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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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-- lediglich in der Absicht, in einer müßigen Stunde die Spalten eines
welfischen Blattes zu füllen, den albernsten Kellner-Klatsch zusammen, selbst
auf die Gefahr hin, daß sich in diesem Kehricht Zündstoffe finden, die, wenn
sich der Sturm ihrer bemächtigt, geeignet sind, Europa in Flammen zu setzen.

Welchen Gebrauch das welfische Blatt, für welches Vogt schreibt, von
seinen Artikeln macht, kann er gleich in der nämlichen Nummer sehen. Da
polemisirt Herr Julius Frese gegen den gut deutsch-gesinnten steierischen Ab¬
geordneten W. Rechbauer, und als ihm die Gründe ausgehn, ergeht er sich
in folgender Exclamation:

-- "Ueber das, was deutsch und was östreichisch!, wollen wir heute dem
Dr. Rechbauer gegenüber nicht wiederholen, was wir gestern dem Herrn Herbst
gesagt. Wir verweisen ihn einfach auf den vorstehenden Brief von Carl
Vogt. Da mag der Abgeordnete aus Steiermark lernen, wie ein deutscher
Demokrat fühlt, denkt und spricht." ,

Ich weiß, was uns Herr Vogt antwortet.

-- "Ich habe ja nur gegen den preußischen Corporalstock und nicht gegen
Deutschland geschrieben," wird er sagen.

Aber sein Freund Frese ist gleich zur Hand, ihn zu widerlegen. Er ge¬
braucht Vogt's Artikel, um das Deutsche!)um in Oestreich zu bekämpfen. Und
dann: Seitdem der König von Preußen deutscher Kaiser, ist seine Politik
die deutsche Politik, und wer diese Politik auf Grund albernen Klatsches
eben so wahrheitswidrig, wie leichtfertig verdächtigt, der versündigt sich an
seinem Vaterlande und verdient nicht, fernerhin ein Deutscher zu heißen.

Gerade aber weil Herr Frese Herrn Vogt für einen "Deutschen" ausgiebt,
ohne daß der "abgerundete" Europäer widerspricht, deshalb wirkt sein alberner
Wirthshaus-Klatsch alsZeugniß eines Deutschen wider sein eigenes
Vaterland; und gerade deshalb werden sich die Bassermann'schen Gestalten
in Zürich, das Gesindel in Bukarest, kurz es wird sich jede Schwefelbande,
welche es gelüstet, ihr Müthchen an Deutschen zu kühlen, auf den weiland
Reichsregenten berufen.

Und wir?

Nun, wir werden nach wie vor seine Vorlesungen besuchen und anständig
x---v. honoriren.




Das Auftreten der katholischen Fraction im Reichstag wird in Süd¬
deutschland mit großer Spannung verfolgt. Daß diese Partei gleich bet
Beginn der Session so hastig mit ihren Forderungen hervortritt, hängt wohl
weniger mit dem sachlichen Interesse an den von ihr gestellten Anträgen zu¬
sammen, als mit dem Streben, möglichst rasch sich über die Aussichten zu
vergewissern, welche ihr die neue Reichsgewalt für die Erreichung ihrer Zwecke
bieten dürfte. Gerade im Süden, wo ihr Einfluß am größten ist, tastet sie
immer noch nach einer höheren Directive für ihr ferneres politisches Verhalten;


— lediglich in der Absicht, in einer müßigen Stunde die Spalten eines
welfischen Blattes zu füllen, den albernsten Kellner-Klatsch zusammen, selbst
auf die Gefahr hin, daß sich in diesem Kehricht Zündstoffe finden, die, wenn
sich der Sturm ihrer bemächtigt, geeignet sind, Europa in Flammen zu setzen.

Welchen Gebrauch das welfische Blatt, für welches Vogt schreibt, von
seinen Artikeln macht, kann er gleich in der nämlichen Nummer sehen. Da
polemisirt Herr Julius Frese gegen den gut deutsch-gesinnten steierischen Ab¬
geordneten W. Rechbauer, und als ihm die Gründe ausgehn, ergeht er sich
in folgender Exclamation:

— „Ueber das, was deutsch und was östreichisch!, wollen wir heute dem
Dr. Rechbauer gegenüber nicht wiederholen, was wir gestern dem Herrn Herbst
gesagt. Wir verweisen ihn einfach auf den vorstehenden Brief von Carl
Vogt. Da mag der Abgeordnete aus Steiermark lernen, wie ein deutscher
Demokrat fühlt, denkt und spricht." ,

Ich weiß, was uns Herr Vogt antwortet.

— „Ich habe ja nur gegen den preußischen Corporalstock und nicht gegen
Deutschland geschrieben," wird er sagen.

Aber sein Freund Frese ist gleich zur Hand, ihn zu widerlegen. Er ge¬
braucht Vogt's Artikel, um das Deutsche!)um in Oestreich zu bekämpfen. Und
dann: Seitdem der König von Preußen deutscher Kaiser, ist seine Politik
die deutsche Politik, und wer diese Politik auf Grund albernen Klatsches
eben so wahrheitswidrig, wie leichtfertig verdächtigt, der versündigt sich an
seinem Vaterlande und verdient nicht, fernerhin ein Deutscher zu heißen.

Gerade aber weil Herr Frese Herrn Vogt für einen „Deutschen" ausgiebt,
ohne daß der „abgerundete" Europäer widerspricht, deshalb wirkt sein alberner
Wirthshaus-Klatsch alsZeugniß eines Deutschen wider sein eigenes
Vaterland; und gerade deshalb werden sich die Bassermann'schen Gestalten
in Zürich, das Gesindel in Bukarest, kurz es wird sich jede Schwefelbande,
welche es gelüstet, ihr Müthchen an Deutschen zu kühlen, auf den weiland
Reichsregenten berufen.

Und wir?

Nun, wir werden nach wie vor seine Vorlesungen besuchen und anständig
x—-v. honoriren.




Das Auftreten der katholischen Fraction im Reichstag wird in Süd¬
deutschland mit großer Spannung verfolgt. Daß diese Partei gleich bet
Beginn der Session so hastig mit ihren Forderungen hervortritt, hängt wohl
weniger mit dem sachlichen Interesse an den von ihr gestellten Anträgen zu¬
sammen, als mit dem Streben, möglichst rasch sich über die Aussichten zu
vergewissern, welche ihr die neue Reichsgewalt für die Erreichung ihrer Zwecke
bieten dürfte. Gerade im Süden, wo ihr Einfluß am größten ist, tastet sie
immer noch nach einer höheren Directive für ihr ferneres politisches Verhalten;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/124>, abgerufen am 30.04.2024.