Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Z0N

Lothringen seine diplomatische Brühe ausgieße? Unsere Stärke liegt in der
Einfachheit ebenso wie in der Bescheidenheit unserer Forderungen.

Welcher Verwirrung begegnet man doch wieder hie und da in der
Tagespresse! Da fordert Einer, daß wir FrankreiV Nizza und Savoyen oder
gar Corsica abverlangen, um es schleunigst an Italien zu schenken. Ein
halbes Dutzend "Einsender" begehrt Zerstückelung Frankreichs. Lassen wir
Frankreich den Franzosen, uns Elsaß und Lothringen und den Neutralen
das Nachsehen!

Ihnen gegenüber, den sogenannten Neutralen, haben ja wohl glücklicher¬
weise die Kanonen des Tages von Sedan die Gerechtigkeit unserer Sache
hinreichend erwiesen, -- die einzige Art von Argumentation, wie es scheint,
die bei diesen Herren noch anschlägt. Trotzdem müssen wir es dankend an¬
erkennen, wenn einer der Unseren es unternimmt, den Italienern, deren
Freundschaft wir ungeachtet ihres Wankelmuths wegen der Gleichartigkeit
unserer Ziele zu pflegen nicht müde werden dürfen, zu besserer Einsicht in
unser Wesen und unsere Absichten zu verhelfen. Unter dem Titel:
IWImin leoZoro Nowwsen" hat der deutsche Historiker Roms in Verbin¬
dung mit seinen beiden früheren Briefen über den Krieg einen dritten aus¬
führlicheren über den Frieden mit der ausdrückichen Erlaubniß zum Nach¬
druck erscheinen lassen, um den Freunden jenseits der Alpen die Nothwen¬
digkeit der Herbeibringung von Elsaß und Deutschlothringen darzulegen und
ihr Gemüth von der thörigter Furcht zu befreien, als könnte das große und
geeinigte Deutschland ihnen oder ganz Europa bedrohlich werden. Neben
der beredten Darstellung der Unmöglichkeit, mit unserer Wehrverfassung jemals
andere Kriege als die gerechtester Nothwehr zu sühren, ist da als besonders
schlagend hervorzuheben der Hinweis auf eine bisher wenig beachtete That¬
sache, daß nämlich durch die nationale Entschiedenheit nicht allein der Be¬
völkerungen, sondern auch der Regierungen vornehmlich von Baden, Sachsen
und Bayern für die zukünftige Gestaltung unserer deutschen Dinge das bun¬
desstaatliche Princip gegenüber den seither vielleicht vorwaltenden Tendenzen
zum Einheitsstaate eine ungemeine Stärkung erfahren hat. Im übrigen
gewährt es ein eigenes Vergnügen zu sehen, wie der Meister schwierigster
deutscher Forschung hier zu dem naiven Vorstellungsvermögen unser romani¬
schen Freunde mit der anschaulichen Lebendigkeit, die sie lieben, sich herab¬
läßt. Möchte ihnen seine verehrte Stimme zu Herzen dringen, möchten sie
sich nicht damit begnügen, beim Scheine unserer Wachtfeuer den lange ver¬
geblich gesuchten Weg nach Rom endlich zu finden, wie einst den nach Vene¬
dig, möchten sie uns kennen lernen und lieben lernen, weil sie uns kennen,
wie wir sie lieben -- mitunter war man fast versucht zu sagen: obgleich
wir sie kennen! --


a./D.


Mit Ur. 4<> beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1370"Die Verlagshandlung




^Verantwortlicher Redacteur: Gnsta" Freytag.
Verlag "o" F. L. Hervig. -- Druck von Hiithel Le"ter in Leipzig.

Z0N

Lothringen seine diplomatische Brühe ausgieße? Unsere Stärke liegt in der
Einfachheit ebenso wie in der Bescheidenheit unserer Forderungen.

