Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Ausstellung von Gemälden älterer Meister in München.
I. Holbein und Dürer.

Der löbliche Plan einer Vereinigung von Gemälden älterer Meister in
München wurde in dem Maße betrieben, in welchem die Aussichten der inter¬
nationalen Ausstellung moderner Bilder wuchsen. So wenig diese nun auch
allen Wünschen genügen konnte, gewiß schien doch, daß sie viel Anziehungs¬
kraft ausüben und ungeachtet ihrer Gleichzeitigkeit mit der in demselben Ehr¬
geiz unternommenen Ausstellung in Brüssel lohnende Theilnahme beim
Publicum finden werde. Wäre gleich von vornherein auch zu dem an¬
dern Zwecke der Heranziehung alter Bilder geworben worden, so hätten um¬
fassende gemeinsame Anstrengungen wahrscheinlich eine ansehnliche Zahl
interessanter und bedeutender Kunstwerke aus Vergangenheit und Gegenwart
unter Einem Dache zusammengebracht. Statt dessen wurden die alten
Meister gegen die modernen zurückgesetzt und das ganze Unternehmen dadurch
in Frage gestellt, daß nur wenig Zeit zu den Vorbereitungen übrig blieb.
In der That ist der erste Eindruck, den die paar Zimmer im Kunstausstel¬
lungsgebäude machen, ziemlich niederschlagend. Wenn auch der außerordent¬
liche Werth einzelner Nummern für die geringe Zahl mehr als entschädigt,
so bleibt es doch immerhin eine befremdende Wahrnehmung, von allen den
Schulen, in welche man die alte Kunst einzutheilen pflegt, keine vollkommen,
etliche hier überhaupt gar nicht vertreten zu finden. Der Katalog weist eine
verhältnißmäßig gute Anzahl altdeutscher Bilder, einige interessante flämische
und holländische Stücke auf, aber so gut wie gar kein italienisches Gemälde
von Rang.

Freilich darf man nicht unbillig sein. Die Schwierigkeiten eines der¬
artigen Unternehmens sind heute größer als ehemals. Die Kritik ist in un¬
seren Tagen scharfsichtiger und lauter als in früherer Zeit; die Bilderbesitzer
müssen sich darauf gefaßt machen, daß ihre Schätze ziemlich indiscret auf die
Namen hin geprüft werden, die sie tragen. Ganz erklärlich daher, wenn das
öffentliche Forum solcher Ausstellungen von den in der Regel empfindlichen
Sammlern eher gemieden als gesucht wird. Ueberdieß Pflegen Privatsamm¬
lungen neuerdings unter strengen Bedingungen vererbt zu werden, welche
Ortsveränderungen immer mehr erschweren. Nicht zuletzt aus diesem Grunde
hat die LritisK Institution in London ihre jährliche historische Bilderschau
einstellen müssen. Die Ausstellung in Manchester im Jahre 18S3 war das
erste derartige internationale Unternehmen und sie ist auch bis heute weit¬
aus das bedeutendste geblieben; weder Dublin, noch London, noch Leeds
haben solchen Erfolg gehabt.


Die Ausstellung von Gemälden älterer Meister in München.
I. Holbein und Dürer.

Der löbliche Plan einer Vereinigung von Gemälden älterer Meister in
München wurde in dem Maße betrieben, in welchem die Aussichten der inter¬
nationalen Ausstellung moderner Bilder wuchsen. So wenig diese nun auch
allen Wünschen genügen konnte, gewiß schien doch, daß sie viel Anziehungs¬
kraft ausüben und ungeachtet ihrer Gleichzeitigkeit mit der in demselben Ehr¬
geiz unternommenen Ausstellung in Brüssel lohnende Theilnahme beim
Publicum finden werde. Wäre gleich von vornherein auch zu dem an¬
dern Zwecke der Heranziehung alter Bilder geworben worden, so hätten um¬
fassende gemeinsame Anstrengungen wahrscheinlich eine ansehnliche Zahl
interessanter und bedeutender Kunstwerke aus Vergangenheit und Gegenwart
unter Einem Dache zusammengebracht. Statt dessen wurden die alten
Meister gegen die modernen zurückgesetzt und das ganze Unternehmen dadurch
in Frage gestellt, daß nur wenig Zeit zu den Vorbereitungen übrig blieb.
In der That ist der erste Eindruck, den die paar Zimmer im Kunstausstel¬
lungsgebäude machen, ziemlich niederschlagend. Wenn auch der außerordent¬
liche Werth einzelner Nummern für die geringe Zahl mehr als entschädigt,
so bleibt es doch immerhin eine befremdende Wahrnehmung, von allen den
Schulen, in welche man die alte Kunst einzutheilen pflegt, keine vollkommen,
etliche hier überhaupt gar nicht vertreten zu finden. Der Katalog weist eine
verhältnißmäßig gute Anzahl altdeutscher Bilder, einige interessante flämische
und holländische Stücke auf, aber so gut wie gar kein italienisches Gemälde
von Rang.

