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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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revolutionären Manifestationen sich wieder mehr nach Rechts wendet? Daß
diese Tendenz da ist. zeigt die Aufnahme der kaiserlichen Eröffnungsrede.

Das Resultat für die Gegenwart ist eine tiefe Desorganisation und Ver¬
wirrung, deren Ausgang kein Prophet voraussagen kann aber die denen,
welche es gut mit Frankreich meinen, nur ernste Sorge für seine Zukunft
einflößen kann.




Eine Biographie von Calvin.

Johann Calvin, seine Kirche und sein Staat in Genf von F. W. Kamp schulte,
o. ö. Prof. der Geschichte an der Universität Bonn. Erster Band. Leipzig, Duncker
und Humblot 1869.

Während die von den Straßburger Theologen Reuß, Kunitz und Baum
seit dem Jahr 1863 begonnene neue Gesammtausgave der Schriften Calvin's
ihrer Vollendung entgegengeht, ist vor Kurzem der erste Band einer neuen
Biographie des Reformators erschienen, die eine Zierde unserer geschichtlichen
Literatur zu werden verspricht und bei der Bedeutung, welche Calvin's
Hauptschöpfung, sein Kirchenstaat in Genf, lange Zeit behauptete, ein über
die theologischen Kreise weit hinausgehendes Interesse in Anspruch nimmt.
Es ist ein gelehrtes Buch, aber mit dem Geschmack und der Durchsichtigkeit
geschrieben, die man heutzutage auch bet den strengeren Werken der Wissen¬
schaft nicht vermissen will. Ueberall geht es zu den ersten Quellen zurück
und stellt aus ihnen ein so vollständiges Bild von der Wirksamkeit des Re¬
formators in Genf zusammen, wie es bisher noch nicht existirte. Zurückhal¬
tend in der Beurtheilung legt es dafür die Fülle des Geschehenen in breiter
Ausführlichkeit auseinander und zwar so, daß überall streng das Gesetz von
Ursache und Folge waltet. Für eine erneute Bearbeitung dieses Gegen¬
standes kam dem Verfasser vor Allem die Veröffentlichung der Genfer Ge¬
schichtsquellen des 16. Jahrhunderts zu statten, die seit einigen Jahrzehnten
von den dortigen Gelehrten mit so rüstigem Eifer besorgt wird und durch
welche eine Reihe von Aufzeichnungen und Berichten aus jener Zeit, die
bisher in den Archiven ruhten und schwer zugänglich waren, nunmehr der
Oeffentlichkeit übergeben ist. Aber immerhin noch reicher sind die unge¬
druckten Schätze, zu deren Ausbeutung der Verfasser einen längeren Aufent¬
halt in Genf nahm. Nur durch das Studium der Rathsprotocolle und an¬
derer öffentlicher Documente. Proceßacten u. f. w. war ein wahrheitsgetreues
Bild von der Thätigkeit Calvin's und dem Einfluß, den er auf dem politi¬
schen wie kirchlichen Gebiet ausgeübt hat, zu gewinnen. Werthvolles


Grenjbotm IV. 1869. 60

revolutionären Manifestationen sich wieder mehr nach Rechts wendet? Daß
diese Tendenz da ist. zeigt die Aufnahme der kaiserlichen Eröffnungsrede.

Das Resultat für die Gegenwart ist eine tiefe Desorganisation und Ver¬
wirrung, deren Ausgang kein Prophet voraussagen kann aber die denen,
welche es gut mit Frankreich meinen, nur ernste Sorge für seine Zukunft
einflößen kann.




Eine Biographie von Calvin.

Johann Calvin, seine Kirche und sein Staat in Genf von F. W. Kamp schulte,
o. ö. Prof. der Geschichte an der Universität Bonn. Erster Band. Leipzig, Duncker
und Humblot 1869.