Welcher Verwirrung begegnet man doch wieder hie und da in der
Tagespresse! Da fordert Einer, daß wir FrankreiV Nizza und Savoyen oder
gar Corsica abverlangen, um es schleunigst an Italien zu schenken. Ein
halbes Dutzend „Einsender" begehrt Zerstückelung Frankreichs. Lassen wir
Frankreich den Franzosen, uns Elsaß und Lothringen und den Neutralen
das Nachsehen!

Ihnen gegenüber, den sogenannten Neutralen, haben ja wohl glücklicher¬
weise die Kanonen des Tages von Sedan die Gerechtigkeit unserer Sache
hinreichend erwiesen, — die einzige Art von Argumentation, wie es scheint,
die bei diesen Herren noch anschlägt. Trotzdem müssen wir es dankend an¬
erkennen, wenn einer der Unseren es unternimmt, den Italienern, deren
Freundschaft wir ungeachtet ihres Wankelmuths wegen der Gleichartigkeit
unserer Ziele zu pflegen nicht müde werden dürfen, zu besserer Einsicht in
unser Wesen und unsere Absichten zu verhelfen. Unter dem Titel:
IWImin leoZoro Nowwsen" hat der deutsche Historiker Roms in Verbin¬
dung mit seinen beiden früheren Briefen über den Krieg einen dritten aus¬
führlicheren über den Frieden mit der ausdrückichen Erlaubniß zum Nach¬
druck erscheinen lassen, um den Freunden jenseits der Alpen die Nothwen¬
digkeit der Herbeibringung von Elsaß und Deutschlothringen darzulegen und
ihr Gemüth von der thörigter Furcht zu befreien, als könnte das große und
geeinigte Deutschland ihnen oder ganz Europa bedrohlich werden. Neben
der beredten Darstellung der Unmöglichkeit, mit unserer Wehrverfassung jemals
andere Kriege als die gerechtester Nothwehr zu sühren, ist da als besonders
schlagend hervorzuheben der Hinweis auf eine bisher wenig beachtete That¬
sache, daß nämlich durch die nationale Entschiedenheit nicht allein der Be¬
völkerungen, sondern auch der Regierungen vornehmlich von Baden, Sachsen
und Bayern für die zukünftige Gestaltung unserer deutschen Dinge das bun¬
desstaatliche Princip gegenüber den seither vielleicht vorwaltenden Tendenzen
zum Einheitsstaate eine ungemeine Stärkung erfahren hat. Im übrigen
gewährt es ein eigenes Vergnügen zu sehen, wie der Meister schwierigster
deutscher Forschung hier zu dem naiven Vorstellungsvermögen unser romani¬
schen Freunde mit der anschaulichen Lebendigkeit, die sie lieben, sich herab¬
läßt. Möchte ihnen seine verehrte Stimme zu Herzen dringen, möchten sie
sich nicht damit begnügen, beim Scheine unserer Wachtfeuer den lange ver¬
geblich gesuchten Weg nach Rom endlich zu finden, wie einst den nach Vene¬
dig, möchten sie uns kennen lernen und lieben lernen, weil sie uns kennen,
wie wir sie lieben — mitunter war man fast versucht zu sagen: obgleich
wir sie kennen! —


a./D.


Mit Ur. 4<> beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1370»Die Verlagshandlung




