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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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berger Landtag angenommen, von den mecklenburgischen Regierungen gut¬
geheißen und deren Antrag auf Errichtung eines derartigen Gerichtshofes
von den übrigen Bundesstaaten und vom Bunde selbst acceptirt und dem¬
nächst der norddeutsche Staatsgerichtshof geschaffen würde? Läge dann nicht
die Versuchung nahe, die Frage nach der Competenz der Bundesgewalt, sich
in die mecklenburgische Verfassungsangelegenheit zu mischen, wiederholt anzu¬
regen und, wenn der Bundesrath sich sür inkompetent erklärte, dieselbe dem
Staatsgerichtshöfe zur Entscheidung zu unterbreiten? Eröffnet wurde den
Ständen diese Perspektive bereits durch Syndtcus Meyer-Rostock, freilich
nur in unbestimmten Umrissen, aber sie scheinen so gründlich davon über¬
zeugt zu sein, daß der Boden ihrer Verfassung wirklich unantastbar ist, daß
sie diesen Hinweis ignorirten. Der von Pohle projectirte > Gerichtshof
möchte, einmal creirt, sich bald als ein solcher erweisen, der nicht sowohl die
Competenz der Bundesgewalt beschränkt, als vielmehr erweitert, nicht as
jurs, sondern as t^ceo: denn es gibt manche Fälle, wo die Bundesgewalt
als inkompetent bezeichnet wird, ohne es in Wahrheit zu sein. Diese Fälle
zu constatiren, werden grade die Mecklenburger einem Bundesgerichtshof
gewiß gerne überlassen, wenn sich ihnen dadurch die Aussicht eröffnet, zu
hr emRecht zu gelangen.




Mas Versicherungswesen in und außerhalb Deutschlands.

Wenn wir die Zahl der in Deutschland bestehenden Versicherungsgesell¬
schaften und die bei denselben versicherten Summen ins Auge fassen, so haben
wir zunächst die UnVollständigkeit in den Berichten dieser Anstalten zu con¬
statiren, die eine wirklich statistische Uebersicht unmöglich macht -- ein
Mangel, dem sobald wie möglich abgeholfen werden muß. Man wird indeß
im Allgemeinen eher zu viel als zu wenig annehmen, wenn man auf Grund
der veröffentlichten Uebersichten im Bereiche der Feuerversicherungen das in
Deutschland versicherte Capital bei einer Bevölkerung von 70 Millionen Ein¬
wohner auf 8800 Millionen Thaler annimmt, und zwar in Preußen in
76 Gesellschaften auf 4600 Millionen, in Oestreich in 23 Gesellschaften auf
2000 Millionen, und in den übrigen deutschen Staaten in 55 Gesellschaften
auf 2300 Millionen Thaler. Die sämmtlichen französischen Feuerversiche-
rungsgesellschaften haben bei einer Bevölkerung von 35 Millionen Etnwoh-


berger Landtag angenommen, von den mecklenburgischen Regierungen gut¬
geheißen und deren Antrag auf Errichtung eines derartigen Gerichtshofes
von den übrigen Bundesstaaten und vom Bunde selbst acceptirt und dem¬
nächst der norddeutsche Staatsgerichtshof geschaffen würde? Läge dann nicht
die Versuchung nahe, die Frage nach der Competenz der Bundesgewalt, sich
in die mecklenburgische Verfassungsangelegenheit zu mischen, wiederholt anzu¬
regen und, wenn der Bundesrath sich sür inkompetent erklärte, dieselbe dem
Staatsgerichtshöfe zur Entscheidung zu unterbreiten? Eröffnet wurde den
Ständen diese Perspektive bereits durch Syndtcus Meyer-Rostock, freilich
nur in unbestimmten Umrissen, aber sie scheinen so gründlich davon über¬
zeugt zu sein, daß der Boden ihrer Verfassung wirklich unantastbar ist, daß
sie diesen Hinweis ignorirten. Der von Pohle projectirte > Gerichtshof
möchte, einmal creirt, sich bald als ein solcher erweisen, der nicht sowohl die
Competenz der Bundesgewalt beschränkt, als vielmehr erweitert, nicht as
jurs, sondern as t^ceo: denn es gibt manche Fälle, wo die Bundesgewalt
als inkompetent bezeichnet wird, ohne es in Wahrheit zu sein. Diese Fälle
zu constatiren, werden grade die Mecklenburger einem Bundesgerichtshof
gewiß gerne überlassen, wenn sich ihnen dadurch die Aussicht eröffnet, zu
hr emRecht zu gelangen.




