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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Körper bewilligte Contingent. Seit 1856 betrug es 100,000 Mann, für
1870 und 1871 nur 90,000, wovon indeß noch 7--8000 für die Marine
und 4000 gesetzlich Befreite abzuziehen sind, so daß etwa 78--79.000 übrig
bleiben (incl. der oben erwähnten 6000 Freiwilligen). Dagegen wurden
1866/g im norddeutschen Bunde wirklich eingestellt 88.823 Mann, außer
2,700 einjährig Freiwilligen. Diese Zahl bleibt hier 3 Jahre bei der Fahne
(abgesehen von Beurlaubungen, welche auch bei der französischen Armee vor¬
läufig nicht berücksichtigt sind). Ganz anders in Frankreich. Bis 1861
wurde, um das Budget zu entlasten, die Hälfte des gesetzlichen Contingentes
als sogenannte äsuxiöme Portion (Krümper) gar nicht zum Dienste heran¬
gezogen. Natürlich litten darunter Kriegsbereitschaft und numerische Stärke
des Heeres in der empfindlichsten Weise, und deswegen erging am 10. Ja¬
nuar 1861 die Verordnung, daß die Äöuxismö portion im ersten JaKre 3,
im zweiten 2, im dritten 1 Monat zu den Fahnen berufen und einerercirt
Werden sollte. Das macht, da sie im dritten Jahre meistens zu Hause ge¬
lassen wurde, für die Hälfte des jährlichen Contingents eine fünfmonatliche
Dienstzeit. Daran ist auch durch das neue Gesetz nichts geändert, nur wird
die Zahl der Krümper allmählich geringer, sie betrug aber noch für die Ein¬
stellungsquote 1869 32,000 Mann. Wenn die Franzosen auf die Länge
ihrer Dienstzeit pochen, so vergessen sie, daß dem norddeutschen Bunde eine
Institution, welche .ein gutes Drittel des jährlichen Ersatzes auf die Höhe
von Milizen stellt, gänzlich fremd ist.

Indeß selbst die Präsenzzeit des Restes steht zu der des norddeutschen
Heeres nicht etwa wie 8:3. Denn während sie bei uns durch spätere Ein¬
berufung und Beurlaubungen um höchstens ^ Jahr, wird sie in Frankreich
um 1^/2 Jahr verkürzt; die Mannschaften treten nämlich V" J'hr nach dem
Emstellungstermine ein, werden ^ Jahr vor der Entlassungszeit zur Reserve
beurlaubt, und erhalten während der Dienstzeit mindestens ^/z Jahr soge¬
nannte semeströs (Winterbeurlaubungen in der Zeit vom 1. September bis
1. April). Das Verhältniß ist also 3^:2^. Hierbei ist noch der Umstand
außer Acht gelassen, daß ein großer Theil unserer Cavalleristen sich gegen
eine Erleichterung ihrer Reserve- und Landwehr>Verpflichtungen zu einer vier¬
jährigen Präsenzzeit meldet, und in Folge dessen mehrere Cavallerieregimenter
nur aus solchen vierjährig Freiwilligen bestehen.


3. Die Cadres und ihre Friedensstärke.

Im norddeutschen Heere hat jeder Cadre seinen bestimmten Ergänzung",
bezirk, die Regimenter sind (ausgenommen die Garde, welche dem ganzen
Lande gemeinsam ist) nach Provinzen benannt und recrutiren immer nur
aus Einer Provinz; der Ostpreuße kämpft neben dem Ostpreußen, .der Rhein-


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Körper bewilligte Contingent. Seit 1856 betrug es 100,000 Mann, für
1870 und 1871 nur 90,000, wovon indeß noch 7—8000 für die Marine
und 4000 gesetzlich Befreite abzuziehen sind, so daß etwa 78—79.000 übrig
bleiben (incl. der oben erwähnten 6000 Freiwilligen). Dagegen wurden
1866/g im norddeutschen Bunde wirklich eingestellt 88.823 Mann, außer
2,700 einjährig Freiwilligen. Diese Zahl bleibt hier 3 Jahre bei der Fahne
(abgesehen von Beurlaubungen, welche auch bei der französischen Armee vor¬
läufig nicht berücksichtigt sind). Ganz anders in Frankreich. Bis 1861
wurde, um das Budget zu entlasten, die Hälfte des gesetzlichen Contingentes
als sogenannte äsuxiöme Portion (Krümper) gar nicht zum Dienste heran¬
gezogen. Natürlich litten darunter Kriegsbereitschaft und numerische Stärke
des Heeres in der empfindlichsten Weise, und deswegen erging am 10. Ja¬
nuar 1861 die Verordnung, daß die Äöuxismö portion im ersten JaKre 3,
im zweiten 2, im dritten 1 Monat zu den Fahnen berufen und einerercirt
Werden sollte. Das macht, da sie im dritten Jahre meistens zu Hause ge¬
lassen wurde, für die Hälfte des jährlichen Contingents eine fünfmonatliche
Dienstzeit. Daran ist auch durch das neue Gesetz nichts geändert, nur wird
die Zahl der Krümper allmählich geringer, sie betrug aber noch für die Ein¬
stellungsquote 1869 32,000 Mann. Wenn die Franzosen auf die Länge
ihrer Dienstzeit pochen, so vergessen sie, daß dem norddeutschen Bunde eine
Institution, welche .ein gutes Drittel des jährlichen Ersatzes auf die Höhe
von Milizen stellt, gänzlich fremd ist.