^Verantwortlicher Redacteur: Gnsta» Freytag.
Verlag »o» F. L. Hervig. — Druck von Hiithel Le„ter in Leipzig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124660"/>
          <p xml:id="ID_1474" prev="#ID_1473" next="#ID_1475"> Z0N</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1475" prev="#ID_1474"> Lothringen seine diplomatische Brühe ausgieße? Unsere Stärke liegt in der<lb/>
Einfachheit ebenso wie in der Bescheidenheit unserer Forderungen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1476"> Welcher Verwirrung begegnet man doch wieder hie und da in der<lb/>
Tagespresse! Da fordert Einer, daß wir FrankreiV Nizza und Savoyen oder<lb/>
gar Corsica abverlangen, um es schleunigst an Italien zu schenken. Ein<lb/>
halbes Dutzend &#x201E;Einsender" begehrt Zerstückelung Frankreichs. Lassen wir<lb/>
Frankreich den Franzosen, uns Elsaß und Lothringen und den Neutralen<lb/>
das Nachsehen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1477"> Ihnen gegenüber, den sogenannten Neutralen, haben ja wohl glücklicher¬<lb/>
weise die Kanonen des Tages von Sedan die Gerechtigkeit unserer Sache<lb/>
hinreichend erwiesen, &#x2014; die einzige Art von Argumentation, wie es scheint,<lb/>
die bei diesen Herren noch anschlägt. Trotzdem müssen wir es dankend an¬<lb/>
erkennen, wenn einer der Unseren es unternimmt, den Italienern, deren<lb/>
Freundschaft wir ungeachtet ihres Wankelmuths wegen der Gleichartigkeit<lb/>
unserer Ziele zu pflegen nicht müde werden dürfen, zu besserer Einsicht in<lb/>
unser Wesen und unsere Absichten zu verhelfen. Unter dem Titel:<lb/>
IWImin leoZoro Nowwsen" hat der deutsche Historiker Roms in Verbin¬<lb/>
dung mit seinen beiden früheren Briefen über den Krieg einen dritten aus¬<lb/>
führlicheren über den Frieden mit der ausdrückichen Erlaubniß zum Nach¬<lb/>
druck erscheinen lassen, um den Freunden jenseits der Alpen die Nothwen¬<lb/>
digkeit der Herbeibringung von Elsaß und Deutschlothringen darzulegen und<lb/>
ihr Gemüth von der thörigter Furcht zu befreien, als könnte das große und<lb/>
geeinigte Deutschland ihnen oder ganz Europa bedrohlich werden. Neben<lb/>
der beredten Darstellung der Unmöglichkeit, mit unserer Wehrverfassung jemals<lb/>
andere Kriege als die gerechtester Nothwehr zu sühren, ist da als besonders<lb/>
schlagend hervorzuheben der Hinweis auf eine bisher wenig beachtete That¬<lb/>
sache, daß nämlich durch die nationale Entschiedenheit nicht allein der Be¬<lb/>
völkerungen, sondern auch der Regierungen vornehmlich von Baden, Sachsen<lb/>
und Bayern für die zukünftige Gestaltung unserer deutschen Dinge das bun¬<lb/>
desstaatliche Princip gegenüber den seither vielleicht vorwaltenden Tendenzen<lb/>
zum Einheitsstaate eine ungemeine Stärkung erfahren hat. Im übrigen<lb/>
gewährt es ein eigenes Vergnügen zu sehen, wie der Meister schwierigster<lb/>
deutscher Forschung hier zu dem naiven Vorstellungsvermögen unser romani¬<lb/>
schen Freunde mit der anschaulichen Lebendigkeit, die sie lieben, sich herab¬<lb/>
läßt. Möchte ihnen seine verehrte Stimme zu Herzen dringen, möchten sie<lb/>
sich nicht damit begnügen, beim Scheine unserer Wachtfeuer den lange ver¬<lb/>
geblich gesuchten Weg nach Rom endlich zu finden, wie einst den nach Vene¬<lb/>
dig, möchten sie uns kennen lernen und lieben lernen, weil sie uns kennen,<lb/>
wie wir sie lieben &#x2014; mitunter war man fast versucht zu sagen: obgleich<lb/>
wir sie kennen! &#x2014;</p><lb/>
          <note type="byline"> a./D.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div>
          <floatingText>
            <body>
              <div type="advertisement">
