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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Seestscherei-Mgen.

Alle modernen Nationen, welche sich eine Kriegsmarine zugelegt haben,
sind bald zu der Einsicht gekommen, daß dabei ein reichlicher Nachschub see¬
tüchtiger, wetterfester Mannschaft die Hauptrolle spiele, und daß dieser nirgend
woher so gut und sicher zu beziehen sei, wie von dem Fischfang auf hoher
See. Daher die Mühe, welche der Reihe nach Niederländer, Engländer und
Franzosen es sich haben kosten lassen, diesen Zweig der Fischerei unter sich
in Schwung zu bringen. In Deutschland war es eine der ersten Wirkungen
des gewaltigen Rucks nach vorwärts, welchen unsre politischen Angelegenheiten
im Sommer 1866 thaten, daß Seefischerei-Gesellschaften gegründet wurden,
zuerst in Bremen, dann in Hamburg, Danzig u. s. f. Sowohl der Zeit¬
punkt, in welchem dieselben ins Leben traten, als insbesondere die Namen
der Männer, welche sie gründeten -- in Bremen und Danzig war z. B. Ca-
pitän R. Werner betheiligt, der bekannte Marineschriftsteller und unterneh¬
mende Befehlshaber des Panzerschiffes "Kronprinz," -- schlössen die Annahme
aus, daß hier vornehmlich ein geschäftlicher Zweck verfolgt werde. Man
wollte vielmehr eine neue, in England bewährte Betriebs-Methode, diejenige
des Fanges in seefesten Kuttern mit dem großen schweren Grundnetz, unter
sofortiger Ausweitung der Fische und Einlegung in Eis, an der deutschen
Küste einbürgern, wo bis dahin bloß in Schönwetter-Booten eine sehr ver¬
altete Fangweise zu Hause war, -- und auf diese Art ein Fischergeschlecht
erziehen, das der Kriegsmarine wahrhaft nützlich und werthvoll wäre. Na¬
türlich mußten die Gesellschaften, schon um diesen ihren eigentlichen Zweck
wirklich und nachhaltig zu erreichen, auch gute Geschäfte zu machen suchen.
Ohne den directen oder indirecten Nachweis der Rentabilität hätten sie ja
der Küstenbevölkerung kein Beispiel aufgestellt,' das dieselbe veranlassen konnte,
aus anderen Berufszweigen zum Fischfang überzugehen, oder soweit sie dem¬
selben schon nachhing, verbesserte Werkzeuge und Methoden anzunehmen. Vor
den Augen der Gründer aber stand die Dividende immerhin doch nur als
Mittel, nicht als Zweck.

Nicht unwahrscheinlich ist, daß gerade diese Entstehungsart in die
erwähnten Fischerei-Gesellschaften von vornherein den Todeskeim gelegt hat.
Einmal wurde das Actiencapital einigermaßen danach bemessen. Man kannte
den Geschäftszweig seiner Neuheit halber zu wenig und konnte ihn auch durch
Besuche in England oder das Studium englischer literarischer Quellen (woran
es nicht gefehlt hat) kaum hinlänglich kennen lernen, um den Betrag des
nothwendig zu zahlenden Lehrgeldes im voraus richtig zu bemessen. Aber
wenn man die hanseatischen Börsen bei ihrem Patriotismus, nicht bei ihrer
Bereitschaft zum Geldverdienen beschwor, die Actien dieser Gesellschaften zu


Seestscherei-Mgen.

Alle modernen Nationen, welche sich eine Kriegsmarine zugelegt haben,
sind bald zu der Einsicht gekommen, daß dabei ein reichlicher Nachschub see¬
tüchtiger, wetterfester Mannschaft die Hauptrolle spiele, und daß dieser nirgend
woher so gut und sicher zu beziehen sei, wie von dem Fischfang auf hoher
See. Daher die Mühe, welche der Reihe nach Niederländer, Engländer und
Franzosen es sich haben kosten lassen, diesen Zweig der Fischerei unter sich
in Schwung zu bringen. In Deutschland war es eine der ersten Wirkungen
des gewaltigen Rucks nach vorwärts, welchen unsre politischen Angelegenheiten
im Sommer 1866 thaten, daß Seefischerei-Gesellschaften gegründet wurden,
zuerst in Bremen, dann in Hamburg, Danzig u. s. f. Sowohl der Zeit¬
punkt, in welchem dieselben ins Leben traten, als insbesondere die Namen
der Männer, welche sie gründeten — in Bremen und Danzig war z. B. Ca-
pitän R. Werner betheiligt, der bekannte Marineschriftsteller und unterneh¬
mende Befehlshaber des Panzerschiffes „Kronprinz," — schlössen die Annahme
aus, daß hier vornehmlich ein geschäftlicher Zweck verfolgt werde. Man
wollte vielmehr eine neue, in England bewährte Betriebs-Methode, diejenige
des Fanges in seefesten Kuttern mit dem großen schweren Grundnetz, unter
sofortiger Ausweitung der Fische und Einlegung in Eis, an der deutschen
Küste einbürgern, wo bis dahin bloß in Schönwetter-Booten eine sehr ver¬
altete Fangweise zu Hause war, — und auf diese Art ein Fischergeschlecht
erziehen, das der Kriegsmarine wahrhaft nützlich und werthvoll wäre. Na¬
türlich mußten die Gesellschaften, schon um diesen ihren eigentlichen Zweck
wirklich und nachhaltig zu erreichen, auch gute Geschäfte zu machen suchen.
Ohne den directen oder indirecten Nachweis der Rentabilität hätten sie ja
der Küstenbevölkerung kein Beispiel aufgestellt,' das dieselbe veranlassen konnte,
aus anderen Berufszweigen zum Fischfang überzugehen, oder soweit sie dem¬
selben schon nachhing, verbesserte Werkzeuge und Methoden anzunehmen. Vor
den Augen der Gründer aber stand die Dividende immerhin doch nur als
Mittel, nicht als Zweck.