Indeß selbst die Präsenzzeit des Restes steht zu der des norddeutschen
Heeres nicht etwa wie 8:3. Denn während sie bei uns durch spätere Ein¬
berufung und Beurlaubungen um höchstens ^ Jahr, wird sie in Frankreich
um 1^/2 Jahr verkürzt; die Mannschaften treten nämlich V« J'hr nach dem
Emstellungstermine ein, werden ^ Jahr vor der Entlassungszeit zur Reserve
beurlaubt, und erhalten während der Dienstzeit mindestens ^/z Jahr soge¬
nannte semeströs (Winterbeurlaubungen in der Zeit vom 1. September bis
1. April). Das Verhältniß ist also 3^:2^. Hierbei ist noch der Umstand
außer Acht gelassen, daß ein großer Theil unserer Cavalleristen sich gegen
eine Erleichterung ihrer Reserve- und Landwehr>Verpflichtungen zu einer vier¬
jährigen Präsenzzeit meldet, und in Folge dessen mehrere Cavallerieregimenter
nur aus solchen vierjährig Freiwilligen bestehen.


3. Die Cadres und ihre Friedensstärke.

Im norddeutschen Heere hat jeder Cadre seinen bestimmten Ergänzung«,
bezirk, die Regimenter sind (ausgenommen die Garde, welche dem ganzen
Lande gemeinsam ist) nach Provinzen benannt und recrutiren immer nur
aus Einer Provinz; der Ostpreuße kämpft neben dem Ostpreußen, .der Rhein-


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[0339] Körper bewilligte Contingent. Seit 1856 betrug es 100,000 Mann, für 1870 und 1871 nur 90,000, wovon indeß noch 7—8000 für die Marine und 4000 gesetzlich Befreite abzuziehen sind, so daß etwa 78—79.000 übrig bleiben (incl. der oben erwähnten 6000 Freiwilligen). Dagegen wurden 1866/g im norddeutschen Bunde wirklich eingestellt 88.823 Mann, außer 2,700 einjährig Freiwilligen. Diese Zahl bleibt hier 3 Jahre bei der Fahne (abgesehen von Beurlaubungen, welche auch bei der französischen Armee vor¬ läufig nicht berücksichtigt sind). Ganz anders in Frankreich. Bis 1861 wurde, um das Budget zu entlasten, die Hälfte des gesetzlichen Contingentes als sogenannte äsuxiöme Portion (Krümper) gar nicht zum Dienste heran¬ gezogen. Natürlich litten darunter Kriegsbereitschaft und numerische Stärke des Heeres in der empfindlichsten Weise, und deswegen erging am 10. Ja¬ nuar 1861 die Verordnung, daß die Äöuxismö portion im ersten JaKre 3, im zweiten 2, im dritten 1 Monat zu den Fahnen berufen und einerercirt Werden sollte. Das macht, da sie im dritten Jahre meistens zu Hause ge¬ lassen wurde, für die Hälfte des jährlichen Contingents eine fünfmonatliche Dienstzeit. Daran ist auch durch das neue Gesetz nichts geändert, nur wird die Zahl der Krümper allmählich geringer, sie betrug aber noch für die Ein¬ stellungsquote 1869 32,000 Mann. Wenn die Franzosen auf die Länge ihrer Dienstzeit pochen, so vergessen sie, daß dem norddeutschen Bunde eine Institution, welche .ein gutes Drittel des jährlichen Ersatzes auf die Höhe von Milizen stellt, gänzlich fremd ist. Indeß selbst die Präsenzzeit des Restes steht zu der des norddeutschen Heeres nicht etwa wie 8:3. Denn während sie bei uns durch spätere Ein¬ berufung und Beurlaubungen um höchstens ^ Jahr, wird sie in Frankreich um 1^/2 Jahr verkürzt; die Mannschaften treten nämlich V« J'hr nach dem Emstellungstermine ein, werden ^ Jahr vor der Entlassungszeit zur Reserve beurlaubt, und erhalten während der Dienstzeit mindestens ^/z Jahr soge¬ nannte semeströs (Winterbeurlaubungen in der Zeit vom 1. September bis 1. April). Das Verhältniß ist also 3^:2^. Hierbei ist noch der Umstand außer Acht gelassen, daß ein großer Theil unserer Cavalleristen sich gegen eine Erleichterung ihrer Reserve- und Landwehr>Verpflichtungen zu einer vier¬ jährigen Präsenzzeit meldet, und in Folge dessen mehrere Cavallerieregimenter nur aus solchen vierjährig Freiwilligen bestehen. 3. Die Cadres und ihre Friedensstärke. Im norddeutschen Heere hat jeder Cadre seinen bestimmten Ergänzung«, bezirk, die Regimenter sind (ausgenommen die Garde, welche dem ganzen Lande gemeinsam ist) nach Provinzen benannt und recrutiren immer nur aus Einer Provinz; der Ostpreuße kämpft neben dem Ostpreußen, .der Rhein- 43*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/339>, abgerufen am 06.05.2024.