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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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hielt, mit ihm im "fliegenden Klöppel" nahe am Kärnthner Thor. Weber
war als ständischer Kapellmeister (an Wenzel Müller's Stelle) von Prag nach
Wien gekommen, um Orchestermitglieder für sein Theater zu engagiren und
blieb nur fünf Wochen in Wien. Spohr läßt ihn aus Wien an die Stelle
berufen. Damals wußte er so gut als ich, daß es anders war. So ist's
mit noch manchen anderen Dingen, die in seiner Erinnerung unklar geworden
sind. Und mag mit Vielen sein, wo mir die Gegenwart fehlt. Sehr lustig
ist aber, wie Malibran in seiner Biographie von Spohr ins Blaue hinein
dichtet. Wie der z. B. den Faust auf allen Theatern Italiens mit dem
größten Enthusiasmus aufführen läßt, daß Spohr's Reise durch das Land
ein ununterbrochener Triumphzug geworden sei. Weber führte den Faust
zuerst in Prag auf und Spohr hörte die erste Note davon in Frankfurt vier
Jahre später. Es soll von Spohr noch eine Partie Briefe gedruckt werden.
Es ist dieselbe schlichte, coulante Weise, in der er die Briefe schreibt, wie in
der Biographie, fast immer nur eng was zur Sache, zur Veranlassung des
Briefes gehört, ohne eine besondere schrieb er selten. --


M. Hauptmann.


Die Regie eines großen Oflerspiels im Jahre 1583.

Uns sind aus dem 16. Jahrhundert über die Aufführung eines Oster"
Spiels in Luzern besonders reichliche Urkunden erhalten, sämmtlich von der
Hand des Mannes geschrieben, der das Spiel als Regens, d. h. als Dichter
und Regisseur geleitet hat. Es war dies der vielseitig gebildete Schweizer
Diplomat, Renwart Cysat, zur Zeit Stadtschreiber in Luzern, und das
von ihm aufgeführte Stück war das Osterspiel vom Jahre 1383. Im
Archiv für schweizerische Geschichte, Zürich 1862. Band 13. hat Dr.
C. Hidler ein eingehendes Lebensbild dieses Mannes gegeben, der tief in
die Verhältnisse der Schweiz eingriff. Nach jahrelangem Bemühen hatte er
die Jesuiten im Jahre 1574 nach Luzern zurück geführt, durch sie wurden die
in Luzern seit Mitte des 15. Jahrhunderts üblichen Fastnachtsspiele abge¬
schafft, seitdem trat ein Umschwung in der früheren lebenslustigen Stimmung
der Luzerner ein.

Wir bemühen uns, im Nachfolgenden eine treue, auf die handschriftlichen
Urkunden in der Luzerner Bürgerbibliothek gestützte Darstellung der Vorberei¬
tungen zum Spiel und die Einleitung des Spiels selbst zu geben.


13*

hielt, mit ihm im „fliegenden Klöppel" nahe am Kärnthner Thor. Weber
war als ständischer Kapellmeister (an Wenzel Müller's Stelle) von Prag nach
Wien gekommen, um Orchestermitglieder für sein Theater zu engagiren und
blieb nur fünf Wochen in Wien. Spohr läßt ihn aus Wien an die Stelle
berufen. Damals wußte er so gut als ich, daß es anders war. So ist's
mit noch manchen anderen Dingen, die in seiner Erinnerung unklar geworden
sind. Und mag mit Vielen sein, wo mir die Gegenwart fehlt. Sehr lustig
ist aber, wie Malibran in seiner Biographie von Spohr ins Blaue hinein
dichtet. Wie der z. B. den Faust auf allen Theatern Italiens mit dem
größten Enthusiasmus aufführen läßt, daß Spohr's Reise durch das Land
ein ununterbrochener Triumphzug geworden sei. Weber führte den Faust
zuerst in Prag auf und Spohr hörte die erste Note davon in Frankfurt vier
Jahre später. Es soll von Spohr noch eine Partie Briefe gedruckt werden.
Es ist dieselbe schlichte, coulante Weise, in der er die Briefe schreibt, wie in
der Biographie, fast immer nur eng was zur Sache, zur Veranlassung des
Briefes gehört, ohne eine besondere schrieb er selten. —


M. Hauptmann.


Die Regie eines großen Oflerspiels im Jahre 1583.

Uns sind aus dem 16. Jahrhundert über die Aufführung eines Oster«
Spiels in Luzern besonders reichliche Urkunden erhalten, sämmtlich von der
Hand des Mannes geschrieben, der das Spiel als Regens, d. h. als Dichter
und Regisseur geleitet hat. Es war dies der vielseitig gebildete Schweizer
Diplomat, Renwart Cysat, zur Zeit Stadtschreiber in Luzern, und das
von ihm aufgeführte Stück war das Osterspiel vom Jahre 1383. Im
Archiv für schweizerische Geschichte, Zürich 1862. Band 13. hat Dr.
C. Hidler ein eingehendes Lebensbild dieses Mannes gegeben, der tief in
die Verhältnisse der Schweiz eingriff. Nach jahrelangem Bemühen hatte er
die Jesuiten im Jahre 1574 nach Luzern zurück geführt, durch sie wurden die
in Luzern seit Mitte des 15. Jahrhunderts üblichen Fastnachtsspiele abge¬
schafft, seitdem trat ein Umschwung in der früheren lebenslustigen Stimmung
der Luzerner ein.

Wir bemühen uns, im Nachfolgenden eine treue, auf die handschriftlichen
Urkunden in der Luzerner Bürgerbibliothek gestützte Darstellung der Vorberei¬
tungen zum Spiel und die Einleitung des Spiels selbst zu geben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/105>, abgerufen am 03.05.2024.