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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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mand! Alte abgenutzte Methode. Keine Widerrede; keine Vertheidigung,
blos Flucht. Auch gut. Ich behaupte das Feld. Ich bin Sieger. Gute
Nacht, Besiegter. -- (Schluß der zweiten Predigt).




Dom badischen Landtage.

Gar oft sind die badischen Landboten von Karlsruhe heimgekehrt mit
einer reichen Füllet werthvoller Gesetze, niemals aber ist ihnen beschieden
gewesen, ihren Auftraggebern eine Weihnachtsgabe, wie Heuer, mitzubringen.
Nicht ihr Verdienst freilich, noch das der badischen Regierung ist es, daß uns
die ungeahnten Ereignisse dieses herrlichen Jahres "Kaiser und Reich" in den
Schooß warfen; daß aber je eine einzige Sitzung in den beiden Kammern ge¬
nügte, das deutsche Einigungswerk, soviel an Baden lag, zum Abschluß zu
bringen, das ist allerdings die Frucht der jahrelangen Haltung der gesetzge¬
benden Factoren dieses Landes. Was bedürfte es noch der Debatte, wenn
man längst zum bedingungslosen Eintritt in den Nordbund bereit war?

Was bedarf es dann aber überhaupt noch einer Schilderung dieses Land¬
tages? wird der Leser fragen. Aber er wolle bedenken: nicht ganz so einfach,
wie man sich im übrigen Deutschland gewöhnlich vorstellt, liegen in Baden
die Verhältnisse. Lange schon waren hier die nationalen Bestrebungen eng
verflochten mit dem harten Kampfe, in welchem die Staatsgewalt und die li¬
berale Partei den Anmaßungen des Ultramontanismus gegenüberstehen. Na¬
türlich also, daß die Entscheidung der nationalen Frage zugleich ein Helles
Streiflicht aus die zukünftige Gestaltung dieses Kampfes werfen mußte. An¬
drerseits sind es die Erklärungen der Regierung über die Genesis der Ver-
sailler Verträge, welche eine allgemeine Bedeutung haben. Von den letzteren
zuerst!

Kein allzu großes Gewicht wird man der Eröffnung beimessen, daß die
badische Regierung, im Interesse einer besseren Sicherung der süddeutschen
Grenze, die erste Anregung zur Wiedererwerbung des Elsasses gab. Daß sie,
als die meistbetheiligte, diesen Schritt that, liegt in der Natur der Sache.
Indeß, wir denken, auch ohne solche Anregung würde Graf Bismarck zuge¬
griffen haben, und kein Vernünftiger würde ihn darum eines specifisch-preu¬
ßischen Egoismus beschuldigen. Von Interesse jedoch ist die bestimmte Mit¬
theilung, daß das neuerworbene Gebiet nicht direct an Preußen annectirt,
sondern deutsches Reichsland werden soll -- eine, offen gestanden, etwas nebel¬
hafte Perspective. -- Wichtiger war die Erklärung des Staatsministers, daß


mand! Alte abgenutzte Methode. Keine Widerrede; keine Vertheidigung,
blos Flucht. Auch gut. Ich behaupte das Feld. Ich bin Sieger. Gute
Nacht, Besiegter. — (Schluß der zweiten Predigt).




Dom badischen Landtage.

Gar oft sind die badischen Landboten von Karlsruhe heimgekehrt mit
einer reichen Füllet werthvoller Gesetze, niemals aber ist ihnen beschieden
gewesen, ihren Auftraggebern eine Weihnachtsgabe, wie Heuer, mitzubringen.
Nicht ihr Verdienst freilich, noch das der badischen Regierung ist es, daß uns
die ungeahnten Ereignisse dieses herrlichen Jahres „Kaiser und Reich" in den
Schooß warfen; daß aber je eine einzige Sitzung in den beiden Kammern ge¬
nügte, das deutsche Einigungswerk, soviel an Baden lag, zum Abschluß zu
bringen, das ist allerdings die Frucht der jahrelangen Haltung der gesetzge¬
benden Factoren dieses Landes. Was bedürfte es noch der Debatte, wenn
man längst zum bedingungslosen Eintritt in den Nordbund bereit war?

