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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Die Farbeneffecte aber, die nicht wiederzugeben sind, werden verloren
gehen bei der den Erfordernissen der Neuzeit und einem katholischen
Lehrerseminar entsprechenden Umgestaltung des Baues. Die farbigen Nackt¬
heiten werden einer reinlichen weißen Tünche weichen müssen. Die prachtvolle
Haupttreppe wird ausgehoben und das Treppenhaus in zwei Hörsäle verwan¬
delt werden. Auch in den großen Festsaal soll ein Boden in halber Höhe hineinge¬
legt werden. Vom alten Bischofspalast wird wenig übrig bleiben; ob ein
praktisches Seminargebäude daraus wird, mag dahingestellt bleiben. Jeden¬
falls aber ließe sich erwarten, daß ein eigens zu diesem Zweck errichtetes Ge¬
bäude, bei dem unsere Baumeister ihrer Erfindungskraft freien Lauf lassen
könnten, doch noch befriedigender ausfallen würde. Hoffen wir daher, daß
den Kunstverständigen des Großherzogthums und dem Ettlinger Gemeinde¬
rath gelingen möge, der Kunst das Schloß zu Bruchsal, der Stadt Ettlingen
E. I. ihr Lehrerseminar zu erhalten.




Deutsche Aufgaben in Maß-Lothringen.
(Schluß.)

In Betreff der Rechtsordnung empfiehlt F. Dahn an Stelle des
Pariser Cassationshofes die Errichtung eines besonderen "rheinischen Senats"
am Obertribunal in Berlin oder die Bestellung des Reichs-Oberhandels-Ge¬
richts in Leipzig als obersten Gerichtshof für Elsaß-Lothringen. Dringend
empfiehlt er die Einführung des norddeutschen Strafrechts zu einem möglichst
nahen Zeitpunkt, dann der Norddeutschen Proceß- und der Gerichtsordnung,
(mit erweiterter Zuständigkeit der Friedensgerichte) etwa zum 1. Juli 1871;
ebenso des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, der allgemeinen deutschen
Wechselordnung und des norddeutschen Gesetzes über Urheberrecht vom Jahre
1870 in gleicher Frist.

Die Franzosen sind vortreffliche Statistiker, aber weit entfernt sich durch
die Ergebnisse dieser Wissenschaft belehren zu lassen, bleiben sie, trotz der Aus¬
sprüche derselben, häufig bei ihren eingewurzelten Vorurtheilen. Einer ihrer
Ansprüche ist bekanntlich, daß sie an der Spitze der Civilisation einherschreiten.
Noch zur Rechtfertigung des gegenwärtigen Krieges haben sie wie im Hohne
erklärt, sie wollten die wahre Civilisation an und über den Rhein tragen und


Die Farbeneffecte aber, die nicht wiederzugeben sind, werden verloren
gehen bei der den Erfordernissen der Neuzeit und einem katholischen
Lehrerseminar entsprechenden Umgestaltung des Baues. Die farbigen Nackt¬
heiten werden einer reinlichen weißen Tünche weichen müssen. Die prachtvolle
Haupttreppe wird ausgehoben und das Treppenhaus in zwei Hörsäle verwan¬
delt werden. Auch in den großen Festsaal soll ein Boden in halber Höhe hineinge¬
legt werden. Vom alten Bischofspalast wird wenig übrig bleiben; ob ein
praktisches Seminargebäude daraus wird, mag dahingestellt bleiben. Jeden¬
falls aber ließe sich erwarten, daß ein eigens zu diesem Zweck errichtetes Ge¬
bäude, bei dem unsere Baumeister ihrer Erfindungskraft freien Lauf lassen
könnten, doch noch befriedigender ausfallen würde. Hoffen wir daher, daß
den Kunstverständigen des Großherzogthums und dem Ettlinger Gemeinde¬
rath gelingen möge, der Kunst das Schloß zu Bruchsal, der Stadt Ettlingen
E. I. ihr Lehrerseminar zu erhalten.




Deutsche Aufgaben in Maß-Lothringen.
(Schluß.)

