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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Nationen, nach dem Machiavelli'schen Gesetze des "riwrno al siZno", immer
wieder von Neuem zustreben werden, so lange bis es erreicht ist.l


Dr. Karl Braun.



Zwei Worte über die Erziehung unsrer Kinder.
(Schluß.)
II.

Auf wen von uns hätte es nicht einen komischen Eindruck gemacht,
wenn wir so häufig Aeußerungen in den Zeitungen lesen, wonach wir von
französischer Seite Barbaren, unsere Truppen barbarische Horden genannt
werden, auch jetzt noch, nachdem sie einigermaßen Gelegenheit gehabt haben,
uns und unsre Soldaten durch unmittelbare Anschauung kennen zu lernen?
Wir wissen, und die besser unterrichteten Franzosen wissen auch, daß unsre
Schulen als die besten der ganzen Welt anerkannt sind, daß z, B. im preu¬
ßischen Staate, wenn man die etwas weniger günstig gestellten Provinzen
Preußen und Posen bei Seite läßt, nach den neuesten Ermittelungen von der
Masse des Volkes nur 1,13 yet. als Durchschnitt sämmtlicher übrigen Pro¬
vinzen ohne Schulbildung waren, während die in Frankreich 1867 angestellten
officiellen Untersuchungen (s. I/instruction en Kranes en 1867 par ^. Nimisr.)
ergeben haben, daß dort 33,42 yet. der Bevölkerung nicht schreiben, 23 yet.
nicht einmal lesen konnten. Französische Zeitungen haben anerkannt, daß
der deutsche Soldat sich durchgängig gut und gesittet beträgt, daß er nament¬
lich dem weiblichen Geschlechte nie die gebührende Achtung verweigert, während
jeder Franzose weiß, daß die Truppen seines Landes ganz anders beim Feinde
Hausen würden, daß sie also der großen Menge nach weniger Gesittung besitzen.
Den wissenschaftlich gebildeten Franzosen ist es ferner so gut bekannt wie uns,
daß Deutschland ihnen in fast allen Wissenschaften weit voraus ist. Was die
Kriegskunst betrifft, in der sie sich seit Jahrhunderten als die berechtigten
Lehrmeister der Welt angesehen haben, so ist ihnen soeben der praktische
Beweis beigebracht worden, daß ihre Strategen sich mit den unsrigen nicht
messen können, und hinsichtlich der Lebensklugheit und Gewandtheit, in der sie
sich ebenfalls für allen Völkern überlegen hielten, proclamiren ja schon seit
1866 ihre Politiker, daß deutsche Staatsmänner die arglosen Franzosen
überlistet haben; ja Michelet, welcher ein Geschichtsschreiber sein will, behauptet
(ig. ?rince äövaut 1'Luroxe 1871), daß diese Ueberlistung seines Volkes auch


Nationen, nach dem Machiavelli'schen Gesetze des „riwrno al siZno", immer
wieder von Neuem zustreben werden, so lange bis es erreicht ist.l


Dr. Karl Braun.



Zwei Worte über die Erziehung unsrer Kinder.
(Schluß.)
II.

