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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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und erweitern wollen, für sich zu gewinnen. Wiederholter Warnungen
ungeachtet, hat sie sich jede Möglichkeit durch eine solche würdige Haltung
ihre Autorität zu kräftigen, selbst abgeschnitten. Was würde auch eine solche
Schwenkung bei Männern bedeuten, die so manche Schwenkung hinter sich
haben, und deren wahre Meinung hier wieder so unzweideutig zu Tage kam?
Was unser Land jetzt bedürfte, wäre eine Verwaltung, ähnlich wie sie in
Bayern besteht, die aufrichtig der Pflege der nationalen Beziehungen zu¬
gewandt und auf das freisinnige Bürgerthum gestützt der Volkspartei ebenso
entgegenträte als die dortige Negierung den Ultramontanen. Aber eine
solche Verwaltung könnte nicht Varnbüler-Mittnacht-Golther heißen.

Mit der Linken entzweit, unversöhnt mit der deutschen Partei, ohne
Rückhalt an einer eigenen Partei, ohne Vertrauen im Lande -- so tritt das
Ministerium vor den nächsten Landtag.


7-


Bas einheitliche Conststorimn für den NcgierungsbezirK Cassel.

Schon im vorigen Jahre stellte der K. Cultusminister an den Landtag
das Ansinnen, ihm zur Errichtung eines einheitlichen Consistoriums für den
Regierungsbezirk Cassel eine nicht unbedeutende Summe zu verwilligen.
Bekanntlich verwarf aber die Kammer die Regierungsvorlage namentlich auf
Betreiben der Mehrzahl der hessischen Abgeordneten und verlangte, der Cultus¬
minister möge erst eine Synode für die hessischen Kirchengemeinschaften
einberufen, dann werde sich weiter über die Angelegenheit reden lassen. Nun
ist zwar die von den hessischen Deputirten herbeigewünschte Synode noch nicht
einberufen, geschweige denn um ihre Meinung gefragt worden, auch dürfte
die Stellung, welche die Königliche Verordnung der einzuberufenden Synode
im Voraus angewiesen hat, wenigstens insofern nicht ganz den Voraussetzungen
Mancher Abgeordneten entsprechen, als die Synode nur eine begutachtende,
berathende Stellung haben soll, während die Entscheidung dem Gutdünken
der Regierung, d. h. hier dem Delegirten derselben, dem Cultusminister,
überlassen bleibt. Aber die Regierung hat doch den Wünschen hessischer
Abgeordneten entsprechend das Wahlgesetz für die Synode publicirt und
danach die Wahlmänner der Shnodaldeputirten wählen lassen und jetzt schon


und erweitern wollen, für sich zu gewinnen. Wiederholter Warnungen
ungeachtet, hat sie sich jede Möglichkeit durch eine solche würdige Haltung
ihre Autorität zu kräftigen, selbst abgeschnitten. Was würde auch eine solche
Schwenkung bei Männern bedeuten, die so manche Schwenkung hinter sich
haben, und deren wahre Meinung hier wieder so unzweideutig zu Tage kam?
Was unser Land jetzt bedürfte, wäre eine Verwaltung, ähnlich wie sie in
Bayern besteht, die aufrichtig der Pflege der nationalen Beziehungen zu¬
gewandt und auf das freisinnige Bürgerthum gestützt der Volkspartei ebenso
entgegenträte als die dortige Negierung den Ultramontanen. Aber eine
solche Verwaltung könnte nicht Varnbüler-Mittnacht-Golther heißen.

Mit der Linken entzweit, unversöhnt mit der deutschen Partei, ohne
Rückhalt an einer eigenen Partei, ohne Vertrauen im Lande — so tritt das
Ministerium vor den nächsten Landtag.


7-


Bas einheitliche Conststorimn für den NcgierungsbezirK Cassel.

