Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Im Münzsrage.
Goldthaler oder Goldgulden?

Von G, D. Augspurg, Mitglied des deutschen Reichstags.

Seit Jahren schon dauert der Streit über die Wahl unseres künftigen
Münzsystems. Trotzdem aber, daß die Entscheidung heranrückt, kann man
nicht sagen, daß er schärfer geworden wäre; im Gegentheil, insofern, als
Viele der früheren Teilnehmer sich zurückgezogen haben, und in Folge davon,
trotz anderer neu aufgetauchter Projecte, die Frage wohl am Ende nur
darüber zu entscheiden sein wird, ob Deutschland in Zukunft nach Goldthalern,
oder nach Goldgulden rechnen soll, würde die Bezeichnung richtiger sein, daß
heute nur noch ein Scharmützel stattfindet, ein Kampf mit dem Nachtrabe.

Das Vernünftige der aufgestellten Grundsätze, daß bei Einführung des
metrischen Maß- und Gewichtssystems folgerechter und rationeller Weise auch
das metrische Münzsystem in Deutschland anzunehmen sei, und ferner, daß
man bei der Herstellung von Goldmünzen hinsichtlich ihres Gewichtes in
erster Linie auf den allein werthvollen Theil, das Edelmetall, sehen müsse,
liegt so sehr auf der Hand, daß die große Menge sich ihm von vornherein
nicht verschlossen haben würde, wäre sie nicht durch die Pariser Münzconferenz
und die ihr in Aussicht gestellte universelle Münzeinigung der Völker geblen¬
det und verwirrt worden. Es ist nämlich beim Münzwesen im Auge zu
halten: *

1. daß die Münzen selbst nur die äußere Form des Werthmaßes bil¬
den, daß dieses selbst, das wirkliche Werthmaß, eine gesetzlich bestimmte Ge¬
wichtsgröße Edelmetalls ist. daß dieselbe rationeller Weise eine einheitliche
Gewichtsgröße, eine Gewichtseinheit sein müsse; daß folglich, so lange
man sich an die Silberwährung hält, d. h. so lange man die wirthschaftlichen
Werthe nach Silber mißt, und so lange man als Gewichte das Pfund und
das Loth hat, es richtig ist, als Rechnungseinheit des Münzsystems ein
Quantum feinen Silbers zu benutzen, welches entweder durch ein Pfund oder
ein Loth an Gewicht bestimmt wird, daß aber, sobald wir einerseits zum
metrischen Gewichtssysteme, andrerseits zur Goldwährung, zum Messen der
Werthe nach einer Gewichtsgröße Goldes übergehen, richtigerweise dieselbe


Grenzboten I. 1871. 102
Im Münzsrage.
Goldthaler oder Goldgulden?

Von G, D. Augspurg, Mitglied des deutschen Reichstags.

Seit Jahren schon dauert der Streit über die Wahl unseres künftigen
Münzsystems. Trotzdem aber, daß die Entscheidung heranrückt, kann man
nicht sagen, daß er schärfer geworden wäre; im Gegentheil, insofern, als
Viele der früheren Teilnehmer sich zurückgezogen haben, und in Folge davon,
trotz anderer neu aufgetauchter Projecte, die Frage wohl am Ende nur
darüber zu entscheiden sein wird, ob Deutschland in Zukunft nach Goldthalern,
oder nach Goldgulden rechnen soll, würde die Bezeichnung richtiger sein, daß
heute nur noch ein Scharmützel stattfindet, ein Kampf mit dem Nachtrabe.

Das Vernünftige der aufgestellten Grundsätze, daß bei Einführung des
metrischen Maß- und Gewichtssystems folgerechter und rationeller Weise auch
das metrische Münzsystem in Deutschland anzunehmen sei, und ferner, daß
man bei der Herstellung von Goldmünzen hinsichtlich ihres Gewichtes in
erster Linie auf den allein werthvollen Theil, das Edelmetall, sehen müsse,
liegt so sehr auf der Hand, daß die große Menge sich ihm von vornherein
nicht verschlossen haben würde, wäre sie nicht durch die Pariser Münzconferenz
und die ihr in Aussicht gestellte universelle Münzeinigung der Völker geblen¬
det und verwirrt worden. Es ist nämlich beim Münzwesen im Auge zu
halten: *

1. daß die Münzen selbst nur die äußere Form des Werthmaßes bil¬
den, daß dieses selbst, das wirkliche Werthmaß, eine gesetzlich bestimmte Ge¬
wichtsgröße Edelmetalls ist. daß dieselbe rationeller Weise eine einheitliche
Gewichtsgröße, eine Gewichtseinheit sein müsse; daß folglich, so lange
man sich an die Silberwährung hält, d. h. so lange man die wirthschaftlichen
Werthe nach Silber mißt, und so lange man als Gewichte das Pfund und
das Loth hat, es richtig ist, als Rechnungseinheit des Münzsystems ein
Quantum feinen Silbers zu benutzen, welches entweder durch ein Pfund oder
ein Loth an Gewicht bestimmt wird, daß aber, sobald wir einerseits zum
metrischen Gewichtssysteme, andrerseits zur Goldwährung, zum Messen der
Werthe nach einer Gewichtsgröße Goldes übergehen, richtigerweise dieselbe


