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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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zusetzen sein, ebenso auf den Eisenbahnen der Provinz. Von geringerer Wich¬
tigkeit ist, daß den chemischen Fabriken das Salz aus den Staatssalzwerken
im Arrondissement Salzburg ebenso abgelassen werde, wie bisher. Darauf
beruht zum Theil die Existenz dieser Industrie.

(Fortsetzung folgt.)




?om deutschen Ieichstag.

Nachdem die Adreßverhandlung sich ausschließlich um den klerikalen
Gegenentwurf bewegt, hat die zweite größere Verhandlung des ersten Reichs¬
tags wiederum das Verhältniß des neuen Reiches zur römischen Kirche zum
Gegenstand gehabt. Die zweite Verhandlung war bei Weitem ausgedehnter
und eingreifender als die erste, und dennoch hat sie den Gegenstand, wie wir
im Gegensatz zu Vielen einstweilen behaupten und nachher begründen wollen,
durchaus nicht erschöpft und selbst seine wahre Natur nur erst undeutlich ent¬
hüllt. Das deutsche Reich und das römische Papstthum sind zwei Mächte,
die während des Ersteren tausendjähriger Geschichte unaufhörlich mit einander
zu schaffen gehabt haben. Kaum ist das Reich wieder erstanden, so regt sich
auch der alte Gegensatz und wird nicht ruhen bis -- --; wir wollen die
Lücke einstweilen nicht ergänzen. Ihre wahre Ergänzung wird sie nur in der
Geschichte finden, und was wir von dieser Ergänzung ahnen und hoffen, läßt
sich noch nicht in eine einfache Formel zusammenfassen. Es gibt kluge Leute,
welche es befremdend, unnatürlich, ja höchst überflüssig und launenhaft fin¬
den, daß auf der Schwelle des neuen Reiches der alte Gegensatz wieder herauf¬
beschworen worden. Diese Leute suchen die Neuheit des wieder hergestellten
Reiches darin, daß dasselbe Rom Rom sein zu lassen habe. Kindliche Weisheit,
oder vielmehr kindische Altklugheit! Wenn Rom erst das deutsche Reich wird
sein lassen, was es sein will, dann sind wir so weit,-wie jene Vorschnellen
meinen. Ob das aber möglich ist, so lange Rom Rom ist, darüber wird
wiederum nur die Geschichte entscheiden. Das bisherige Verständniß der Ge¬
schichte und ihrer geistigen Gewalten läßt an eine solche Möglichkeit nicht
glauben.

Im alten Reich hat stets das römische Papstthum herrschen wollen, wie
es seiner Idee nach überall herrschen muß. Daß diese Idee in ihm nicht er¬
loschen, davon hat es durch die Erhebung der Unfehlbarkeitslehre zur Glau¬
bensnorm im vorigen Jahre den augenfälligsten Beweis geliefert. Das Papst¬
thum herrschte im alten Reich, indem es den Organismus desselben zerbröckelte,
indem es die unbeschränkte Hoheit über die wunderliche Schöpfung des geist¬
lichen Reichsfürstenthums glücklich behauptete, indem es zu Zeiten mit Glück,
zu Zeiten bedingt die Oberhoheit über das Kaiserthum selbst zur Geltung
brachte, indem es endlich auf den Reichstagen, den großen Repräsentationen
des Reichsorganismus, als berechtigte, oft als ausschlaggebende Gewalt
auftrat.

Als das Reich zerfallen, als die Schöpfung geistlicher Fürstentümer vom
deutschen Boden verschwunden, da herrschte das römische Papstthum auf die¬
sem Boden freilich nur mittelst des Organismus der Kirche, bald im Bunde,
bald zum Trotz der particulären Staatsgewalten, in welche das alte Reich
sich aufgelöst hatte. In den Staaten der übrigen Welt war das Verhältniß


zusetzen sein, ebenso auf den Eisenbahnen der Provinz. Von geringerer Wich¬
tigkeit ist, daß den chemischen Fabriken das Salz aus den Staatssalzwerken
im Arrondissement Salzburg ebenso abgelassen werde, wie bisher. Darauf
beruht zum Theil die Existenz dieser Industrie.

(Fortsetzung folgt.)




?om deutschen Ieichstag.

Nachdem die Adreßverhandlung sich ausschließlich um den klerikalen
Gegenentwurf bewegt, hat die zweite größere Verhandlung des ersten Reichs¬
tags wiederum das Verhältniß des neuen Reiches zur römischen Kirche zum
Gegenstand gehabt. Die zweite Verhandlung war bei Weitem ausgedehnter
und eingreifender als die erste, und dennoch hat sie den Gegenstand, wie wir
im Gegensatz zu Vielen einstweilen behaupten und nachher begründen wollen,
durchaus nicht erschöpft und selbst seine wahre Natur nur erst undeutlich ent¬
hüllt. Das deutsche Reich und das römische Papstthum sind zwei Mächte,
die während des Ersteren tausendjähriger Geschichte unaufhörlich mit einander
zu schaffen gehabt haben. Kaum ist das Reich wieder erstanden, so regt sich
auch der alte Gegensatz und wird nicht ruhen bis — —; wir wollen die
Lücke einstweilen nicht ergänzen. Ihre wahre Ergänzung wird sie nur in der
Geschichte finden, und was wir von dieser Ergänzung ahnen und hoffen, läßt
sich noch nicht in eine einfache Formel zusammenfassen. Es gibt kluge Leute,
welche es befremdend, unnatürlich, ja höchst überflüssig und launenhaft fin¬
den, daß auf der Schwelle des neuen Reiches der alte Gegensatz wieder herauf¬
beschworen worden. Diese Leute suchen die Neuheit des wieder hergestellten
Reiches darin, daß dasselbe Rom Rom sein zu lassen habe. Kindliche Weisheit,
oder vielmehr kindische Altklugheit! Wenn Rom erst das deutsche Reich wird
sein lassen, was es sein will, dann sind wir so weit,-wie jene Vorschnellen
meinen. Ob das aber möglich ist, so lange Rom Rom ist, darüber wird
wiederum nur die Geschichte entscheiden. Das bisherige Verständniß der Ge¬
schichte und ihrer geistigen Gewalten läßt an eine solche Möglichkeit nicht
glauben.

Im alten Reich hat stets das römische Papstthum herrschen wollen, wie
es seiner Idee nach überall herrschen muß. Daß diese Idee in ihm nicht er¬
loschen, davon hat es durch die Erhebung der Unfehlbarkeitslehre zur Glau¬
bensnorm im vorigen Jahre den augenfälligsten Beweis geliefert. Das Papst¬
thum herrschte im alten Reich, indem es den Organismus desselben zerbröckelte,
indem es die unbeschränkte Hoheit über die wunderliche Schöpfung des geist¬
lichen Reichsfürstenthums glücklich behauptete, indem es zu Zeiten mit Glück,
zu Zeiten bedingt die Oberhoheit über das Kaiserthum selbst zur Geltung
brachte, indem es endlich auf den Reichstagen, den großen Repräsentationen
des Reichsorganismus, als berechtigte, oft als ausschlaggebende Gewalt
auftrat.

Als das Reich zerfallen, als die Schöpfung geistlicher Fürstentümer vom
deutschen Boden verschwunden, da herrschte das römische Papstthum auf die¬
sem Boden freilich nur mittelst des Organismus der Kirche, bald im Bunde,
bald zum Trotz der particulären Staatsgewalten, in welche das alte Reich
sich aufgelöst hatte. In den Staaten der übrigen Welt war das Verhältniß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/116>, abgerufen am 30.04.2024.