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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Marburg verhindert und nur unter dieser Bedingung die Bewilligung der für
die Errichtung eines hessischen Gesammtconfistoriums verlangten Summe
ausspricht.




Aus Mecklenburg.
Antecomitial-Correspondenz.

Während rings in allen deutschen Landen die parlamentarische Thätig¬
keit und mit ihr der Kampf der Parteien begonnen hat, ruhen beide Meck¬
lenburg noch in tiefer Stille und nichts stört ihren inneren Frieden. Beide
Großherzoge nehmen daraus Veranlassung, die letzten schönen Herbsttage zu
den alljährlich üblichen Rundreisen durch ihre Lande und zu Einzügen in deren
Städte mit obligaten Böllerschüssen, Glockenläuten, Ehrenpforten und wei߬
gekleideten Festjungfrauen zu benutzen. Während Lsremssimus Lusrineusis
vom Ludwigsluster Hoflager aus seine junge Gemahlin nach Güstrow führte,
um der feierlichen Einweihung des dortigen Gymnasiums beizuwohnen, ließ
Serenissimus von Strelitz dem mittlerweile zu seinen Jahren und Tagen ge¬
kommenen Erbgroßherzoge das Fürstenthum Ratzeburg entgegenjubeln und
unterhielt sich mit den dortigen Bauern aus das Huldvollste in plattdeutscher
Sprache: von Erledigung der Verfassungsbcschwerde der Ratzeburger wird
wahrscheinlich nicht die Rede gewesen sein.

Ob Zufall oder Absicht vorwaltete, daß die Strelitzer Herrschaften das
Land Schwerin auf der Reise von Ratzeburg nach Neustrelitz durcheilten, ohne
den gastfreien Schweriner Hof zu besuchen, mag dahin gestellt bleiben; eine
gewisse Verstimmung scheint aber zwischen beiden, nicht nur durch die Bande
der Stammes- und Blutsverwandtschaft, sondern fester noch durch die "ur¬
alte" Landesunion zusammengeketteten Fürstenhäusern unverkennbar einge¬
treten zu sein. Strelitz, dessen welfische Sympathien bekannt und aus der
Verwandtschaft mit dem Hietzinger Hofe zu erklären sind, scheint es übel zu
vermerken, daß der Großherzog von Schwerin sich, wenigstens so viel seine
eigene Person betrifft, dem norddeutschen Bunde mit voller Seele hingibt, den
Schirmherrn des Bundes auf fast allen Reisen von politischer oder militärischer
Wichtigkeit, wie nach Hannover, Bremen, Königsberg u. s. w. begleitet,
während Strelitz noch immer eine kalte Zurückhaltung gegen den norddeut¬
schen Bund zeigt, die freilich selten oder kaum Gelegenheit findet, offen zu
Tage zu treten, aber doch auch jede Gelegenheit vermeidet, aus deren Be-


Marburg verhindert und nur unter dieser Bedingung die Bewilligung der für
die Errichtung eines hessischen Gesammtconfistoriums verlangten Summe
ausspricht.




Aus Mecklenburg.
Antecomitial-Correspondenz.

Während rings in allen deutschen Landen die parlamentarische Thätig¬
keit und mit ihr der Kampf der Parteien begonnen hat, ruhen beide Meck¬
lenburg noch in tiefer Stille und nichts stört ihren inneren Frieden. Beide
Großherzoge nehmen daraus Veranlassung, die letzten schönen Herbsttage zu
den alljährlich üblichen Rundreisen durch ihre Lande und zu Einzügen in deren
Städte mit obligaten Böllerschüssen, Glockenläuten, Ehrenpforten und wei߬
gekleideten Festjungfrauen zu benutzen. Während Lsremssimus Lusrineusis
vom Ludwigsluster Hoflager aus seine junge Gemahlin nach Güstrow führte,
um der feierlichen Einweihung des dortigen Gymnasiums beizuwohnen, ließ
Serenissimus von Strelitz dem mittlerweile zu seinen Jahren und Tagen ge¬
kommenen Erbgroßherzoge das Fürstenthum Ratzeburg entgegenjubeln und
unterhielt sich mit den dortigen Bauern aus das Huldvollste in plattdeutscher
Sprache: von Erledigung der Verfassungsbcschwerde der Ratzeburger wird
wahrscheinlich nicht die Rede gewesen sein.