Was bedarf es dann aber überhaupt noch einer Schilderung dieses Land¬
tages? wird der Leser fragen. Aber er wolle bedenken: nicht ganz so einfach,
wie man sich im übrigen Deutschland gewöhnlich vorstellt, liegen in Baden
die Verhältnisse. Lange schon waren hier die nationalen Bestrebungen eng
verflochten mit dem harten Kampfe, in welchem die Staatsgewalt und die li¬
berale Partei den Anmaßungen des Ultramontanismus gegenüberstehen. Na¬
türlich also, daß die Entscheidung der nationalen Frage zugleich ein Helles
Streiflicht aus die zukünftige Gestaltung dieses Kampfes werfen mußte. An¬
drerseits sind es die Erklärungen der Regierung über die Genesis der Ver-
sailler Verträge, welche eine allgemeine Bedeutung haben. Von den letzteren
zuerst!

Kein allzu großes Gewicht wird man der Eröffnung beimessen, daß die
badische Regierung, im Interesse einer besseren Sicherung der süddeutschen
Grenze, die erste Anregung zur Wiedererwerbung des Elsasses gab. Daß sie,
als die meistbetheiligte, diesen Schritt that, liegt in der Natur der Sache.
Indeß, wir denken, auch ohne solche Anregung würde Graf Bismarck zuge¬
griffen haben, und kein Vernünftiger würde ihn darum eines specifisch-preu¬
ßischen Egoismus beschuldigen. Von Interesse jedoch ist die bestimmte Mit¬
theilung, daß das neuerworbene Gebiet nicht direct an Preußen annectirt,
sondern deutsches Reichsland werden soll — eine, offen gestanden, etwas nebel¬
hafte Perspective. — Wichtiger war die Erklärung des Staatsministers, daß


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[0079] mand! Alte abgenutzte Methode. Keine Widerrede; keine Vertheidigung, blos Flucht. Auch gut. Ich behaupte das Feld. Ich bin Sieger. Gute Nacht, Besiegter. — (Schluß der zweiten Predigt). Dom badischen Landtage. Gar oft sind die badischen Landboten von Karlsruhe heimgekehrt mit einer reichen Füllet werthvoller Gesetze, niemals aber ist ihnen beschieden gewesen, ihren Auftraggebern eine Weihnachtsgabe, wie Heuer, mitzubringen. Nicht ihr Verdienst freilich, noch das der badischen Regierung ist es, daß uns die ungeahnten Ereignisse dieses herrlichen Jahres „Kaiser und Reich" in den Schooß warfen; daß aber je eine einzige Sitzung in den beiden Kammern ge¬ nügte, das deutsche Einigungswerk, soviel an Baden lag, zum Abschluß zu bringen, das ist allerdings die Frucht der jahrelangen Haltung der gesetzge¬ benden Factoren dieses Landes. Was bedürfte es noch der Debatte, wenn man längst zum bedingungslosen Eintritt in den Nordbund bereit war? Was bedarf es dann aber überhaupt noch einer Schilderung dieses Land¬ tages? wird der Leser fragen. Aber er wolle bedenken: nicht ganz so einfach, wie man sich im übrigen Deutschland gewöhnlich vorstellt, liegen in Baden die Verhältnisse. Lange schon waren hier die nationalen Bestrebungen eng verflochten mit dem harten Kampfe, in welchem die Staatsgewalt und die li¬ berale Partei den Anmaßungen des Ultramontanismus gegenüberstehen. Na¬ türlich also, daß die Entscheidung der nationalen Frage zugleich ein Helles Streiflicht aus die zukünftige Gestaltung dieses Kampfes werfen mußte. An¬ drerseits sind es die Erklärungen der Regierung über die Genesis der Ver- sailler Verträge, welche eine allgemeine Bedeutung haben. Von den letzteren zuerst! Kein allzu großes Gewicht wird man der Eröffnung beimessen, daß die badische Regierung, im Interesse einer besseren Sicherung der süddeutschen Grenze, die erste Anregung zur Wiedererwerbung des Elsasses gab. Daß sie, als die meistbetheiligte, diesen Schritt that, liegt in der Natur der Sache. Indeß, wir denken, auch ohne solche Anregung würde Graf Bismarck zuge¬ griffen haben, und kein Vernünftiger würde ihn darum eines specifisch-preu¬ ßischen Egoismus beschuldigen. Von Interesse jedoch ist die bestimmte Mit¬ theilung, daß das neuerworbene Gebiet nicht direct an Preußen annectirt, sondern deutsches Reichsland werden soll — eine, offen gestanden, etwas nebel¬ hafte Perspective. — Wichtiger war die Erklärung des Staatsministers, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/79>, abgerufen am 05.05.2024.