plebejerfamilien, denen im letzten Jahrhundert der absterben¬
den Republik, also in Zeiten, wo die alte Aristokratie sich in eine geschlossene
Oligarchie umgewandelt hatte, unter den größten Schwierigkeiten gelungen
war, den Zugang zu den höchsten Aemtern des Staats und damit den Adel
zu erlangen, nach einmaliger Blüthe wieder verschwinden oder in den Epigonen
nur schwächliche Nachbildungen der väterlichen Kraft, höchstens sittlich und
politisch verkommene Kapacitäten aufweisen. Man sollte meinen, daß das
mit Aufbietung der höchsten Kraft und constanter Richtung auf ein Ziel
nur mühsam von den Vätern erworbene Gut gerade von den unbeteiligten
Söhnen hätte richtig geschätzt und treu bewahrt werden müssen. Aber es
ist nicht so, wie wir sehen. Die in den bloßen Namen Cornelier-Sulla,
Julier-Cäsar, Claudier-Tiberius, — Cato, Crassus und Pompejus, — Cicero,
Colius und Antonius enthaltene Beweiskraft überhebt uns jedes weiteren
Versuchs, die Richtigkeit der Beobachtung darzuthun, aber einen Beitrag zur
Lösung dieses interessanten Problems soll die kurze Darstellung der Lebens¬
schicksale eines Mannes liefern, in dem der sittliche Zustand dieses Epigonen-
thums auch bei einem solchen Geschlechte klar hervortritt, das bislang mit
Eifer aber vergebens nach der höchsten Ehrenstelle gestrebt hatte. Wir meinen
Gajus Menenius, den Zeitgenossen Cicero's und Cäsars, den Freund des
Lucrez, welcher durch das ihm gewidmete Meisterwerk des Dichters eine un¬
verdiente Berühmtheit erlangt hat.

Fällt das Auge des Gebildeten unvorbereitet auf den Namen Menenius,
so legt er wohl die Hand an die Stirn und fragt: Wo bringeich nur den
Namen hin? ich kenne ihn doch gewiß! Man besinnt sich dann auf Gajus


