Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

solche Zweifel aufkommen läßt. Jedenfalls steht die auffallende Thatsache
fest, daß diejenigen preußischen wie nichtpreußischen Practiker, welche man
in kompetenten Kreisen allseitig als die nicht zu entbehrenden Mitglieder der
zu berufenden Commission betrachtete, von ihr ausgeschlossen geblieben sind.
Wir müssen es daher aussprechen, daß die in Berlin tagende Commission
weit entfernt ist. den imponirenden Eindruck zu machen, welcher erforderlich
wäre, wenn ihre Berathungen einigen Ersatz dafür gewähren sollten, daß
eine ihnen vorangehende öffentliche Discussion'des Entwurfes abgeschnitten
wurde. Der vorherrschende Eindruck ist der, daß es darauf ankommt, dem
preußischen Entwürfe durch die Beschlüsse der Commission möglichst
schnell die Signatur eines deutschen aufzudrücken.

Ob es der Commission gelingen wird, durch ihre Beschlüsse den Entwurf
so zu gestalten, daß alle Besorgnisse, welche sich an seine gegenwärtige Ge¬
stalt und die Art seiner Behandlung knüpfen, niedergeschlagen werden, bleibt
abzuwarten. Sollte es nicht der Fall sein, so hoffen wir, daß der Reichstag,
der auf ein Prüfen und Amendiren der einzelnen Gesetzes-Paragraphen erst
eingehen kann, wenn er den Entwurf durch die vorher erzielte volle
Verständigung über alle Fragen von principieller Bedeutung dazu reif er¬
achtet, es vorziehen wird, die doch sicher nicht unerträglichen strafrechtlichen
Zustände Norddeutschlands noch ein Jahr länger fortbestehen zu lassen, als
dazu mitzuwirken, daß in übergroßer Eile ein unreifes Werk geschaffen werde.




Holländische Corresponvcnz.

Vor einigen Monaten schrieb ich Ihnen, daß bei uns zu Lande noch
ein allgemeines Mißtrauen gegen die Absichten Preußens, ein Unmuth über
die Veränderungen in Deutschland, herrsche. Ich theilte Ihnen mit, wie aus
unserer Tagespresse eine schwer verhohlene Abneigung gegen unsere südöst¬
lichen Nachbarn herauszulesen sei, und wie man sich im allgemeinen noch
nicht an die neuen deutschen Zustände gewöhnen können, ja selbst noch Furcht
vor preußischen Annexionsplänen hege. Verfolgt man aber eine seit einigen
Wochen in unsern Zeitungen geführte Polemik, dann sollte man glauben,
es habe seit ganz kurzer Zeit ein bedeutender Umschwung in der öffentlichen
Meinung stattgefunden. Ist das wirklich der Fall, oder werden einige Er¬
scheinungen die daraus schließen lassen überschätzt? Eine kurze Mittheilung


solche Zweifel aufkommen läßt. Jedenfalls steht die auffallende Thatsache
fest, daß diejenigen preußischen wie nichtpreußischen Practiker, welche man
in kompetenten Kreisen allseitig als die nicht zu entbehrenden Mitglieder der
zu berufenden Commission betrachtete, von ihr ausgeschlossen geblieben sind.
Wir müssen es daher aussprechen, daß die in Berlin tagende Commission
weit entfernt ist. den imponirenden Eindruck zu machen, welcher erforderlich
wäre, wenn ihre Berathungen einigen Ersatz dafür gewähren sollten, daß
eine ihnen vorangehende öffentliche Discussion'des Entwurfes abgeschnitten
wurde. Der vorherrschende Eindruck ist der, daß es darauf ankommt, dem
preußischen Entwürfe durch die Beschlüsse der Commission möglichst
schnell die Signatur eines deutschen aufzudrücken.