Während die von den Straßburger Theologen Reuß, Kunitz und Baum
seit dem Jahr 1863 begonnene neue Gesammtausgave der Schriften Calvin's
ihrer Vollendung entgegengeht, ist vor Kurzem der erste Band einer neuen
Biographie des Reformators erschienen, die eine Zierde unserer geschichtlichen
Literatur zu werden verspricht und bei der Bedeutung, welche Calvin's
Hauptschöpfung, sein Kirchenstaat in Genf, lange Zeit behauptete, ein über
die theologischen Kreise weit hinausgehendes Interesse in Anspruch nimmt.
Es ist ein gelehrtes Buch, aber mit dem Geschmack und der Durchsichtigkeit
geschrieben, die man heutzutage auch bet den strengeren Werken der Wissen¬
schaft nicht vermissen will. Ueberall geht es zu den ersten Quellen zurück
und stellt aus ihnen ein so vollständiges Bild von der Wirksamkeit des Re¬
formators in Genf zusammen, wie es bisher noch nicht existirte. Zurückhal¬
tend in der Beurtheilung legt es dafür die Fülle des Geschehenen in breiter
Ausführlichkeit auseinander und zwar so, daß überall streng das Gesetz von
Ursache und Folge waltet. Für eine erneute Bearbeitung dieses Gegen¬
standes kam dem Verfasser vor Allem die Veröffentlichung der Genfer Ge¬
schichtsquellen des 16. Jahrhunderts zu statten, die seit einigen Jahrzehnten
von den dortigen Gelehrten mit so rüstigem Eifer besorgt wird und durch
welche eine Reihe von Aufzeichnungen und Berichten aus jener Zeit, die
bisher in den Archiven ruhten und schwer zugänglich waren, nunmehr der
Oeffentlichkeit übergeben ist. Aber immerhin noch reicher sind die unge¬
druckten Schätze, zu deren Ausbeutung der Verfasser einen längeren Aufent¬
halt in Genf nahm. Nur durch das Studium der Rathsprotocolle und an¬
derer öffentlicher Documente. Proceßacten u. f. w. war ein wahrheitsgetreues
Bild von der Thätigkeit Calvin's und dem Einfluß, den er auf dem politi¬
schen wie kirchlichen Gebiet ausgeübt hat, zu gewinnen. Werthvolles


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[0481] revolutionären Manifestationen sich wieder mehr nach Rechts wendet? Daß diese Tendenz da ist. zeigt die Aufnahme der kaiserlichen Eröffnungsrede. Das Resultat für die Gegenwart ist eine tiefe Desorganisation und Ver¬ wirrung, deren Ausgang kein Prophet voraussagen kann aber die denen, welche es gut mit Frankreich meinen, nur ernste Sorge für seine Zukunft einflößen kann. Eine Biographie von Calvin. Johann Calvin, seine Kirche und sein Staat in Genf von F. W. Kamp schulte, o. ö. Prof. der Geschichte an der Universität Bonn. Erster Band. Leipzig, Duncker und Humblot 1869. Während die von den Straßburger Theologen Reuß, Kunitz und Baum seit dem Jahr 1863 begonnene neue Gesammtausgave der Schriften Calvin's ihrer Vollendung entgegengeht, ist vor Kurzem der erste Band einer neuen Biographie des Reformators erschienen, die eine Zierde unserer geschichtlichen Literatur zu werden verspricht und bei der Bedeutung, welche Calvin's Hauptschöpfung, sein Kirchenstaat in Genf, lange Zeit behauptete, ein über die theologischen Kreise weit hinausgehendes Interesse in Anspruch nimmt. Es ist ein gelehrtes Buch, aber mit dem Geschmack und der Durchsichtigkeit geschrieben, die man heutzutage auch bet den strengeren Werken der Wissen¬ schaft nicht vermissen will. Ueberall geht es zu den ersten Quellen zurück und stellt aus ihnen ein so vollständiges Bild von der Wirksamkeit des Re¬ formators in Genf zusammen, wie es bisher noch nicht existirte. Zurückhal¬ tend in der Beurtheilung legt es dafür die Fülle des Geschehenen in breiter Ausführlichkeit auseinander und zwar so, daß überall streng das Gesetz von Ursache und Folge waltet. Für eine erneute Bearbeitung dieses Gegen¬ standes kam dem Verfasser vor Allem die Veröffentlichung der Genfer Ge¬ schichtsquellen des 16. Jahrhunderts zu statten, die seit einigen Jahrzehnten von den dortigen Gelehrten mit so rüstigem Eifer besorgt wird und durch welche eine Reihe von Aufzeichnungen und Berichten aus jener Zeit, die bisher in den Archiven ruhten und schwer zugänglich waren, nunmehr der Oeffentlichkeit übergeben ist. Aber immerhin noch reicher sind die unge¬ druckten Schätze, zu deren Ausbeutung der Verfasser einen längeren Aufent¬ halt in Genf nahm. Nur durch das Studium der Rathsprotocolle und an¬ derer öffentlicher Documente. Proceßacten u. f. w. war ein wahrheitsgetreues Bild von der Thätigkeit Calvin's und dem Einfluß, den er auf dem politi¬ schen wie kirchlichen Gebiet ausgeübt hat, zu gewinnen. Werthvolles Grenjbotm IV. 1869. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/481>, abgerufen am 27.04.2024.