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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Der Frauentag in Berlin.

Vor zwei Jahren auf dem Volkswirtschaftlichen Congreß in Hamburg
verabredeten Präsident Lette aus Berlin und Redacteur Lammers aus Bre¬
men, eine Zusammenkunft von Abgeordneten deutscher Frauen-Erwerbs- und
Bildungsvereine, welche mit dem ihrigen auf wesentlich gleichem Boden stän¬
den, zu veranlassen. Nach Lette's vielbeklagtem Verlust nahmen die Erben
seiner Fürsorge für wirthschaftlich gehemmte Frauen, Prof. v. Holtzendorff
und Frl. Jenny Hirsch die Sache auf; und im Februar dieses Jahrs wurde
von den genannten Drei mit Hinzutritt von Prof. Emminghaus aus Carls¬
ruhe die Berufung einer solchen Delegirtenconferenz für den Herbst beschlossen.
Dieselbe hat nun am 5. und 6. November in Berlin stattgefunden. Es
waren vertreten u. a. Vereine von Berlin, Hamburg, Bremen, Hannover,
Braunschweig, Leipzig, Dresden, Breslau, Glogau, Kassel. Darmstadt,
Karlsruhe, ferner von Wien, Warschau, Chicago, Boston und Newhork,--
außerdem aber eingeladen und erschienen zahlreiche Einzelne, die der Sache
zugethan sind. Zwei Männer von befestigtem europäischem Rufe, Schulze-
Delitzsch und Virchow, hatten einleitende Vorträge übernommen. Dr. Faucher's
Anwesenheit strafte die Annahme Lügen, als ob der einflußreiche kleine Kreis
von Männern, welche man gewöhnlich als "die Berliner Volkswirthe" be¬
zeichnet, diesen Bestrebungen durchweg abgeneigt entgegenstehn. Unter den
vielen bedeutenden Frauen, welche zugegen waren, ohne dem engsten Kreise
der Vereinsthätigkeit anzugehören, wären vor Allen zu nennen Fanny Lewald,
die Gründerin der Berliner Volksküchen, Frau Lina Morgenstern, und
eine ausgezeichnete Amerikanerin Mrs. Kate E. Doggett aus Chicago. In An¬
erkennung des Entgegenkommens, das von amerikanischer Seite der Kon¬
ferenz bewiesen worden war, übertrug man ihr eins der sogenannten Ehren-
Präsidien. Ein anderes führte Frau Schepeler-Lette, des verstorbenen edlen
Menschenfreundes würdige Tochter. Die Leitung der Verhandlungen war
in Prof. v. Holtzendorff's sicherer Hand.

Für den Erfolg der Versammlung war die wichtigste Frage, wie sich


Grenzboten IV. 1869. Zg
Der Frauentag in Berlin.

Vor zwei Jahren auf dem Volkswirtschaftlichen Congreß in Hamburg
verabredeten Präsident Lette aus Berlin und Redacteur Lammers aus Bre¬
men, eine Zusammenkunft von Abgeordneten deutscher Frauen-Erwerbs- und
Bildungsvereine, welche mit dem ihrigen auf wesentlich gleichem Boden stän¬
den, zu veranlassen. Nach Lette's vielbeklagtem Verlust nahmen die Erben
seiner Fürsorge für wirthschaftlich gehemmte Frauen, Prof. v. Holtzendorff
und Frl. Jenny Hirsch die Sache auf; und im Februar dieses Jahrs wurde
von den genannten Drei mit Hinzutritt von Prof. Emminghaus aus Carls¬
ruhe die Berufung einer solchen Delegirtenconferenz für den Herbst beschlossen.
Dieselbe hat nun am 5. und 6. November in Berlin stattgefunden. Es
waren vertreten u. a. Vereine von Berlin, Hamburg, Bremen, Hannover,
Braunschweig, Leipzig, Dresden, Breslau, Glogau, Kassel. Darmstadt,
Karlsruhe, ferner von Wien, Warschau, Chicago, Boston und Newhork,—
außerdem aber eingeladen und erschienen zahlreiche Einzelne, die der Sache
zugethan sind. Zwei Männer von befestigtem europäischem Rufe, Schulze-
Delitzsch und Virchow, hatten einleitende Vorträge übernommen. Dr. Faucher's
Anwesenheit strafte die Annahme Lügen, als ob der einflußreiche kleine Kreis
von Männern, welche man gewöhnlich als „die Berliner Volkswirthe" be¬
zeichnet, diesen Bestrebungen durchweg abgeneigt entgegenstehn. Unter den
vielen bedeutenden Frauen, welche zugegen waren, ohne dem engsten Kreise
der Vereinsthätigkeit anzugehören, wären vor Allen zu nennen Fanny Lewald,
die Gründerin der Berliner Volksküchen, Frau Lina Morgenstern, und
eine ausgezeichnete Amerikanerin Mrs. Kate E. Doggett aus Chicago. In An¬
erkennung des Entgegenkommens, das von amerikanischer Seite der Kon¬
ferenz bewiesen worden war, übertrug man ihr eins der sogenannten Ehren-
Präsidien. Ein anderes führte Frau Schepeler-Lette, des verstorbenen edlen
Menschenfreundes würdige Tochter. Die Leitung der Verhandlungen war
in Prof. v. Holtzendorff's sicherer Hand.