In Betreff der Rechtsordnung empfiehlt F. Dahn an Stelle des
Pariser Cassationshofes die Errichtung eines besonderen „rheinischen Senats"
am Obertribunal in Berlin oder die Bestellung des Reichs-Oberhandels-Ge¬
richts in Leipzig als obersten Gerichtshof für Elsaß-Lothringen. Dringend
empfiehlt er die Einführung des norddeutschen Strafrechts zu einem möglichst
nahen Zeitpunkt, dann der Norddeutschen Proceß- und der Gerichtsordnung,
(mit erweiterter Zuständigkeit der Friedensgerichte) etwa zum 1. Juli 1871;
ebenso des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, der allgemeinen deutschen
Wechselordnung und des norddeutschen Gesetzes über Urheberrecht vom Jahre
1870 in gleicher Frist.

Die Franzosen sind vortreffliche Statistiker, aber weit entfernt sich durch
die Ergebnisse dieser Wissenschaft belehren zu lassen, bleiben sie, trotz der Aus¬
sprüche derselben, häufig bei ihren eingewurzelten Vorurtheilen. Einer ihrer
Ansprüche ist bekanntlich, daß sie an der Spitze der Civilisation einherschreiten.
Noch zur Rechtfertigung des gegenwärtigen Krieges haben sie wie im Hohne
erklärt, sie wollten die wahre Civilisation an und über den Rhein tragen und


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[0231] Die Farbeneffecte aber, die nicht wiederzugeben sind, werden verloren gehen bei der den Erfordernissen der Neuzeit und einem katholischen Lehrerseminar entsprechenden Umgestaltung des Baues. Die farbigen Nackt¬ heiten werden einer reinlichen weißen Tünche weichen müssen. Die prachtvolle Haupttreppe wird ausgehoben und das Treppenhaus in zwei Hörsäle verwan¬ delt werden. Auch in den großen Festsaal soll ein Boden in halber Höhe hineinge¬ legt werden. Vom alten Bischofspalast wird wenig übrig bleiben; ob ein praktisches Seminargebäude daraus wird, mag dahingestellt bleiben. Jeden¬ falls aber ließe sich erwarten, daß ein eigens zu diesem Zweck errichtetes Ge¬ bäude, bei dem unsere Baumeister ihrer Erfindungskraft freien Lauf lassen könnten, doch noch befriedigender ausfallen würde. Hoffen wir daher, daß den Kunstverständigen des Großherzogthums und dem Ettlinger Gemeinde¬ rath gelingen möge, der Kunst das Schloß zu Bruchsal, der Stadt Ettlingen E. I. ihr Lehrerseminar zu erhalten. Deutsche Aufgaben in Maß-Lothringen. (Schluß.) In Betreff der Rechtsordnung empfiehlt F. Dahn an Stelle des Pariser Cassationshofes die Errichtung eines besonderen „rheinischen Senats" am Obertribunal in Berlin oder die Bestellung des Reichs-Oberhandels-Ge¬ richts in Leipzig als obersten Gerichtshof für Elsaß-Lothringen. Dringend empfiehlt er die Einführung des norddeutschen Strafrechts zu einem möglichst nahen Zeitpunkt, dann der Norddeutschen Proceß- und der Gerichtsordnung, (mit erweiterter Zuständigkeit der Friedensgerichte) etwa zum 1. Juli 1871; ebenso des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, der allgemeinen deutschen Wechselordnung und des norddeutschen Gesetzes über Urheberrecht vom Jahre 1870 in gleicher Frist. Die Franzosen sind vortreffliche Statistiker, aber weit entfernt sich durch die Ergebnisse dieser Wissenschaft belehren zu lassen, bleiben sie, trotz der Aus¬ sprüche derselben, häufig bei ihren eingewurzelten Vorurtheilen. Einer ihrer Ansprüche ist bekanntlich, daß sie an der Spitze der Civilisation einherschreiten. Noch zur Rechtfertigung des gegenwärtigen Krieges haben sie wie im Hohne erklärt, sie wollten die wahre Civilisation an und über den Rhein tragen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/231>, abgerufen am 30.04.2024.