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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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des Gesetzentwurfs einer Proceßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
"für die Staaten des norddeutschen Bundes" berufene Commission jetzt,
nach kaum zwei Jahren, einen solchen Entwurf "für den norddeutschen
Bund" vorlegt, der also inzwischen die "Staaten" schon mehr und mehr
absorbirte; --politisch betrachtet ist die in diesem Entwurf durch Beseitigung
der Patrimonialgerichtsbarkeit ausgesprochene Verurteilung des ständischen
Princips von nicht minderer Wichtigkeit. Die Proceß-Ordnung zeigt auf's
Neu", daß der Bund, wo sich dem Ausbau seiner Institutionen Hindernisse
in den Weg stellen, diese einfach beseitigt, um Platz für jene zu gewinnen,
und geschieht dieser Abbruch auch nur stückweise, so schreitet er doch stätig
und um so sicherer fort, als die Lücken alsbald durch die sich hineindrängenden
Neubildungen ausgefüllt werden, also kein Platz bleibt zur Wiederaufrichtung
des einmal Beseitigten. Mit jedem Artikel, den der Mecklenburger aus
seinem landesgrundgesetzlichen Erbvergleich im Verfolg der fortschreitenden
Bundesgesetzgebung streicht, sieht er den Zeitpunkt näher rücken, wo diese
älteste und darum trotz ihrer jetzt zu Tage tretenden Mängel immerhin histo¬
risch ehrwürdige deutsche Verfassungsurkunde gegenstandslos und Mecklen¬
burg seine volle Lebensthätigkeit als Glied im Organismus des Bundes ent¬
wickeln wird. Dieser Zeitpunkt aber wird nicht nur in Mecklenburg mit
Sehnsucht erwartet, sondern überall mit Freuden begrüßt. Deshalb verdient
es auch registrirt zu werden, wenn derselbe durch ein einzelnes Bundes¬
gesetz plötzlich so viel näher gerückt ist, daß von den ursprünglichen S30 Pa¬
ragraphen der L.G.G.E.V- 53 Paragraphen d. h. der ganze vom Justiz-
Wesen handelnde 21. Artikel, so weit derselbe überhaupt noch praktisch war
und nicht Dinge enthält, die sich auch im modernen Staate von selbst ver¬
stehen, als da sind Ausschluß der Cabinets-Justiz u. s. w, aufgehoben wird
und mit ihm gerade dasjenige Institut des ständischen Staats in den
statio sinkt, das wie die Patrimonialgerichtsbarkeit so recht eigentlich zu
seinem innersten Wesen gehörte.


--b-


Die Ausstellung von Gemälden älterer Meister in München.
II.

(Schluß zu Ur. 40.)

Mit Holbein und Dürer hat man die Reihe deutscher Bilder erschöpft,
die auf der Ausstellung besondere Beachtung verdienen. Was uns sonst
noch an Arbeiten deutscher Meister geboten wird, ist fast durchweg von


des Gesetzentwurfs einer Proceßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
„für die Staaten des norddeutschen Bundes" berufene Commission jetzt,
nach kaum zwei Jahren, einen solchen Entwurf „für den norddeutschen
Bund" vorlegt, der also inzwischen die „Staaten" schon mehr und mehr
absorbirte; —politisch betrachtet ist die in diesem Entwurf durch Beseitigung
der Patrimonialgerichtsbarkeit ausgesprochene Verurteilung des ständischen
Princips von nicht minderer Wichtigkeit. Die Proceß-Ordnung zeigt auf's
Neu«, daß der Bund, wo sich dem Ausbau seiner Institutionen Hindernisse
in den Weg stellen, diese einfach beseitigt, um Platz für jene zu gewinnen,
und geschieht dieser Abbruch auch nur stückweise, so schreitet er doch stätig
und um so sicherer fort, als die Lücken alsbald durch die sich hineindrängenden
Neubildungen ausgefüllt werden, also kein Platz bleibt zur Wiederaufrichtung
des einmal Beseitigten. Mit jedem Artikel, den der Mecklenburger aus
seinem landesgrundgesetzlichen Erbvergleich im Verfolg der fortschreitenden
Bundesgesetzgebung streicht, sieht er den Zeitpunkt näher rücken, wo diese
älteste und darum trotz ihrer jetzt zu Tage tretenden Mängel immerhin histo¬
risch ehrwürdige deutsche Verfassungsurkunde gegenstandslos und Mecklen¬
burg seine volle Lebensthätigkeit als Glied im Organismus des Bundes ent¬
wickeln wird. Dieser Zeitpunkt aber wird nicht nur in Mecklenburg mit
Sehnsucht erwartet, sondern überall mit Freuden begrüßt. Deshalb verdient
es auch registrirt zu werden, wenn derselbe durch ein einzelnes Bundes¬
gesetz plötzlich so viel näher gerückt ist, daß von den ursprünglichen S30 Pa¬
ragraphen der L.G.G.E.V- 53 Paragraphen d. h. der ganze vom Justiz-
Wesen handelnde 21. Artikel, so weit derselbe überhaupt noch praktisch war
und nicht Dinge enthält, die sich auch im modernen Staate von selbst ver¬
stehen, als da sind Ausschluß der Cabinets-Justiz u. s. w, aufgehoben wird
und mit ihm gerade dasjenige Institut des ständischen Staats in den
statio sinkt, das wie die Patrimonialgerichtsbarkeit so recht eigentlich zu
seinem innersten Wesen gehörte.