Grenzboten I. 1871. 102
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126071"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Im Münzsrage.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Goldthaler oder Goldgulden?</head><lb/>
            <note type="byline"> Von G, D. Augspurg, Mitglied des deutschen Reichstags.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_920"> Seit Jahren schon dauert der Streit über die Wahl unseres künftigen<lb/>
Münzsystems. Trotzdem aber, daß die Entscheidung heranrückt, kann man<lb/>
nicht sagen, daß er schärfer geworden wäre; im Gegentheil, insofern, als<lb/>
Viele der früheren Teilnehmer sich zurückgezogen haben, und in Folge davon,<lb/>
trotz anderer neu aufgetauchter Projecte, die Frage wohl am Ende nur<lb/>
darüber zu entscheiden sein wird, ob Deutschland in Zukunft nach Goldthalern,<lb/>
oder nach Goldgulden rechnen soll, würde die Bezeichnung richtiger sein, daß<lb/>
heute nur noch ein Scharmützel stattfindet, ein Kampf mit dem Nachtrabe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_921"> Das Vernünftige der aufgestellten Grundsätze, daß bei Einführung des<lb/>
metrischen Maß- und Gewichtssystems folgerechter und rationeller Weise auch<lb/>
das metrische Münzsystem in Deutschland anzunehmen sei, und ferner, daß<lb/>
man bei der Herstellung von Goldmünzen hinsichtlich ihres Gewichtes in<lb/>
erster Linie auf den allein werthvollen Theil, das Edelmetall, sehen müsse,<lb/>
liegt so sehr auf der Hand, daß die große Menge sich ihm von vornherein<lb/>
nicht verschlossen haben würde, wäre sie nicht durch die Pariser Münzconferenz<lb/>
und die ihr in Aussicht gestellte universelle Münzeinigung der Völker geblen¬<lb/>
det und verwirrt worden. Es ist nämlich beim Münzwesen im Auge zu<lb/>
halten: *</p><lb/>
            <p xml:id="ID_922" next="#ID_923"> 1. daß die Münzen selbst nur die äußere Form des Werthmaßes bil¬<lb/>
den, daß dieses selbst, das wirkliche Werthmaß, eine gesetzlich bestimmte Ge¬<lb/>
wichtsgröße Edelmetalls ist. daß dieselbe rationeller Weise eine einheitliche<lb/>
Gewichtsgröße, eine Gewichtseinheit sein müsse; daß folglich, so lange<lb/>
man sich an die Silberwährung hält, d. h. so lange man die wirthschaftlichen<lb/>
Werthe nach Silber mißt, und so lange man als Gewichte das Pfund und<lb/>
das Loth hat, es richtig ist, als Rechnungseinheit des Münzsystems ein<lb/>
Quantum feinen Silbers zu benutzen, welches entweder durch ein Pfund oder<lb/>
ein Loth an Gewicht bestimmt wird, daß aber, sobald wir einerseits zum<lb/>
metrischen Gewichtssysteme, andrerseits zur Goldwährung, zum Messen der<lb/>
Werthe nach einer Gewichtsgröße Goldes übergehen, richtigerweise dieselbe</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1871. 102</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0289] Im Münzsrage. Goldthaler oder Goldgulden? Von G, D. Augspurg, Mitglied des deutschen Reichstags. Seit Jahren schon dauert der Streit über die Wahl unseres künftigen Münzsystems. Trotzdem aber, daß die Entscheidung heranrückt, kann man nicht sagen, daß er schärfer geworden wäre; im Gegentheil, insofern, als Viele der früheren Teilnehmer sich zurückgezogen haben, und in Folge davon, trotz anderer neu aufgetauchter Projecte, die Frage wohl am Ende nur darüber zu entscheiden sein wird, ob Deutschland in Zukunft nach Goldthalern, oder nach Goldgulden rechnen soll, würde die Bezeichnung richtiger sein, daß heute nur noch ein Scharmützel stattfindet, ein Kampf mit dem Nachtrabe. Das Vernünftige der aufgestellten Grundsätze, daß bei Einführung des metrischen Maß- und Gewichtssystems folgerechter und rationeller Weise auch das metrische Münzsystem in Deutschland anzunehmen sei, und ferner, daß man bei der Herstellung von Goldmünzen hinsichtlich ihres Gewichtes in erster Linie auf den allein werthvollen Theil, das Edelmetall, sehen müsse, liegt so sehr auf der Hand, daß die große Menge sich ihm von vornherein nicht verschlossen haben würde, wäre sie nicht durch die Pariser Münzconferenz und die ihr in Aussicht gestellte universelle Münzeinigung der Völker geblen¬ det und verwirrt worden. Es ist nämlich beim Münzwesen im Auge zu halten: * 1. daß die Münzen selbst nur die äußere Form des Werthmaßes bil¬ den, daß dieses selbst, das wirkliche Werthmaß, eine gesetzlich bestimmte Ge¬ wichtsgröße Edelmetalls ist. daß dieselbe rationeller Weise eine einheitliche Gewichtsgröße, eine Gewichtseinheit sein müsse; daß folglich, so lange man sich an die Silberwährung hält, d. h. so lange man die wirthschaftlichen Werthe nach Silber mißt, und so lange man als Gewichte das Pfund und das Loth hat, es richtig ist, als Rechnungseinheit des Münzsystems ein Quantum feinen Silbers zu benutzen, welches entweder durch ein Pfund oder ein Loth an Gewicht bestimmt wird, daß aber, sobald wir einerseits zum metrischen Gewichtssysteme, andrerseits zur Goldwährung, zum Messen der Werthe nach einer Gewichtsgröße Goldes übergehen, richtigerweise dieselbe Grenzboten I. 1871. 102

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/289
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/289>, abgerufen am 30.04.2024.