Nicht unwahrscheinlich ist, daß gerade diese Entstehungsart in die
erwähnten Fischerei-Gesellschaften von vornherein den Todeskeim gelegt hat.
Einmal wurde das Actiencapital einigermaßen danach bemessen. Man kannte
den Geschäftszweig seiner Neuheit halber zu wenig und konnte ihn auch durch
Besuche in England oder das Studium englischer literarischer Quellen (woran
es nicht gefehlt hat) kaum hinlänglich kennen lernen, um den Betrag des
nothwendig zu zahlenden Lehrgeldes im voraus richtig zu bemessen. Aber
wenn man die hanseatischen Börsen bei ihrem Patriotismus, nicht bei ihrer
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[0320] Seestscherei-Mgen. Alle modernen Nationen, welche sich eine Kriegsmarine zugelegt haben, sind bald zu der Einsicht gekommen, daß dabei ein reichlicher Nachschub see¬ tüchtiger, wetterfester Mannschaft die Hauptrolle spiele, und daß dieser nirgend woher so gut und sicher zu beziehen sei, wie von dem Fischfang auf hoher See. Daher die Mühe, welche der Reihe nach Niederländer, Engländer und Franzosen es sich haben kosten lassen, diesen Zweig der Fischerei unter sich in Schwung zu bringen. In Deutschland war es eine der ersten Wirkungen des gewaltigen Rucks nach vorwärts, welchen unsre politischen Angelegenheiten im Sommer 1866 thaten, daß Seefischerei-Gesellschaften gegründet wurden, zuerst in Bremen, dann in Hamburg, Danzig u. s. f. Sowohl der Zeit¬ punkt, in welchem dieselben ins Leben traten, als insbesondere die Namen der Männer, welche sie gründeten — in Bremen und Danzig war z. B. Ca- pitän R. Werner betheiligt, der bekannte Marineschriftsteller und unterneh¬ mende Befehlshaber des Panzerschiffes „Kronprinz," — schlössen die Annahme aus, daß hier vornehmlich ein geschäftlicher Zweck verfolgt werde. Man wollte vielmehr eine neue, in England bewährte Betriebs-Methode, diejenige des Fanges in seefesten Kuttern mit dem großen schweren Grundnetz, unter sofortiger Ausweitung der Fische und Einlegung in Eis, an der deutschen Küste einbürgern, wo bis dahin bloß in Schönwetter-Booten eine sehr ver¬ altete Fangweise zu Hause war, — und auf diese Art ein Fischergeschlecht erziehen, das der Kriegsmarine wahrhaft nützlich und werthvoll wäre. Na¬ türlich mußten die Gesellschaften, schon um diesen ihren eigentlichen Zweck wirklich und nachhaltig zu erreichen, auch gute Geschäfte zu machen suchen. Ohne den directen oder indirecten Nachweis der Rentabilität hätten sie ja der Küstenbevölkerung kein Beispiel aufgestellt,' das dieselbe veranlassen konnte, aus anderen Berufszweigen zum Fischfang überzugehen, oder soweit sie dem¬ selben schon nachhing, verbesserte Werkzeuge und Methoden anzunehmen. Vor den Augen der Gründer aber stand die Dividende immerhin doch nur als Mittel, nicht als Zweck. Nicht unwahrscheinlich ist, daß gerade diese Entstehungsart in die erwähnten Fischerei-Gesellschaften von vornherein den Todeskeim gelegt hat. Einmal wurde das Actiencapital einigermaßen danach bemessen. Man kannte den Geschäftszweig seiner Neuheit halber zu wenig und konnte ihn auch durch Besuche in England oder das Studium englischer literarischer Quellen (woran es nicht gefehlt hat) kaum hinlänglich kennen lernen, um den Betrag des nothwendig zu zahlenden Lehrgeldes im voraus richtig zu bemessen. Aber wenn man die hanseatischen Börsen bei ihrem Patriotismus, nicht bei ihrer Bereitschaft zum Geldverdienen beschwor, die Actien dieser Gesellschaften zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/320>, abgerufen am 30.04.2024.