Freilich darf man nicht unbillig sein. Die Schwierigkeiten eines der¬
artigen Unternehmens sind heute größer als ehemals. Die Kritik ist in un¬
seren Tagen scharfsichtiger und lauter als in früherer Zeit; die Bilderbesitzer
müssen sich darauf gefaßt machen, daß ihre Schätze ziemlich indiscret auf die
Namen hin geprüft werden, die sie tragen. Ganz erklärlich daher, wenn das
öffentliche Forum solcher Ausstellungen von den in der Regel empfindlichen
Sammlern eher gemieden als gesucht wird. Ueberdieß Pflegen Privatsamm¬
lungen neuerdings unter strengen Bedingungen vererbt zu werden, welche
Ortsveränderungen immer mehr erschweren. Nicht zuletzt aus diesem Grunde
hat die LritisK Institution in London ihre jährliche historische Bilderschau
einstellen müssen. Die Ausstellung in Manchester im Jahre 18S3 war das
erste derartige internationale Unternehmen und sie ist auch bis heute weit¬
aus das bedeutendste geblieben; weder Dublin, noch London, noch Leeds
haben solchen Erfolg gehabt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121779"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Ausstellung von Gemälden älterer Meister in München.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> I. Holbein und Dürer.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_38"> Der löbliche Plan einer Vereinigung von Gemälden älterer Meister in<lb/>
München wurde in dem Maße betrieben, in welchem die Aussichten der inter¬<lb/>
nationalen Ausstellung moderner Bilder wuchsen. So wenig diese nun auch<lb/>
allen Wünschen genügen konnte, gewiß schien doch, daß sie viel Anziehungs¬<lb/>
kraft ausüben und ungeachtet ihrer Gleichzeitigkeit mit der in demselben Ehr¬<lb/>
geiz unternommenen Ausstellung in Brüssel lohnende Theilnahme beim<lb/>
Publicum finden werde. Wäre gleich von vornherein auch zu dem an¬<lb/>
dern Zwecke der Heranziehung alter Bilder geworben worden, so hätten um¬<lb/>
fassende gemeinsame Anstrengungen wahrscheinlich eine ansehnliche Zahl<lb/>
interessanter und bedeutender Kunstwerke aus Vergangenheit und Gegenwart<lb/>
unter Einem Dache zusammengebracht. Statt dessen wurden die alten<lb/>
Meister gegen die modernen zurückgesetzt und das ganze Unternehmen dadurch<lb/>
in Frage gestellt, daß nur wenig Zeit zu den Vorbereitungen übrig blieb.<lb/>
In der That ist der erste Eindruck, den die paar Zimmer im Kunstausstel¬<lb/>
lungsgebäude machen, ziemlich niederschlagend. Wenn auch der außerordent¬<lb/>
liche Werth einzelner Nummern für die geringe Zahl mehr als entschädigt,<lb/>
so bleibt es doch immerhin eine befremdende Wahrnehmung, von allen den<lb/>
Schulen, in welche man die alte Kunst einzutheilen pflegt, keine vollkommen,<lb/>
etliche hier überhaupt gar nicht vertreten zu finden. Der Katalog weist eine<lb/>
verhältnißmäßig gute Anzahl altdeutscher Bilder, einige interessante flämische<lb/>
und holländische Stücke auf, aber so gut wie gar kein italienisches Gemälde<lb/>
von Rang.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_39"> Freilich darf man nicht unbillig sein. Die Schwierigkeiten eines der¬<lb/>
artigen Unternehmens sind heute größer als ehemals. Die Kritik ist in un¬<lb/>
seren Tagen scharfsichtiger und lauter als in früherer Zeit; die Bilderbesitzer<lb/>
müssen sich darauf gefaßt machen, daß ihre Schätze ziemlich indiscret auf die<lb/>
Namen hin geprüft werden, die sie tragen. Ganz erklärlich daher, wenn das<lb/>