Ob es der Commission gelingen wird, durch ihre Beschlüsse den Entwurf
so zu gestalten, daß alle Besorgnisse, welche sich an seine gegenwärtige Ge¬
stalt und die Art seiner Behandlung knüpfen, niedergeschlagen werden, bleibt
abzuwarten. Sollte es nicht der Fall sein, so hoffen wir, daß der Reichstag,
der auf ein Prüfen und Amendiren der einzelnen Gesetzes-Paragraphen erst
eingehen kann, wenn er den Entwurf durch die vorher erzielte volle
Verständigung über alle Fragen von principieller Bedeutung dazu reif er¬
achtet, es vorziehen wird, die doch sicher nicht unerträglichen strafrechtlichen
Zustände Norddeutschlands noch ein Jahr länger fortbestehen zu lassen, als
dazu mitzuwirken, daß in übergroßer Eile ein unreifes Werk geschaffen werde.




Holländische Corresponvcnz.

Vor einigen Monaten schrieb ich Ihnen, daß bei uns zu Lande noch
ein allgemeines Mißtrauen gegen die Absichten Preußens, ein Unmuth über
die Veränderungen in Deutschland, herrsche. Ich theilte Ihnen mit, wie aus
unserer Tagespresse eine schwer verhohlene Abneigung gegen unsere südöst¬
lichen Nachbarn herauszulesen sei, und wie man sich im allgemeinen noch
nicht an die neuen deutschen Zustände gewöhnen können, ja selbst noch Furcht
vor preußischen Annexionsplänen hege. Verfolgt man aber eine seit einigen
Wochen in unsern Zeitungen geführte Polemik, dann sollte man glauben,
es habe seit ganz kurzer Zeit ein bedeutender Umschwung in der öffentlichen
Meinung stattgefunden. Ist das wirklich der Fall, oder werden einige Er¬
scheinungen die daraus schließen lassen überschätzt? Eine kurze Mittheilung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0189" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121944"/>
          <p xml:id="ID_488" prev="#ID_487"> solche Zweifel aufkommen läßt. Jedenfalls steht die auffallende Thatsache<lb/>
fest, daß diejenigen preußischen wie nichtpreußischen Practiker, welche man<lb/>
in kompetenten Kreisen allseitig als die nicht zu entbehrenden Mitglieder der<lb/>
zu berufenden Commission betrachtete, von ihr ausgeschlossen geblieben sind.<lb/>
Wir müssen es daher aussprechen, daß die in Berlin tagende Commission<lb/>
weit entfernt ist. den imponirenden Eindruck zu machen, welcher erforderlich<lb/>
wäre, wenn ihre Berathungen einigen Ersatz dafür gewähren sollten, daß<lb/>
eine ihnen vorangehende öffentliche Discussion'des Entwurfes abgeschnitten<lb/>
wurde. Der vorherrschende Eindruck ist der, daß es darauf ankommt, dem<lb/>
preußischen Entwürfe durch die Beschlüsse der Commission möglichst<lb/>
schnell die Signatur eines deutschen aufzudrücken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_489"> Ob es der Commission gelingen wird, durch ihre Beschlüsse den Entwurf<lb/>
so zu gestalten, daß alle Besorgnisse, welche sich an seine gegenwärtige Ge¬<lb/>
stalt und die Art seiner Behandlung knüpfen, niedergeschlagen werden, bleibt<lb/>
abzuwarten. Sollte es nicht der Fall sein, so hoffen wir, daß der Reichstag,<lb/>
der auf ein Prüfen und Amendiren der einzelnen Gesetzes-Paragraphen erst<lb/>
eingehen kann, wenn er den Entwurf durch die vorher erzielte volle<lb/>
Verständigung über alle Fragen von principieller Bedeutung dazu reif er¬<lb/>
achtet, es vorziehen wird, die doch sicher nicht unerträglichen strafrechtlichen<lb/>
Zustände Norddeutschlands noch ein Jahr länger fortbestehen zu lassen, als<lb/>