Grenzboten IV. 1869. 17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121892"/>
          <p xml:id="ID_365" prev="#ID_364"> und der Gewinn kommt dem Ganzen zu, das ja nicht auf andere Weise als<lb/>
durch freiwillige Handreichung der einzelnen noch fehlenden Glieder aufgebaut<lb/>
werden soll.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ein Zeitgenosse Zulius Cäsars.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_366"> Es ist eine überraschende Erscheinung der römischen Geschichte, daß in<lb/>
den alten patricischen nicht minder als den früh in die Nobilitätsaristokratie<lb/>
aufgenommenen Plebejergeschlechtern staatsmännische Befähigung oder mili¬<lb/>
tärische Tüchtigkeit sich Jahrhunderte hindurch von Generation zu Generation<lb/>
auf die Träger des edlen Namens vererben, der wohl in seinem letzten In¬<lb/>
haber noch uns eine Persönlichkeit vorführt, welche die Richtung der ganzen<lb/>
Nation zu bestimmen vermag,&#x2014;während gerade die von vornherein weniger<lb/>
gut situirter Plebejerfamilien, denen im letzten Jahrhundert der absterben¬<lb/>
den Republik, also in Zeiten, wo die alte Aristokratie sich in eine geschlossene<lb/>
Oligarchie umgewandelt hatte, unter den größten Schwierigkeiten gelungen<lb/>
war, den Zugang zu den höchsten Aemtern des Staats und damit den Adel<lb/>
zu erlangen, nach einmaliger Blüthe wieder verschwinden oder in den Epigonen<lb/>
nur schwächliche Nachbildungen der väterlichen Kraft, höchstens sittlich und<lb/>
politisch verkommene Kapacitäten aufweisen. Man sollte meinen, daß das<lb/>
mit Aufbietung der höchsten Kraft und constanter Richtung auf ein Ziel<lb/>
nur mühsam von den Vätern erworbene Gut gerade von den unbeteiligten<lb/>
Söhnen hätte richtig geschätzt und treu bewahrt werden müssen. Aber es<lb/>
ist nicht so, wie wir sehen. Die in den bloßen Namen Cornelier-Sulla,<lb/>
Julier-Cäsar, Claudier-Tiberius, &#x2014; Cato, Crassus und Pompejus, &#x2014; Cicero,<lb/>
Colius und Antonius enthaltene Beweiskraft überhebt uns jedes weiteren<lb/>
Versuchs, die Richtigkeit der Beobachtung darzuthun, aber einen Beitrag zur<lb/>
Lösung dieses interessanten Problems soll die kurze Darstellung der Lebens¬<lb/>
schicksale eines Mannes liefern, in dem der sittliche Zustand dieses Epigonen-<lb/>
thums auch bei einem solchen Geschlechte klar hervortritt, das bislang mit<lb/>
Eifer aber vergebens nach der höchsten Ehrenstelle gestrebt hatte. Wir meinen<lb/>
Gajus Menenius, den Zeitgenossen Cicero's und Cäsars, den Freund des<lb/>
Lucrez, welcher durch das ihm gewidmete Meisterwerk des Dichters eine un¬<lb/>
verdiente Berühmtheit erlangt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_367" next="#ID_368"> Fällt das Auge des Gebildeten unvorbereitet auf den Namen Menenius,<lb/>
so legt er wohl die Hand an die Stirn und fragt: Wo bringeich nur den<lb/>
Namen hin? ich kenne ihn doch gewiß! Man besinnt sich dann auf Gajus</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1869. 17</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0137] und der Gewinn kommt dem Ganzen zu, das ja nicht auf andere Weise als durch freiwillige Handreichung der einzelnen noch fehlenden Glieder aufgebaut werden soll. Ein Zeitgenosse Zulius Cäsars. Es ist eine überraschende Erscheinung der römischen Geschichte, daß in den alten patricischen nicht minder als den früh in die Nobilitätsaristokratie aufgenommenen Plebejergeschlechtern staatsmännische Befähigung oder mili¬ tärische Tüchtigkeit sich Jahrhunderte hindurch von Generation zu Generation auf die Träger des edlen Namens vererben, der wohl in seinem letzten In¬ haber noch uns eine Persönlichkeit vorführt, welche die Richtung der ganzen Nation zu bestimmen vermag,—während gerade die von vornherein weniger gut situirter Plebejerfamilien, denen im letzten Jahrhundert der absterben¬ den Republik, also in Zeiten, wo die alte Aristokratie sich in eine geschlossene Oligarchie umgewandelt hatte, unter den größten Schwierigkeiten gelungen war, den Zugang zu den höchsten Aemtern des Staats und damit den Adel zu erlangen, nach einmaliger Blüthe wieder verschwinden oder in den Epigonen nur schwächliche Nachbildungen der väterlichen Kraft, höchstens sittlich und politisch verkommene Kapacitäten aufweisen. Man sollte meinen, daß das mit Aufbietung der höchsten Kraft und constanter Richtung auf ein Ziel nur mühsam von den Vätern erworbene Gut gerade von den unbeteiligten Söhnen hätte richtig geschätzt und treu bewahrt werden müssen. Aber es ist nicht so, wie wir sehen. Die in den bloßen Namen Cornelier-Sulla, Julier-Cäsar, Claudier-Tiberius, — Cato, Crassus und Pompejus, — Cicero, Colius und Antonius enthaltene Beweiskraft überhebt uns jedes weiteren Versuchs, die Richtigkeit der Beobachtung darzuthun, aber einen Beitrag zur Lösung dieses interessanten Problems soll die kurze Darstellung der Lebens¬ schicksale eines Mannes liefern, in dem der sittliche Zustand dieses Epigonen- thums auch bei einem solchen Geschlechte klar hervortritt, das bislang mit Eifer aber vergebens nach der höchsten Ehrenstelle gestrebt hatte. Wir meinen Gajus Menenius, den Zeitgenossen Cicero's und Cäsars, den Freund des Lucrez, welcher durch das ihm gewidmete Meisterwerk des Dichters eine un¬ verdiente Berühmtheit erlangt hat. Fällt das Auge des Gebildeten unvorbereitet auf den Namen Menenius, so legt er wohl die Hand an die Stirn und fragt: Wo bringeich nur den Namen hin? ich kenne ihn doch gewiß! Man besinnt sich dann auf Gajus Grenzboten IV. 1869. 17

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/137
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/137>, abgerufen am 28.04.2024.