                <p> Mit Ur. 4&lt;&gt; beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,<lb/>
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬<lb/>
ziehen ist.<lb/>
Leipzig, im September 1370»Die Verlagshandlung</p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <note type="byline"> ^Verantwortlicher Redacteur: Gnsta» Freytag.<lb/>
Verlag »o» F. L. Hervig. &#x2014; Druck von Hiithel  Le&#x201E;ter in Leipzig.</note><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0508] Z0N Lothringen seine diplomatische Brühe ausgieße? Unsere Stärke liegt in der Einfachheit ebenso wie in der Bescheidenheit unserer Forderungen. Welcher Verwirrung begegnet man doch wieder hie und da in der Tagespresse! Da fordert Einer, daß wir FrankreiV Nizza und Savoyen oder gar Corsica abverlangen, um es schleunigst an Italien zu schenken. Ein halbes Dutzend „Einsender" begehrt Zerstückelung Frankreichs. Lassen wir Frankreich den Franzosen, uns Elsaß und Lothringen und den Neutralen das Nachsehen! Ihnen gegenüber, den sogenannten Neutralen, haben ja wohl glücklicher¬ weise die Kanonen des Tages von Sedan die Gerechtigkeit unserer Sache hinreichend erwiesen, — die einzige Art von Argumentation, wie es scheint, die bei diesen Herren noch anschlägt. Trotzdem müssen wir es dankend an¬ erkennen, wenn einer der Unseren es unternimmt, den Italienern, deren Freundschaft wir ungeachtet ihres Wankelmuths wegen der Gleichartigkeit unserer Ziele zu pflegen nicht müde werden dürfen, zu besserer Einsicht in unser Wesen und unsere Absichten zu verhelfen. Unter dem Titel: IWImin leoZoro Nowwsen" hat der deutsche Historiker Roms in Verbin¬ dung mit seinen beiden früheren Briefen über den Krieg einen dritten aus¬ führlicheren über den Frieden mit der ausdrückichen Erlaubniß zum Nach¬ druck erscheinen lassen, um den Freunden jenseits der Alpen die Nothwen¬ digkeit der Herbeibringung von Elsaß und Deutschlothringen darzulegen und ihr Gemüth von der thörigter Furcht zu befreien, als könnte das große und geeinigte Deutschland ihnen oder ganz Europa bedrohlich werden. Neben der beredten Darstellung der Unmöglichkeit, mit unserer Wehrverfassung jemals andere Kriege als die gerechtester Nothwehr zu sühren, ist da als besonders schlagend hervorzuheben der Hinweis auf eine bisher wenig beachtete That¬ sache, daß nämlich durch die nationale Entschiedenheit nicht allein der Be¬ völkerungen, sondern auch der Regierungen vornehmlich von Baden, Sachsen und Bayern für die zukünftige Gestaltung unserer deutschen Dinge das bun¬ desstaatliche Princip gegenüber den seither vielleicht vorwaltenden Tendenzen zum Einheitsstaate eine ungemeine Stärkung erfahren hat. Im übrigen gewährt es ein eigenes Vergnügen zu sehen, wie der Meister schwierigster deutscher Forschung hier zu dem naiven Vorstellungsvermögen unser romani¬ schen Freunde mit der anschaulichen Lebendigkeit, die sie lieben, sich herab¬ läßt. Möchte ihnen seine verehrte Stimme zu Herzen dringen, möchten sie sich nicht damit begnügen, beim Scheine unserer Wachtfeuer den lange ver¬ geblich gesuchten Weg nach Rom endlich zu finden, wie einst den nach Vene¬ dig, möchten sie uns kennen lernen und lieben lernen, weil sie uns kennen, wie wir sie lieben — mitunter war man fast versucht zu sagen: obgleich wir sie kennen! — a./D. Mit Ur. 4<> beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬ ziehen ist. Leipzig, im September 1370»Die Verlagshandlung ^Verantwortlicher Redacteur: Gnsta» Freytag. Verlag »o» F. L. Hervig. — Druck von Hiithel Le„ter in Leipzig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/508
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/508>, abgerufen am 06.05.2024.