—b-


Die Ausstellung von Gemälden älterer Meister in München.
II.

(Schluß zu Ur. 40.)

Mit Holbein und Dürer hat man die Reihe deutscher Bilder erschöpft,
die auf der Ausstellung besondere Beachtung verdienen. Was uns sonst
noch an Arbeiten deutscher Meister geboten wird, ist fast durchweg von


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[0062] des Gesetzentwurfs einer Proceßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten „für die Staaten des norddeutschen Bundes" berufene Commission jetzt, nach kaum zwei Jahren, einen solchen Entwurf „für den norddeutschen Bund" vorlegt, der also inzwischen die „Staaten" schon mehr und mehr absorbirte; —politisch betrachtet ist die in diesem Entwurf durch Beseitigung der Patrimonialgerichtsbarkeit ausgesprochene Verurteilung des ständischen Princips von nicht minderer Wichtigkeit. Die Proceß-Ordnung zeigt auf's Neu«, daß der Bund, wo sich dem Ausbau seiner Institutionen Hindernisse in den Weg stellen, diese einfach beseitigt, um Platz für jene zu gewinnen, und geschieht dieser Abbruch auch nur stückweise, so schreitet er doch stätig und um so sicherer fort, als die Lücken alsbald durch die sich hineindrängenden Neubildungen ausgefüllt werden, also kein Platz bleibt zur Wiederaufrichtung des einmal Beseitigten. Mit jedem Artikel, den der Mecklenburger aus seinem landesgrundgesetzlichen Erbvergleich im Verfolg der fortschreitenden Bundesgesetzgebung streicht, sieht er den Zeitpunkt näher rücken, wo diese älteste und darum trotz ihrer jetzt zu Tage tretenden Mängel immerhin histo¬ risch ehrwürdige deutsche Verfassungsurkunde gegenstandslos und Mecklen¬ burg seine volle Lebensthätigkeit als Glied im Organismus des Bundes ent¬ wickeln wird. Dieser Zeitpunkt aber wird nicht nur in Mecklenburg mit Sehnsucht erwartet, sondern überall mit Freuden begrüßt. Deshalb verdient es auch registrirt zu werden, wenn derselbe durch ein einzelnes Bundes¬ gesetz plötzlich so viel näher gerückt ist, daß von den ursprünglichen S30 Pa¬ ragraphen der L.G.G.E.V- 53 Paragraphen d. h. der ganze vom Justiz- Wesen handelnde 21. Artikel, so weit derselbe überhaupt noch praktisch war und nicht Dinge enthält, die sich auch im modernen Staate von selbst ver¬ stehen, als da sind Ausschluß der Cabinets-Justiz u. s. w, aufgehoben wird und mit ihm gerade dasjenige Institut des ständischen Staats in den statio sinkt, das wie die Patrimonialgerichtsbarkeit so recht eigentlich zu seinem innersten Wesen gehörte. —b- Die Ausstellung von Gemälden älterer Meister in München. II. (Schluß zu Ur. 40.) Mit Holbein und Dürer hat man die Reihe deutscher Bilder erschöpft, die auf der Ausstellung besondere Beachtung verdienen. Was uns sonst noch an Arbeiten deutscher Meister geboten wird, ist fast durchweg von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/62>, abgerufen am 28.04.2024.