Mas Versicherungswesen in und außerhalb Deutschlands.

Wenn wir die Zahl der in Deutschland bestehenden Versicherungsgesell¬
schaften und die bei denselben versicherten Summen ins Auge fassen, so haben
wir zunächst die UnVollständigkeit in den Berichten dieser Anstalten zu con¬
statiren, die eine wirklich statistische Uebersicht unmöglich macht — ein
Mangel, dem sobald wie möglich abgeholfen werden muß. Man wird indeß
im Allgemeinen eher zu viel als zu wenig annehmen, wenn man auf Grund
der veröffentlichten Uebersichten im Bereiche der Feuerversicherungen das in
Deutschland versicherte Capital bei einer Bevölkerung von 70 Millionen Ein¬
wohner auf 8800 Millionen Thaler annimmt, und zwar in Preußen in
76 Gesellschaften auf 4600 Millionen, in Oestreich in 23 Gesellschaften auf
2000 Millionen, und in den übrigen deutschen Staaten in 55 Gesellschaften
auf 2300 Millionen Thaler. Die sämmtlichen französischen Feuerversiche-
rungsgesellschaften haben bei einer Bevölkerung von 35 Millionen Etnwoh-


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[0354] berger Landtag angenommen, von den mecklenburgischen Regierungen gut¬ geheißen und deren Antrag auf Errichtung eines derartigen Gerichtshofes von den übrigen Bundesstaaten und vom Bunde selbst acceptirt und dem¬ nächst der norddeutsche Staatsgerichtshof geschaffen würde? Läge dann nicht die Versuchung nahe, die Frage nach der Competenz der Bundesgewalt, sich in die mecklenburgische Verfassungsangelegenheit zu mischen, wiederholt anzu¬ regen und, wenn der Bundesrath sich sür inkompetent erklärte, dieselbe dem Staatsgerichtshöfe zur Entscheidung zu unterbreiten? Eröffnet wurde den Ständen diese Perspektive bereits durch Syndtcus Meyer-Rostock, freilich nur in unbestimmten Umrissen, aber sie scheinen so gründlich davon über¬ zeugt zu sein, daß der Boden ihrer Verfassung wirklich unantastbar ist, daß sie diesen Hinweis ignorirten. Der von Pohle projectirte > Gerichtshof möchte, einmal creirt, sich bald als ein solcher erweisen, der nicht sowohl die Competenz der Bundesgewalt beschränkt, als vielmehr erweitert, nicht as jurs, sondern as t^ceo: denn es gibt manche Fälle, wo die Bundesgewalt als inkompetent bezeichnet wird, ohne es in Wahrheit zu sein. Diese Fälle zu constatiren, werden grade die Mecklenburger einem Bundesgerichtshof gewiß gerne überlassen, wenn sich ihnen dadurch die Aussicht eröffnet, zu hr emRecht zu gelangen. Mas Versicherungswesen in und außerhalb Deutschlands. Wenn wir die Zahl der in Deutschland bestehenden Versicherungsgesell¬ schaften und die bei denselben versicherten Summen ins Auge fassen, so haben wir zunächst die UnVollständigkeit in den Berichten dieser Anstalten zu con¬ statiren, die eine wirklich statistische Uebersicht unmöglich macht — ein Mangel, dem sobald wie möglich abgeholfen werden muß. Man wird indeß im Allgemeinen eher zu viel als zu wenig annehmen, wenn man auf Grund der veröffentlichten Uebersichten im Bereiche der Feuerversicherungen das in Deutschland versicherte Capital bei einer Bevölkerung von 70 Millionen Ein¬ wohner auf 8800 Millionen Thaler annimmt, und zwar in Preußen in 76 Gesellschaften auf 4600 Millionen, in Oestreich in 23 Gesellschaften auf 2000 Millionen, und in den übrigen deutschen Staaten in 55 Gesellschaften auf 2300 Millionen Thaler. Die sämmtlichen französischen Feuerversiche- rungsgesellschaften haben bei einer Bevölkerung von 35 Millionen Etnwoh-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/354>, abgerufen am 28.04.2024.