dazu mitzuwirken, daß in übergroßer Eile ein unreifes Werk geschaffen werde.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Holländische Corresponvcnz.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_490" next="#ID_491"> Vor einigen Monaten schrieb ich Ihnen, daß bei uns zu Lande noch<lb/>
ein allgemeines Mißtrauen gegen die Absichten Preußens, ein Unmuth über<lb/>
die Veränderungen in Deutschland, herrsche. Ich theilte Ihnen mit, wie aus<lb/>
unserer Tagespresse eine schwer verhohlene Abneigung gegen unsere südöst¬<lb/>
lichen Nachbarn herauszulesen sei, und wie man sich im allgemeinen noch<lb/>
nicht an die neuen deutschen Zustände gewöhnen können, ja selbst noch Furcht<lb/>
vor preußischen Annexionsplänen hege. Verfolgt man aber eine seit einigen<lb/>
Wochen in unsern Zeitungen geführte Polemik, dann sollte man glauben,<lb/>
es habe seit ganz kurzer Zeit ein bedeutender Umschwung in der öffentlichen<lb/>
Meinung stattgefunden. Ist das wirklich der Fall, oder werden einige Er¬<lb/>
scheinungen die daraus schließen lassen überschätzt? Eine kurze Mittheilung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0189] solche Zweifel aufkommen läßt. Jedenfalls steht die auffallende Thatsache fest, daß diejenigen preußischen wie nichtpreußischen Practiker, welche man in kompetenten Kreisen allseitig als die nicht zu entbehrenden Mitglieder der zu berufenden Commission betrachtete, von ihr ausgeschlossen geblieben sind. Wir müssen es daher aussprechen, daß die in Berlin tagende Commission weit entfernt ist. den imponirenden Eindruck zu machen, welcher erforderlich wäre, wenn ihre Berathungen einigen Ersatz dafür gewähren sollten, daß eine ihnen vorangehende öffentliche Discussion'des Entwurfes abgeschnitten wurde. Der vorherrschende Eindruck ist der, daß es darauf ankommt, dem preußischen Entwürfe durch die Beschlüsse der Commission möglichst schnell die Signatur eines deutschen aufzudrücken. Ob es der Commission gelingen wird, durch ihre Beschlüsse den Entwurf so zu gestalten, daß alle Besorgnisse, welche sich an seine gegenwärtige Ge¬ stalt und die Art seiner Behandlung knüpfen, niedergeschlagen werden, bleibt abzuwarten. Sollte es nicht der Fall sein, so hoffen wir, daß der Reichstag, der auf ein Prüfen und Amendiren der einzelnen Gesetzes-Paragraphen erst eingehen kann, wenn er den Entwurf durch die vorher erzielte volle Verständigung über alle Fragen von principieller Bedeutung dazu reif er¬ achtet, es vorziehen wird, die doch sicher nicht unerträglichen strafrechtlichen Zustände Norddeutschlands noch ein Jahr länger fortbestehen zu lassen, als dazu mitzuwirken, daß in übergroßer Eile ein unreifes Werk geschaffen werde. Holländische Corresponvcnz. Vor einigen Monaten schrieb ich Ihnen, daß bei uns zu Lande noch ein allgemeines Mißtrauen gegen die Absichten Preußens, ein Unmuth über die Veränderungen in Deutschland, herrsche. Ich theilte Ihnen mit, wie aus unserer Tagespresse eine schwer verhohlene Abneigung gegen unsere südöst¬ lichen Nachbarn herauszulesen sei, und wie man sich im allgemeinen noch nicht an die neuen deutschen Zustände gewöhnen können, ja selbst noch Furcht vor preußischen Annexionsplänen hege. Verfolgt man aber eine seit einigen Wochen in unsern Zeitungen geführte Polemik, dann sollte man glauben, es habe seit ganz kurzer Zeit ein bedeutender Umschwung in der öffentlichen Meinung stattgefunden. Ist das wirklich der Fall, oder werden einige Er¬ scheinungen die daraus schließen lassen überschätzt? Eine kurze Mittheilung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/189
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/189>, abgerufen am 28.04.2024.