Schon im vorigen Jahre stellte der K. Cultusminister an den Landtag
das Ansinnen, ihm zur Errichtung eines einheitlichen Consistoriums für den
Regierungsbezirk Cassel eine nicht unbedeutende Summe zu verwilligen.
Bekanntlich verwarf aber die Kammer die Regierungsvorlage namentlich auf
Betreiben der Mehrzahl der hessischen Abgeordneten und verlangte, der Cultus¬
minister möge erst eine Synode für die hessischen Kirchengemeinschaften
einberufen, dann werde sich weiter über die Angelegenheit reden lassen. Nun
ist zwar die von den hessischen Deputirten herbeigewünschte Synode noch nicht
einberufen, geschweige denn um ihre Meinung gefragt worden, auch dürfte
die Stellung, welche die Königliche Verordnung der einzuberufenden Synode
im Voraus angewiesen hat, wenigstens insofern nicht ganz den Voraussetzungen
Mancher Abgeordneten entsprechen, als die Synode nur eine begutachtende,
berathende Stellung haben soll, während die Entscheidung dem Gutdünken
der Regierung, d. h. hier dem Delegirten derselben, dem Cultusminister,
überlassen bleibt. Aber die Regierung hat doch den Wünschen hessischer
Abgeordneten entsprechend das Wahlgesetz für die Synode publicirt und
danach die Wahlmänner der Shnodaldeputirten wählen lassen und jetzt schon


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[0271] und erweitern wollen, für sich zu gewinnen. Wiederholter Warnungen ungeachtet, hat sie sich jede Möglichkeit durch eine solche würdige Haltung ihre Autorität zu kräftigen, selbst abgeschnitten. Was würde auch eine solche Schwenkung bei Männern bedeuten, die so manche Schwenkung hinter sich haben, und deren wahre Meinung hier wieder so unzweideutig zu Tage kam? Was unser Land jetzt bedürfte, wäre eine Verwaltung, ähnlich wie sie in Bayern besteht, die aufrichtig der Pflege der nationalen Beziehungen zu¬ gewandt und auf das freisinnige Bürgerthum gestützt der Volkspartei ebenso entgegenträte als die dortige Negierung den Ultramontanen. Aber eine solche Verwaltung könnte nicht Varnbüler-Mittnacht-Golther heißen. Mit der Linken entzweit, unversöhnt mit der deutschen Partei, ohne Rückhalt an einer eigenen Partei, ohne Vertrauen im Lande — so tritt das Ministerium vor den nächsten Landtag. 7- Bas einheitliche Conststorimn für den NcgierungsbezirK Cassel. Schon im vorigen Jahre stellte der K. Cultusminister an den Landtag das Ansinnen, ihm zur Errichtung eines einheitlichen Consistoriums für den Regierungsbezirk Cassel eine nicht unbedeutende Summe zu verwilligen. Bekanntlich verwarf aber die Kammer die Regierungsvorlage namentlich auf Betreiben der Mehrzahl der hessischen Abgeordneten und verlangte, der Cultus¬ minister möge erst eine Synode für die hessischen Kirchengemeinschaften einberufen, dann werde sich weiter über die Angelegenheit reden lassen. Nun ist zwar die von den hessischen Deputirten herbeigewünschte Synode noch nicht einberufen, geschweige denn um ihre Meinung gefragt worden, auch dürfte die Stellung, welche die Königliche Verordnung der einzuberufenden Synode im Voraus angewiesen hat, wenigstens insofern nicht ganz den Voraussetzungen Mancher Abgeordneten entsprechen, als die Synode nur eine begutachtende, berathende Stellung haben soll, während die Entscheidung dem Gutdünken der Regierung, d. h. hier dem Delegirten derselben, dem Cultusminister, überlassen bleibt. Aber die Regierung hat doch den Wünschen hessischer Abgeordneten entsprechend das Wahlgesetz für die Synode publicirt und danach die Wahlmänner der Shnodaldeputirten wählen lassen und jetzt schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/271>, abgerufen am 27.04.2024.