Ob Zufall oder Absicht vorwaltete, daß die Strelitzer Herrschaften das
Land Schwerin auf der Reise von Ratzeburg nach Neustrelitz durcheilten, ohne
den gastfreien Schweriner Hof zu besuchen, mag dahin gestellt bleiben; eine
gewisse Verstimmung scheint aber zwischen beiden, nicht nur durch die Bande
der Stammes- und Blutsverwandtschaft, sondern fester noch durch die „ur¬
alte" Landesunion zusammengeketteten Fürstenhäusern unverkennbar einge¬
treten zu sein. Strelitz, dessen welfische Sympathien bekannt und aus der
Verwandtschaft mit dem Hietzinger Hofe zu erklären sind, scheint es übel zu
vermerken, daß der Großherzog von Schwerin sich, wenigstens so viel seine
eigene Person betrifft, dem norddeutschen Bunde mit voller Seele hingibt, den
Schirmherrn des Bundes auf fast allen Reisen von politischer oder militärischer
Wichtigkeit, wie nach Hannover, Bremen, Königsberg u. s. w. begleitet,
während Strelitz noch immer eine kalte Zurückhaltung gegen den norddeut¬
schen Bund zeigt, die freilich selten oder kaum Gelegenheit findet, offen zu
Tage zu treten, aber doch auch jede Gelegenheit vermeidet, aus deren Be-


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[0278] Marburg verhindert und nur unter dieser Bedingung die Bewilligung der für die Errichtung eines hessischen Gesammtconfistoriums verlangten Summe ausspricht. Aus Mecklenburg. Antecomitial-Correspondenz. Während rings in allen deutschen Landen die parlamentarische Thätig¬ keit und mit ihr der Kampf der Parteien begonnen hat, ruhen beide Meck¬ lenburg noch in tiefer Stille und nichts stört ihren inneren Frieden. Beide Großherzoge nehmen daraus Veranlassung, die letzten schönen Herbsttage zu den alljährlich üblichen Rundreisen durch ihre Lande und zu Einzügen in deren Städte mit obligaten Böllerschüssen, Glockenläuten, Ehrenpforten und wei߬ gekleideten Festjungfrauen zu benutzen. Während Lsremssimus Lusrineusis vom Ludwigsluster Hoflager aus seine junge Gemahlin nach Güstrow führte, um der feierlichen Einweihung des dortigen Gymnasiums beizuwohnen, ließ Serenissimus von Strelitz dem mittlerweile zu seinen Jahren und Tagen ge¬ kommenen Erbgroßherzoge das Fürstenthum Ratzeburg entgegenjubeln und unterhielt sich mit den dortigen Bauern aus das Huldvollste in plattdeutscher Sprache: von Erledigung der Verfassungsbcschwerde der Ratzeburger wird wahrscheinlich nicht die Rede gewesen sein. Ob Zufall oder Absicht vorwaltete, daß die Strelitzer Herrschaften das Land Schwerin auf der Reise von Ratzeburg nach Neustrelitz durcheilten, ohne den gastfreien Schweriner Hof zu besuchen, mag dahin gestellt bleiben; eine gewisse Verstimmung scheint aber zwischen beiden, nicht nur durch die Bande der Stammes- und Blutsverwandtschaft, sondern fester noch durch die „ur¬ alte" Landesunion zusammengeketteten Fürstenhäusern unverkennbar einge¬ treten zu sein. Strelitz, dessen welfische Sympathien bekannt und aus der Verwandtschaft mit dem Hietzinger Hofe zu erklären sind, scheint es übel zu vermerken, daß der Großherzog von Schwerin sich, wenigstens so viel seine eigene Person betrifft, dem norddeutschen Bunde mit voller Seele hingibt, den Schirmherrn des Bundes auf fast allen Reisen von politischer oder militärischer Wichtigkeit, wie nach Hannover, Bremen, Königsberg u. s. w. begleitet, während Strelitz noch immer eine kalte Zurückhaltung gegen den norddeut¬ schen Bund zeigt, die freilich selten oder kaum Gelegenheit findet, offen zu Tage zu treten, aber doch auch jede Gelegenheit vermeidet, aus deren Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/278>, abgerufen am 27.04.2024.