Auf wen von uns hätte es nicht einen komischen Eindruck gemacht,
wenn wir so häufig Aeußerungen in den Zeitungen lesen, wonach wir von
französischer Seite Barbaren, unsere Truppen barbarische Horden genannt
werden, auch jetzt noch, nachdem sie einigermaßen Gelegenheit gehabt haben,
uns und unsre Soldaten durch unmittelbare Anschauung kennen zu lernen?
Wir wissen, und die besser unterrichteten Franzosen wissen auch, daß unsre
Schulen als die besten der ganzen Welt anerkannt sind, daß z, B. im preu¬
ßischen Staate, wenn man die etwas weniger günstig gestellten Provinzen
Preußen und Posen bei Seite läßt, nach den neuesten Ermittelungen von der
Masse des Volkes nur 1,13 yet. als Durchschnitt sämmtlicher übrigen Pro¬
vinzen ohne Schulbildung waren, während die in Frankreich 1867 angestellten
officiellen Untersuchungen (s. I/instruction en Kranes en 1867 par ^. Nimisr.)
ergeben haben, daß dort 33,42 yet. der Bevölkerung nicht schreiben, 23 yet.
nicht einmal lesen konnten. Französische Zeitungen haben anerkannt, daß
der deutsche Soldat sich durchgängig gut und gesittet beträgt, daß er nament¬
lich dem weiblichen Geschlechte nie die gebührende Achtung verweigert, während
jeder Franzose weiß, daß die Truppen seines Landes ganz anders beim Feinde
Hausen würden, daß sie also der großen Menge nach weniger Gesittung besitzen.
Den wissenschaftlich gebildeten Franzosen ist es ferner so gut bekannt wie uns,
daß Deutschland ihnen in fast allen Wissenschaften weit voraus ist. Was die
Kriegskunst betrifft, in der sie sich seit Jahrhunderten als die berechtigten
Lehrmeister der Welt angesehen haben, so ist ihnen soeben der praktische
Beweis beigebracht worden, daß ihre Strategen sich mit den unsrigen nicht
messen können, und hinsichtlich der Lebensklugheit und Gewandtheit, in der sie
sich ebenfalls für allen Völkern überlegen hielten, proclamiren ja schon seit
1866 ihre Politiker, daß deutsche Staatsmänner die arglosen Franzosen
überlistet haben; ja Michelet, welcher ein Geschichtsschreiber sein will, behauptet
(ig. ?rince äövaut 1'Luroxe 1871), daß diese Ueberlistung seines Volkes auch


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[0312] Nationen, nach dem Machiavelli'schen Gesetze des „riwrno al siZno", immer wieder von Neuem zustreben werden, so lange bis es erreicht ist.l Dr. Karl Braun. Zwei Worte über die Erziehung unsrer Kinder. (Schluß.) II. Auf wen von uns hätte es nicht einen komischen Eindruck gemacht, wenn wir so häufig Aeußerungen in den Zeitungen lesen, wonach wir von französischer Seite Barbaren, unsere Truppen barbarische Horden genannt werden, auch jetzt noch, nachdem sie einigermaßen Gelegenheit gehabt haben, uns und unsre Soldaten durch unmittelbare Anschauung kennen zu lernen? Wir wissen, und die besser unterrichteten Franzosen wissen auch, daß unsre Schulen als die besten der ganzen Welt anerkannt sind, daß z, B. im preu¬ ßischen Staate, wenn man die etwas weniger günstig gestellten Provinzen Preußen und Posen bei Seite läßt, nach den neuesten Ermittelungen von der Masse des Volkes nur 1,13 yet. als Durchschnitt sämmtlicher übrigen Pro¬ vinzen ohne Schulbildung waren, während die in Frankreich 1867 angestellten officiellen Untersuchungen (s. I/instruction en Kranes en 1867 par ^. Nimisr.) ergeben haben, daß dort 33,42 yet. der Bevölkerung nicht schreiben, 23 yet. nicht einmal lesen konnten. Französische Zeitungen haben anerkannt, daß der deutsche Soldat sich durchgängig gut und gesittet beträgt, daß er nament¬ lich dem weiblichen Geschlechte nie die gebührende Achtung verweigert, während jeder Franzose weiß, daß die Truppen seines Landes ganz anders beim Feinde Hausen würden, daß sie also der großen Menge nach weniger Gesittung besitzen. Den wissenschaftlich gebildeten Franzosen ist es ferner so gut bekannt wie uns, daß Deutschland ihnen in fast allen Wissenschaften weit voraus ist. Was die Kriegskunst betrifft, in der sie sich seit Jahrhunderten als die berechtigten Lehrmeister der Welt angesehen haben, so ist ihnen soeben der praktische Beweis beigebracht worden, daß ihre Strategen sich mit den unsrigen nicht messen können, und hinsichtlich der Lebensklugheit und Gewandtheit, in der sie sich ebenfalls für allen Völkern überlegen hielten, proclamiren ja schon seit 1866 ihre Politiker, daß deutsche Staatsmänner die arglosen Franzosen überlistet haben; ja Michelet, welcher ein Geschichtsschreiber sein will, behauptet (ig. ?rince äövaut 1'Luroxe 1871), daß diese Ueberlistung seines Volkes auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/312>, abgerufen am 30.04.2024.