Für den Erfolg der Versammlung war die wichtigste Frage, wie sich


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[0289] Der Frauentag in Berlin. Vor zwei Jahren auf dem Volkswirtschaftlichen Congreß in Hamburg verabredeten Präsident Lette aus Berlin und Redacteur Lammers aus Bre¬ men, eine Zusammenkunft von Abgeordneten deutscher Frauen-Erwerbs- und Bildungsvereine, welche mit dem ihrigen auf wesentlich gleichem Boden stän¬ den, zu veranlassen. Nach Lette's vielbeklagtem Verlust nahmen die Erben seiner Fürsorge für wirthschaftlich gehemmte Frauen, Prof. v. Holtzendorff und Frl. Jenny Hirsch die Sache auf; und im Februar dieses Jahrs wurde von den genannten Drei mit Hinzutritt von Prof. Emminghaus aus Carls¬ ruhe die Berufung einer solchen Delegirtenconferenz für den Herbst beschlossen. Dieselbe hat nun am 5. und 6. November in Berlin stattgefunden. Es waren vertreten u. a. Vereine von Berlin, Hamburg, Bremen, Hannover, Braunschweig, Leipzig, Dresden, Breslau, Glogau, Kassel. Darmstadt, Karlsruhe, ferner von Wien, Warschau, Chicago, Boston und Newhork,— außerdem aber eingeladen und erschienen zahlreiche Einzelne, die der Sache zugethan sind. Zwei Männer von befestigtem europäischem Rufe, Schulze- Delitzsch und Virchow, hatten einleitende Vorträge übernommen. Dr. Faucher's Anwesenheit strafte die Annahme Lügen, als ob der einflußreiche kleine Kreis von Männern, welche man gewöhnlich als „die Berliner Volkswirthe" be¬ zeichnet, diesen Bestrebungen durchweg abgeneigt entgegenstehn. Unter den vielen bedeutenden Frauen, welche zugegen waren, ohne dem engsten Kreise der Vereinsthätigkeit anzugehören, wären vor Allen zu nennen Fanny Lewald, die Gründerin der Berliner Volksküchen, Frau Lina Morgenstern, und eine ausgezeichnete Amerikanerin Mrs. Kate E. Doggett aus Chicago. In An¬ erkennung des Entgegenkommens, das von amerikanischer Seite der Kon¬ ferenz bewiesen worden war, übertrug man ihr eins der sogenannten Ehren- Präsidien. Ein anderes führte Frau Schepeler-Lette, des verstorbenen edlen Menschenfreundes würdige Tochter. Die Leitung der Verhandlungen war in Prof. v. Holtzendorff's sicherer Hand. Für den Erfolg der Versammlung war die wichtigste Frage, wie sich Grenzboten IV. 1869. Zg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/289>, abgerufen am 28.04.2024.