öffentliche Forum solcher Ausstellungen von den in der Regel empfindlichen<lb/>
Sammlern eher gemieden als gesucht wird. Ueberdieß Pflegen Privatsamm¬<lb/>
lungen neuerdings unter strengen Bedingungen vererbt zu werden, welche<lb/>
Ortsveränderungen immer mehr erschweren. Nicht zuletzt aus diesem Grunde<lb/>
hat die LritisK Institution in London ihre jährliche historische Bilderschau<lb/>
einstellen müssen. Die Ausstellung in Manchester im Jahre 18S3 war das<lb/>
erste derartige internationale Unternehmen und sie ist auch bis heute weit¬<lb/>
aus das bedeutendste geblieben; weder Dublin, noch London, noch Leeds<lb/>
haben solchen Erfolg gehabt.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] Die Ausstellung von Gemälden älterer Meister in München. I. Holbein und Dürer. Der löbliche Plan einer Vereinigung von Gemälden älterer Meister in München wurde in dem Maße betrieben, in welchem die Aussichten der inter¬ nationalen Ausstellung moderner Bilder wuchsen. So wenig diese nun auch allen Wünschen genügen konnte, gewiß schien doch, daß sie viel Anziehungs¬ kraft ausüben und ungeachtet ihrer Gleichzeitigkeit mit der in demselben Ehr¬ geiz unternommenen Ausstellung in Brüssel lohnende Theilnahme beim Publicum finden werde. Wäre gleich von vornherein auch zu dem an¬ dern Zwecke der Heranziehung alter Bilder geworben worden, so hätten um¬ fassende gemeinsame Anstrengungen wahrscheinlich eine ansehnliche Zahl interessanter und bedeutender Kunstwerke aus Vergangenheit und Gegenwart unter Einem Dache zusammengebracht. Statt dessen wurden die alten Meister gegen die modernen zurückgesetzt und das ganze Unternehmen dadurch in Frage gestellt, daß nur wenig Zeit zu den Vorbereitungen übrig blieb. In der That ist der erste Eindruck, den die paar Zimmer im Kunstausstel¬ lungsgebäude machen, ziemlich niederschlagend. Wenn auch der außerordent¬ liche Werth einzelner Nummern für die geringe Zahl mehr als entschädigt, so bleibt es doch immerhin eine befremdende Wahrnehmung, von allen den Schulen, in welche man die alte Kunst einzutheilen pflegt, keine vollkommen, etliche hier überhaupt gar nicht vertreten zu finden. Der Katalog weist eine verhältnißmäßig gute Anzahl altdeutscher Bilder, einige interessante flämische und holländische Stücke auf, aber so gut wie gar kein italienisches Gemälde von Rang. Freilich darf man nicht unbillig sein. Die Schwierigkeiten eines der¬ artigen Unternehmens sind heute größer als ehemals. Die Kritik ist in un¬ seren Tagen scharfsichtiger und lauter als in früherer Zeit; die Bilderbesitzer müssen sich darauf gefaßt machen, daß ihre Schätze ziemlich indiscret auf die Namen hin geprüft werden, die sie tragen. Ganz erklärlich daher, wenn das öffentliche Forum solcher Ausstellungen von den in der Regel empfindlichen Sammlern eher gemieden als gesucht wird. Ueberdieß Pflegen Privatsamm¬ lungen neuerdings unter strengen Bedingungen vererbt zu werden, welche Ortsveränderungen immer mehr erschweren. Nicht zuletzt aus diesem Grunde hat die LritisK Institution in London ihre jährliche historische Bilderschau einstellen müssen. Die Ausstellung in Manchester im Jahre 18S3 war das erste derartige internationale Unternehmen und sie ist auch bis heute weit¬ aus das bedeutendste geblieben; weder Dublin, noch London, noch Leeds haben solchen Erfolg gehabt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/24
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/24>, abgerufen am 28.04.2024.